65. Städtetag in Wien

 

erstellt am
12. 06. 15
17.00 MEZ

Leistbares Wohnen in Städten diskutiert - Resolution einstimmig beschlossen – Städte und Gemeinden im digitalen Zeitalter - Wissen. Offenheit. Bildung. Sicherheit – Paneldiskussion Kultur als Grundversorgung
Wien (rk) - Unter dem Titel "Leistbares Wohnen" stand der Arbeitskreis 1 am 11.06. ganz im Zeichen der Rahmenbedingungen, die sich Städte wünschen, um leistbares Wohnen in Ballungszentren zu gewährleisten. Vorsitzender des Arbeitskreises mit rund 160 TeilnehmerInnen ist der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, der in seinem einleitenden Impulsreferat betont: "Der Städtetag findet nicht zufällig in Wien statt, steht er doch unter dem Motto ,Smart Cities: Menschen machen Städte‘. Wien stellt sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts mit einer smarten Strategie, die zukunftsfähiges Wohnen in den Mittelpunkt stellt. Ihre Elemente umfassen nicht nur eine hohe und bedarfsgerechte geförderte Neubauleistung und Flächenreserven von aktuell 2,3 Mio. Quadratmetern, sondern auch zusätzliche Instrumente wie das Immobilien- und Normenmanagement, die Widmungskategorie ,geförderter Wohnbau‘, städtebauliche Verträge sowie umfassendes Service für die Wiener Bevölkerung. Ich bin davon überzeugt, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Städtetags aus Wien viele Anregungen mitnehmen können."

Smarte Tradition, smarte Zukunft
Der Erfolg der Wiener Stadtpolitik beweist, dass gelungene Stadtgestaltung als zutiefst öffentliche Aufgabe zu sehen ist. "Smart" - das bedeutet "g‘scheit", "vif". "Wien hat nicht nur eine smarte Tradition und Gegenwart, sondern auch eine smarte Zukunft", betonte der Wiener Wohnbaustadtrat.

420.000 geförderte Wohnungen in der Stadt ermöglichen nicht nur sechs von zehn WienerInnen leistbares und hochqualitatives Wohnen, sondern wirken insgesamt preisdämpfend auf den gesamten Wohnungsmarkt. Allein im vergangenen Jahr wurden 7.273 neue geförderte Wohnungen übergeben. Mit dem SMART-Wohnbauprogramm schafft die Stadt ein besonders kostengünstiges Wohnungsangebot. Weiterer wichtiger Baustein im Wohnungsneubau ist die 2011 ins Leben gerufene Wiener Wohnbauinitiative. Das Modell, eine Ergänzung zum geförderten Wohnbau, gilt mittlerweile als nationales und internationales Vorzeigebeispiel. Und als jüngste Maßnahme baut Wien wieder Gemeindewohnungen.

"In Wien wurden frühzeitig urbane Entwicklungspotenziale aufgespürt, Zielgebiete definiert und Flächen gesichert. So entstehen allein in aspern Seestadt und am ehemaligen Nordbahnhof neue Stadtteile mit jeweils 20.000 neuen Wohnungen.

Aktuell betragen die Flächenreserven für gefördertes Wohnen rund 2,3 Millionen Quadratmeter. Das hohe Maß an Neubauleistung und die vorausschauende Grundstücksbevorratung stellen sicher, dass geförderte Wohnungen in Wien leistbar sind und bleiben", so Ludwig.

Dazu tragen aber auch viele weitere Maßnahmen bei. Zum Beispiel das Normenmanagement, das die Stadt Wien als erste Gebietskörperschaft eingerichtet hat. "Bereits bei der Entstehung von Normen und Standards achten wir auf die Ausgewogenheit von Qualität, Sicherheit und Innovation einerseits, von Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit andererseits. Auch das ist smart", unterstrich er.

So wie die Novelle der Wiener Bauordnung, die seit 2014 spürbare Verbesserungen bringt: Durch neue Bestimmungen wie die Widmungskategorie "förderbarer Wohnbau" oder befristete Baulandwidmungen wurden in Wien preisdämpfende Maßnahmen gesetzt.

