Kreisky und seine Bedeutung für Südtirol

 

erstellt am
15. 06. 15
11.00 MEZ

Tagung des Landesarchivs in Bozen mit Landeshauptmann Kompatscher
Bozen (lpa) - Das Landesarchiv hat am 12.06. in Zusammenarbeit mit dem Kreisky-Archiv aus Wien anlässlich seines 25. Todesjahres eine Tagung in Bozen veranstaltet. Die Bedeutung des ehemaligen österreichischen Außenministers in seiner Rolle als Wegbereiter der Südtirol-Autonomie und seine zwiespältige Beziehung zum Land wurde dabei von Historikern von dies- und jenseits des Brenners beleuchtet.

In jahrelanger gemeinsamer Arbeit hatte das Kreisky-Archiv gemeinsam mit dem Landesarchiv Südtirol-relevante Dokumente aufgearbeitet und digitalisiert. Dieses Projekt war von der damaligen Landesrätin Sabina Kasslatter Mur angestoßen worden. Dessen Abschluss und der Todestag von Bruno Kreisky, der sich heuer zum 25. Mal jährt, waren der Anlass des internationalen Kolloquiums "Bruno Kreisky und die Südtirofrage".

Die zwiespältigen Beziehungen zwischen Südtirol und dem damaligen österreichischen Außenminister Bruno Kreisky (1911-1990) und die unterschiedlichen Sichtweisen auf seine Motivation, die Südtirolfrage zum Thema Nummer eins seiner Außenpolitik zu machen, waren wichtigstes Thema der Diskussion. Landesrat Florian Mussner sagte, Südtirol sei für den Außenminister eine Herzensangelegenheit gewesen und erinnerte daran, dass ohne seinen Einsatz für die Minderheiten auch die Ladiner heute nicht mehr in der Lage wären, ihre Sprache und Kultur zu pflegen. Dass er als Außenminister weiter als jeder andere Amtskollege aus Österreich ging, um sich für Südtiroler Belange einzusetzen, darin waren sich die Teilnehmer einig.

Historiker Hans Heiss wies darauf hin, dass Bruno Kreisky es war, der durch den Gang vor die UNO im Jahr 1959 die Südtirolfrage von einer lokalen zu einer Angelegenheit von internationalem Rang machte. "Ich bin froh, dass dieses Engagement, das in Südtirol oft zu wenig geschätzt wurde, nun durch die Zusammenarbeit und dieses wissenschaftliche Kolloquium entsprechend gewürdigt wird", sagte er.

Landeshauptmann Arno Kompatscher bestätigte in seinen Eindrücken, die Auffassung vieler Historiker, dass die persönliche Geschichte Kreiskys und seine jüdischen Wurzeln ihn besonders sensibel für Minderheitenfragen machten. Aber er unterstrich auch, dass Kreisky mit seinem Einsatz für Südtirol ein damals für die Bevölkerung Österreichs sehr bedeutendes Thema anging: "Kreisky registrierte, dass der Mitte der 1950er Jahre neu erwachte österreichische Patriotismus der Südtirolfrage ein beträchtliches Interesse entgegenbrachte." So waren es durchaus auch politisch taktische Gründe.

Rolf Steininger, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck, bescheinigte Kreisky diesbezüglich cleveres Taktieren und erklärte: "Der Wiener Regierung ging es immer nur um die Autonomie und nie um die Selbstbestimmung, die noch dazu womöglich durch Attentate erkämpft war." Kreisky sei auch der Meinung gewesen, dass die Forderung nach Selbstbestimmung außenpolitisch nicht durchsetzbar gewesen sei. Zudem wollte man aus Freunden nicht Feinde machen. Außerdem könnte man bei einer Selbstbestimmung so viele Italiener, die in Südtirol lebten, nicht einfach aus Südtirol wegbringen - und auch nicht in Österreich eingliedern, argumentierte Kreisky. Steininger sagte, Kreisky habe sich diesbezüglich für die zweitbeste Lösung entschied. Dem entgegen setzte der Landeshauptmann: "Kreisky war auch ein Realpolitiker und setzte sich deshalb für die Autonomie nicht als zweitbeste Lösung ein, sondern als bestmögliche. Auch im internationalen Vergleich mit der Situation anderer Minderheiten erwies und erweist sich diese Autonomie als bestmögliche Lösung."

Historiker Günther Pallaver hob hervor, dass Kreisky forderte, den sozialen Flügel in der SVP zu stärken. Italien gegenüber sollte man aber immer geschlossen auftreten. Pallaver erinnerte auch daran, dass Kreisky die letzten drei Wochen seines Lebens in Meran verbrachte.

Bruno Kreisky setzte sich bereits als Staatssekretär ab 1951 intensiv für Südtiroler Belange ein. Die Hochphase seines Südtirolengagements fiel in die Jahre als Außenminister zwischen 1959 und 1966. In diesem Zeitraum brachte er die Südtirolfrage vor die Vereinten Nationen und suchte in bilateralen Verhandlungen eine Lösung. Kreisky richtete im Außenministerium eine eigene Südtirol-Abteilung ein. Kreiskys Zeit als Außenminister überschneidet sich auch mit dem Höhepunkt der Südtirol-Problematik.

 

 

 

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