Mittels städtebaulicher Verträge ist es nun weiters möglich, mit Bauwerbern privatrechtliche Vereinbarungen zu treffen. Sie werden dabei verpflichtet, für soziale Infrastruktur aufzukommen - als Gegenleistung für die Umwidmung in Bauland. Zusätzlich werden mit einem eigenen Immobilienmanagement Entwicklung, Nutzung, Verwaltung und Verwertung des Grundbesitzes der Stadt Wien optimiert.

Auch für Sanierungsprojekte wird mit Fördermitteln ein wesentlicher Beitrag für hochwertigen Wohnraum und für die Sicherung von Arbeitsplätzen geleistet. Wien verfolgt seit 40 Jahren konsequent den Weg der Sanften Stadterneuerung. Ludwig: "Mehr als 750.000 Wienerinnen und Wiener leben heute in Wohnhäusern, die mit Fördermitteln der Stadt revitalisiert worden sind."

Ein wichtiger Baustein einer Smart City ist zudem das Service für die BewohnerInnen. Das gesamte Leistungsangebot des kommunalen und geförderten Wiener Wohnbaus findet sich seit rund einem halben Jahr unter einem Dach: Die Wohnberatung Wien ist die neue Anlaufstelle für Gemeindewohnungen und geförderte Wohnungen.

Ludwig: "Nur eine soziale Stadt ist auch eine Smart City"
Viele Bausteine machen eine Smart City aus. Zu den wichtigsten, auch im Wohnbau, zählt eine gerechte Verteilung der Mittel. Denn Innovation und Fortschritt scheitern, wenn sei nur wenigen begüterten BürgerInnen zur Verfügung stehen.

"Leistbares Wohnen ist entscheidend für die Städte der Zukunft, eine hohe Lebensqualität und sozialen Frieden. Es braucht daher bundesweit kontinuierliche Investitionen in den Bereich des leistbaren Wohnens und eine umfassende und sozial orientierte Modernisierung des Mietrechtsgesetzes. Darüber hinaus gewinnt die verstärkte Vernetzung mit den Umlandregionen an Bedeutung. Denn Herausforderungen wie die gezielte ökonomische und ökologische Planung und Entwicklung von Verkehr, Infrastruktur und neuen Siedlungsflächen können zunehmend nur gemeinsam gemeistert werden", unterstrich der Wiener Wohnbaustadtrat.

Wien intensiviert daher die Partnerschaft mit dem Umland durch ein Angebot von Vernetzung, Dialog und überregionalen Kooperationen. "Der Österreichische Städtetag steht im Zeichen der Gemeinsamkeit. Es freut mich daher ganz besonders, dass dem Thema des leistbaren Wohnens ein eigener Arbeitskreis gewidmet wurde", so Wohnbaustadtrat Michael Ludwig abschließend.

 

 

Resolution einstimmig beschlossen
Ehrenmitgliedschaft an die Bürgermeister Manzenreiter und Müller
Bei der Vollversammlung unter Vorsitz von Bürgermeister Matthias Stadler (St. Pölten) folgten die statutarischen Beschlüsse. Den ehemaligen Bürgermeistern Helmut Manzenreiter und Bernhard Müller, die beide langjährige Mitglieder der Geschäftsleitung des Österreichischen Städtebundes gewesen waren, dankte Präsident Michael Häupl und verlieh ihnen die Ehrenmitgliedschaft.

Dann folgte der Beschluss über die "Resolution an den Österreichischen Städtetag", die die wichtigsten politischen Positionen zusammenfasst. Der Beschluss erfolgte einstimmig.

Die Daseinsvorsorge muss als Aufgabe des Staates außerhalb der reinen Finanz- und Wirtschaftslogik definiert und die Entscheidungshoheit der Städte und Gemeinden über deren Gestaltung sichergestellt werden. Nachhaltige öffentliche Investitionen in die Daseinsvorsorge und in Zukunftsbereiche wie Bildung und Kultur, Wissenschaft und Forschung, Gesundheit und Pflege, öffentlicher Verkehr und sozialer Wohnbau oder aktive Arbeitsmarktpolitik dürfen nicht als Schulden gemäß Fiskalpakt beziehungsweise Stabilitäts- und Wachstumspakt bewertet werden. Dies wird in sämtlichen Freihandelsabkommen zu berücksichtigen sein.

Reform des Finanzausgleichs gefordert

  • eine Reform des Finanzaus¬gleichs, die sich an den Aufgaben orientiert, muss die Finanzierung der Basisaufgaben, Sonderlasten und zentralörtlichen Aufgaben der Städte sicherstellen.
  • eine klare Trennung von Ressourcen- und Lastenausgleich
  • eine Aufgabenreform, die durch die Zusammenführung von Aufgaben-und Finanzierungsverantwortung unkoordinierte Doppelinvestitionen verhindert und Transparenz über die Mittelverwendung und Kostenwahrheit fördert. Durch eine sinnvolle Aufgabenentflechtung und die entsprechende Neuordnung der Mittel¬zuweisung erübrigen sich entsprechende Transferverflechtungen, Transfers und Umlagen entfallen zur Gänze;
  • ein Steuerfindungsrecht der Städte, um zu kompensieren, dass ein bedeuten¬der Teil der gemeindeeigenen Steuern in den vergangenen Jahren abge¬schafft oder durch die Schaffung zahlreicher Ausnahmebestimmungen, so auch Steuerbefreiungen für andere Gebietskörperschaften, ausgehöhlt wurde;
  • eine Reform der gemeindeeigenen Steuern: die Neuordnung der Grund¬steuer und der Kommunalsteuer sowie das Streichen von diversen Befreiungen unter¬stützt die Abgabenautonomie der Städte. Die Reform der Kommunalsteuer soll zur Stärkung der Kommunen mit zentralörtlichen Aufgaben beitragen;
  • die Möglichkeit des direkten Zugangs zu Finanzierungen durch die ÖBFA, damit die Städte günstige Konditionen für die Finanzierung ihrer Aufgaben entspre¬chend nutzen können;
  • die Wiedereinführung des Vorsteuerabzugs für kommunale Infrastrukturinvesti¬tionen, dessen Abschaffung bewirkt hat, dass beträchtliche fi¬nanzielle Mittel von den Kommunen zum Bund verschoben wurden;
  • dass wichtige öffentliche Investitionen in die Daseinsvorsorge und Zukunftsbe¬rei¬che wie Bildung und Kultur, Wissenschaft und Forschung, Gesundheit und Pflege, öffentlicher Verkehr und sozialer Wohnbau sowie aktive Arbeitsmarktpolitik nicht auf die Kriterien im Fiskal¬pakt sowie Stabilitäts- und Wachs¬tumspakt angerechnet werden dürfen;
  • die Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel für den Wohnbau. Die Mittel sind zu valorisieren;
  • Funktionierende Städte fördern die Entwicklung des ganzen Landes, auch die der ländlichen Regionen. Damit es den Städten gelingt, das hohe Niveau ihrer Leistungen aufrecht zu erhalten, weiter zu entwickeln und auszubauen, bedarf es in einer Welt, die ständigen Veränderungsprozessen unterliegt, entsprechend tauglicher Rahmenbedingungen - in Österreich und in Europa.

 

 

Städte und Gemeinden im digitalen Zeitalter -
Wissen. Offenheit. Bildung. Sicherheit
Unter dem Vorsitz von Ulrike Huemer, Leiterin der Gruppe Prozessmanagement und IKT-Strategie der Stadt Wien, diskutierte der Arbeitskreis 5 beim Österreichischen Städtetag über die Digitalisierung im Kontext der Kommunen. Das Thema der Digitalisierung ist unerlässlich für die Kommunen, dennoch sind sie derzeit dieser Herausforderung noch nicht ausreichend vorbereitet. Dabei geht es vor allem darum, die Sensibilisierung für das Thema zu stärken und aufzuzeigen bzw. gemeinsam zu erarbeiten, wo die zentralen Herausforderungen liegen.

Ulrike Huemer geht als Leiterin der Gruppe Prozessmanagement und Informations- und Kommunikationstechnologie Strategie der Stadt Wien mit dem Beispiel der Digitalen Agenda voran, die Wien gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet hat und die als Leitfaden zum Umgang mit der Herausforderung Digitale Revolution im Juni 2015 präsentiert wird.

Roland Ledinger, Leiter der IKT-Strategie des Bundes sowie Geschäftsführer der Plattform Digitales Österreich, Bundeskanzleramt, thematisierte die Herausforderungen "digitale Gesellschaft, digitale Wirtschaft, digitaler Staat, digitale Zukunft" für die Politik und Verwaltung. Die digitale Welt verändert nicht nur das Leben der einzelnen BürgerInnen, sondern auch die Arbeitsweise der Politik und Verwaltung. Neben großen Zielen und Hoffnungen gehen damit auch weitreichende Anforderungen einher. Die Beteiligung der BürgerInnen steht auch hier im Zentrum, wobei die Behörden als Service-Units eine neue Art der Verwaltung ausüben werden, denn der "Weg" von der Amtsstube hin zu einer digitalen Welt hat schon begonnen.

Umsetzung von Open Government
Bernhard Krabina vom KDZ (Zentrum für Verwaltungsforschung) stellte detaillierte Möglichkeiten vor, wie Open Government auf kommunaler Ebene umsetzbar ist. Fragen der Steuerung und Implementierung von Offenheit, Public Management und Klärung der benötigten Kompetenzen sind ein wichtiger Schritt. Ein weiterer Schritt ist die Klärung der benötigten Basisinfrastruktur. Zentral ist hierbei, dass Open Government den Kern von Politik und Verwaltungshandeln betrifft. Das "Problem" Open Government darf keinesfalls von der Politik an die Verwaltung, innerhalb der Verwaltung nicht an die IT- oder PR-Abteilung oder gar an Agenturen oder die "Jungen" verlagert werden. Joanna Schmölz, stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI), erörtert den Bedarf für eine neue Werteordnung für das digitale Zeitalter.

Das Internet ist eine Kulturleistung der Menschheit von historischer Bedeutung. Durch diese tiefgreifenden Veränderungen, ist mittlerweile das gesamte menschliche Leben digital beeinflusst und begleitet. Vertrauen und Sicherheit im Internet sind unabdingbare Voraussetzungen und elementarer Bestandteil des gesamten Wirtschafts-und Sozialraums geworden. Nutzer, Wirtschaft und Staat haben aus diesem Grund die gemeinsame Pflicht, Grundregeln für den Umgang miteinander im Internet auszuhandeln und für deren Verbindlichkeit zu sorgen, denn Freiheit und Sicherheit sind Grundbedürfnisse - auch im Internet. Laut Meral Akin-Hecke (Digital Champion Austria) liegt die Zukunft des Digitalen in unserer Hand. Für sie ist nur eine Gesellschaft, die die digitalen Kompetenzen als Grundlage der heutigen Zeit begreift - wie lesen, schreiben und rechnen - schafft auch die Voraussetzungen für technische Innovation, wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit und eine digital selbstbestimmte Gesellschaft. Das erfordert aber ständige Weiterbildung. Darum muss die Schließung der digitalen Kluft das vorrangige Ziel der österreichischen und europäischen Politik sein.

Hacker-Demonstration vor Publikum
Zum Abschluss folgte eine eindrückliche Vorführung: Joe Pichlmayr und Sebastian Bachmann von IKARUS Security Software GmbH bewiesen durch eine Hacker-Demontration Sicherheitslücken bei der Nutzung von WLAN Hotspots und erklärten Möglichkeiten für den sicheren Umgang.

 

 

Paneldiskussion Kultur als Grundversorgung
Städte sind das Herz ihrer Region: sie sind Zentren des Fortschritts, ein Vorbild für Daseinsvorsorge und wirtschaftliche Ballungsräume, die von Zuwachs und Austausch leben. Wien gehört zu jenen wenigen Metropolen in Westeuropa, die sich eines Wachstums und Zuzugs erfreuen. Kultur, die für alle - unabhängig von Alter, Herkunft oder Möglichkeiten zugänglich ist - trägt viel zur Teilhabe, Lebensqualität und zum Lebensgefühl Wiens bei. Die hier gebotene Vielfalt vom kostenlosen Open-Air-Festival bis hin zum Symphoniker-Konzert ist in dieser Qualität und Dichte nur möglich, weil es ein Bekenntnis der Stadt zu einer öffentlicher Förderung gibt", so Wiens Stadtrat für Wissenschaft und Kultur Andreas Mailath-Pokorny bei der Paneldiskussion "Kultur als Daseinsvorsorge".

Kulturelle Angebote sind in Österreich, Deutschland und europaweit elementarer Teil der Daseinsvorsorge. Anbieter sind Träger im sozialen, kulturellen, kommunalen und medialen Bereich. Diese Angebote ermöglichen breiten Zugang zu sowie Teilhabe am kulturellen Leben. Angebote sind so vielfältig wie ihre Träger. Kommunen betreiben und unterhalten Theater, Opern, Konzertsäle und kommunale Kinos, investieren in die kulturelle Bildung, etwa über Musik- und Volkshochschulen. Kulturelle Inhalte, Kulturproduktion und ihre Darbietung sind Teil der Jugend-, Familien- und Altenarbeit von Sozialverbänden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist Kulturproduzent und -vermittler - in seinen vielfältigen Programmangeboten in Fernsehen, Radio und Internet, aber etwa auch mittels der Produktionen und Aufführungen seiner Klangkörper, über seine Investitionen in die Kultur- und Kreativwirtschaft usw. Gleichermaßen sind Kultur, kulturelle Prozesse und Angebote Ausdruck kulturell vielfältiger Gesellschaften. Sie sind somit auch elementarer Teil der Integrationsarbeit in der Einwanderungsgesellschaft. Sie ermöglichen gesellschaftliche Kohäsion und Teilhabe.

Kultur als Wirtschaftsfaktor
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein wichtiger, zumal wachsender Teil der Volkswirtschaft. Kultur sichert und schafft Ausbildungs- und Arbeitsplätze und generiert Wirtschaftswachstum über den Kernbereich hinaus, etwa im Handwerk, im Gastronomie- und Hotelgewerbe, in den Medien, im Tourismus etc.

Öffentliche Dienste und ihre bedarfsgerechte Finanzierung sind Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft. Auch wenn dies weithin grundsätzliche Unterstützung in breiten Teilen der Gesellschaft erfährt, findet dennoch eine lebhafte und kontroverse öffentliche Debatte darüber statt, wie weit öffentliche Dienste, auch in der Kultur, gehen, was sie kosten sollen, wieviel finanziert werden soll und angesichts angespannter Kassenlagen finanziert werden kann.

Was also ist der Anteil der Kultur am Gemeinwohl und welche kulturelle Daseinsvorsorge soll es geben - in Deutschland, in Österreich und in der EU? Beim Panel zu ‚Kultur und Daseinsvorsorge‘ diskutierten nach einer Einleitung von Eva-Maria Michel, stellvertretende Intendantin des Westdeutschen Rundfunks und Uwe Zimmermann, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes unter der Moderation von Klaus Unterberger (ORF) Gabriele Eschig, Generalsekretärin, österreichische UNESCO-Kommission, Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny, Markus Töns, Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen, Deutschland, Marc Grandmontagne, Geschäftsführer der Deutschen Kulturpolitischen Gesellschaft und Gerhard Timm, Geschäftsführer, Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. Das Fazit fasste zuletzt Sonja Witte, Leiterin Grundsatz und Europa, Verband kommunaler Unternehmen e.V., zusammen.

 

 

Kinderbetreuung als öffentliche Investition
Die Kinderbetreuung im Mittelpunkt der Beratungen des Arbeitskreises 3. Die Ausgaben der öffentlichen Hand für Familienförderung liegen in Österreich knapp über dem OECD-Durchschnitt. Einen Schwerpunkt auf Unter-Dreijährige setzte die österreichische Bundesregierung bei ihrer 2014 beschlossenen Ausbauoffensive der Kinderbetreuung.

Für Frauen- und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek ist der Beschluss ein wichtiger Schritt: "Der Kindergarten ist das Fundament, auf dem unsere Kinder ihre Zukunft aufbauen - hier wird der Grundstein für gleiche Bildungschancen gelegt. Flächendeckende und qualitativ und pädagogisch hochwertige Kinderbildungseinrichtungen sind deshalb ganz klar eine gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung und dürfen in einer Smart City nicht fehlen. Als Frauen- und Bildungsministerin sehe ich mich in zweierlei Hinsicht gefordert, denn der Ausbau der Kinderbetreuung stärkt auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bis 2018 investieren wir 800 Millionen in ganztägige Schulformen, damit bis zum Schuljahr 2018/19 für jedes dritte Kind ein Ganztagsschulplatz verfügbar ist. Auch bei den Kindergärten hat der Bund den Turbo gezündet und fördert derzeit den Ausbau mit 100 Millionen Euro im Jahr. Das unterstütze ich natürlich, genauso wie ein zweites Gratis-Kindergartenjahr für alle."

AK fordert Qualitätsverbesserung
Die Arbeiterkammer Wien spricht sich für einen dringend benötigten Ausbau der Kinderbetreuung, aber auch für eine Qualitätsverbesserung aus. Beim Betreuungsschlüssel Kinder zu Personal würde Österreich mit durchschnittlich 8,7 Kindern zwischen 0 und 3 Jahren auf eine Betreuungsperson zu den Schlusslichtern zählen. Notwendig sei daher mehr pädagogisches Personal, damit die Kinderbetreuung zu einer Kinderbildung mit guter Förderung der Kinder wird.

Im Arbeitskreises wurden weitere folgende Fragen diskutiert: Was kosten Kindergärten? Was entgeht den Kommunen und dem Staat grundsätzlich an Einnahmen, wenn Frauen nicht die Möglichkeit haben, zu arbeiten? Welche Leistungen muss die öffentliche Hand aufbringen, um die Frauen anders abzusichern? Margit Schratzenstaller (WIFO) stellte dazu die Familienleistungen in Österreich und jene ausgewählter Vergleichsländer wie Deutschland, Dänemark und Frankreich dar. Diese Länder würden erheblich mehr Ausgaben für Betreuungseinrichtungen aufwenden und weniger Geldleistungen erbringen.

"Die österreichische Familienpolitik gibt leider viel Geld mit mäßiger Wirkung aus. Beispielsweise haben wir einen relativ hohen Anteil an Frauenbeschäftigung, aber auch gleichzeitig eine hohe Armutsgefährdungsquote bei Kindern - dies ist unter anderem auf die hohe Teilzeitbeschäftigung unter Frauen zurückzuführen. Aber es ist leider auch die tägliche Arbeitszeit sehr ungleich verteilt - zwei Drittel decken immer noch Frauen ab", so Schratzenstaller.

Für die Zukunft zeichnen sich laut der WIFO-Expertin folgende Trends ab: Eine langfristige Verschiebung von Geldleistungen hin zur Betreuungsinfrastruktur und zum Ausbau der Betreuungseinrichtungen. Eine teilweise Einschränkung der Familienleistungen im Zuge der Konsolidierungsbemühungen, "Länder wie Dänemark, Großbritannien oder Frankreich schaffen beispielsweise die universale Kindergeldleistung sogar ab". Und eine erhöhte Väterbeteiligung, die durch Maßnahmen wie finanzielle Anreize oder nicht-übertragbare Elternzeit-Monate umgesetzt werden soll.

Sybille Pirklbauer von der Abteilung Frauen-Familie der AK Wien zeigte die volkswirtschaftlichen Effekte auf, die durch Investitionen in Sozialleistungen entstehen. Mit einer Modellrechnung zeigte sie, welche Effekte durch eine jährliche Anstoßfinanzierung (100 Millionen Euro seitens des Bundes und 100 Millionen Euro seitens der Länder) für einen Rahmen von vier Jahren erzielt werden könnten: Beispielsweise wären 35.000 zusätzliche Plätze für Kleinkinder (unter 3 Jahren), verbesserte Öffnungszeiten für 70.000 bestehende Plätze (3- bis 6-Jährige) und für alle Kleinkindergruppen ein/e zusätzliche/r Pädagogin oder Pädagoge (zumindest halbtags) dadurch möglich.

Als Beispiel aus der Praxis stellte Uta Schwarz-Österreicher, Fachbereichsleiterin für Familie, Schule, Sport und Soziales, Stadt Tübingen, Deutschland die Angebote und Leistungen der Kinderbetreuung der Stadt Tübingen vor. Hier wurde die Zahl der Betreuungsplätze für Kleinkinder in den letzten 10 Jahren mehr als verdreifacht und von 319 auf 1.188 Plätze gesteigert. Heute können nahezu 60% der Kinder von zwei Monaten bis drei Jahren einen Betreuungsplatz bekommen, in der Altersgruppe der 1 bis 3-Jährigen sind es sogar 86%. Damit liegt Tübingen in Baden-Württemberg auf dem Spitzenplatz.

 

 

Soziale Innovation als Instrument der Stadtentwicklung
In Arbeitskreis 4 zum Thema "soziale Innovationen als Instrument der Stadtentwicklung" setzten ExpertInnen die Gespräche über Stadtentwicklung fort. So würden sich beispielsweise Creative Cities bemühen, der Schaffenskraft ihrer Bewohnerinnen und Bewohner Raum zu geben. Wie es solchen Städten gelingt, eine lebendige Szene aufzubauen und was andere Städte daraus lernen können, wenn es darum geht, das Potenzial ihrer Bevölkerung zu nutzen, um die eigene Stadt, den öffentlichen Raum, die Erdgeschoßzone oder auch vernachlässigte Bereiche wieder zu beleben, wurde im Arbeitskreis intensiv beraten.

Nach Eröffnungsvorträgen von Universitätsprofessor Josef Hochgerner, der soziale Innovation als etwas beschreibt, das die Stadien Idea, Intervention, Implementation und Impact durchläuft und dem Wiener Planungsdirektor Thomas Madreiter, der den Einsatz von sozialen Innovationen für das Smart-City-Konzept darstellte, erfolgte an vier Thementischen eine Annäherung an den Begriff "soziale Innovation" in verschiedenen Kontexten.

Nach Ansicht der DiskutantInnen am Tisch, der sich mit Start-ups und Social Entrepreneurship befasst hat, braucht es verstärkt Förderinstrumente, die auf die Errichtung gemischte Gebäudenutzungen (Wohnen und Arbeiten, Co-working Spaces,..) in den Zentren abzielen. Am Tisch Baugruppen und Baugemeinschaften wurde intensiv diskutiert, wie der Erstellungsprozess gemeinschaftlicher Bauprojekte gefördert werden könnte - denn es dauert in der Regel ein Jahr, bis sich eine Gruppe gefunden und formiert hat, die ein gemeinsames Projekt entwickeln wollen und die Finanzierung für das Bauprojekt gesichert ist.

Auch die Frage "Was kommt nach der Partizipation?" wurde anhand der Beispiele von engagierten Smart Cities wie Villach, Leoben und Amstetten intensiv diskutiert.
Aktive Beteiligung

Wie auch der Titel des 65. Städtetags "Smart Cities: Menschen machen Städte" anklingen ließ, wird der aktiven Beteiligung der Bevölkerung an Stadtentwicklung zunehmend Wert beigemessen. Im Idealfall sollen die gemeinsamen Anstrengungen von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft dazu führen, die mit "Smart Cities" verfolgten Ziele auf den Boden zu bringen ("Ko-Produktion").

Dieses "Gemeinsame" sollte schon auf der Quartiersebene im Sinne einer "gelebten Nachbarschaft" in und mit der Stadt beginnen. Unterstützung bei Kontaktaufnahme und Problemlösungen bieten hier Projekte wie die "Social City" ebenso wie neue Tools á la "FragNebenan" - eine online Plattform für das eigene Haus und die nähere Nachbarschaft.

Von allen TeilnehmerInnen des Arbeitskreises wurden die Forderungen der Agenda Innenstadt des Städtebundes gegenüber Bund und Ländern bekräftigt, die zur Stärkung der Innenstädte und Stadtzentren als wichtige Brennpunkte der Stadtentwicklung und Zentren der sozialen Innovation beitragen.

 

 

Infrastrukturfinanzierung und Stabilitätspakt
Die Infrastrukturfinanzierung und der Stabilitätspakt standen unter dem Vorsitz der Innsbrucker Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer im Mittelpunkt des Arbeitskreises 2 des Österreichischen Städtetages. Die Forschungsfrage: "Kann trotz Fiskalregeln noch investiert werden? Oder bedarf es deren Änderung?" wurde von verschiedenen ExpertInnen beleuchtet.

Es diskutierten Peter Biwald (Geschäftsführer KDZ, Zentrum für Verwaltungsforschung),Wiens Vizebürgermeisterin und Finanzstadträtin Renate Brauner, Michael Klien (WIFO), Uwe Zimmermann (Stv. Hauptgeschäftsführer Dt. Städte- und Gemeindebund). Der massive Einbruch der Investitionen gefährdet aktuell die Wirtschaftsentwicklung in Europa und langfristig die Qualität der Infrastruktur.

Vizebürgermeisterin Renate Brauner betonte in ihrem Referat, dass es einen überarbeiteten europäischen und österreichischen Stabilititätspakt braucht, der dringend notwendige Investitionen in Bildung, Forschung und Gesundheit nicht behindert. "Wir fordern flexible und wachstumsfreundliche Regeln!", so Brauner. Und weiter: " Denn kommunale Investitionen sorgen für mehr Lebensqualität für unsere Bürger, sichern Arbeitsplätze und führen damit auch für nachhaltige Konsolidierung. Die Austeritätspolitik ist nachweislich gescheitert."

Dies bestätigten auch namhafte Experten (Stiglitz, Krugmann, IMF, etc.), die ein Ende der Austeritätspolitik befürworten und auf den sich verschlechternden Zustand der (deutschen) Infrastruktur (zuletzt etwa in "Gloomy Outlook" vom 13.10.2014 in der Interviewreihe "Money talks" des britischen Economist) verweisen.

Trotzdem bindet sich die europäische Politik mit Six Pack, Two Pack etc. weiterhin an eine ungesunde Sparpolitik und entwickelt immer neue, bürokratisch kaum mehr abzubildende Regeln. Auch Österreich hat mit der Übernahme des strukturellen Defizits und vor allem der sogenannten Ausgabenbremse, diese Vorschriften in den Stabilitätspakt übernommen. Dabei sind diese Regeln bzw. deren Methodik in der ökonomischen Theorie und in der praktischen Herleitung heftig umstritten.

Der scheinbare "Ausweg" über sog. PPP-Modelle kann vielleicht in einem engumgrenzten Bereich von standardisierten Projekten hilfreich sein. Der Rechnungshof kommt aber zu dem Ergebnis, dass der wesentliche Vorteil von PPPs ist, Projekte auch bei momentan angespannten Budgets zu realisieren. Da die private Vorfinanzierung langfristig aber teurer sei als die Finanzierungskosten der öffentlichen Hand sei Vorsicht bei der Umsetzung von PPPs geboten, zumal die Datenlage noch sehr schwach sei. Generell zieht Moser den Schluss, dass Private nicht billiger bauen können als die öffentliche Hand.

Der Arbeitskreis spannte den Bogen von Problematik des Investitionseinbruchs und den europäischen Regelungen hin zu den verschiedenen Lösungsmöglichkeiten wie PPPs bzw. Privatisierungen versus Golden Rule.

 

 

Fünf spannende Themenkreise zu leistbarem Wohnen in Städten
Unter dem Titel "Leistbares Wohnen" diskutierten rund 160 TeilnehmerInnen unter dem Vorsitz des Wiener Wohnbaustadtrates Michael Ludwig zum Thema leistbares Wohnen in Ballungszentren.

Die meisten österreichischen Städte und urbanen Ballungsräume würden aktuell einen enormen Bevölkerungszuwachs bewältigen müssen und daher stünden Städte vor großen Herausforderungen, dem Grundbedürfnis und Grundrecht für Wohnraum nachzukommen und dafür Sorge zu tragen, dass dieser auch breiten Bevölkerungsschichten zu bestmöglicher Qualität zugänglich ist.

Universitätsprofessor Michael Wagner-Pinter (Synthesis Forschung Ges.m.b.H.) gab in seinem Impulsreferat einen Überblick über die Aufgaben: So gilt es neben der Sicherung des aktuellen Wohnungsbestandes laufend auch neuen Wohnraum bereitzustellen. Dabei ist die große Herausforderung, dass neuer Wohnraum in der Regel unverhältnismäßig teurer ist als bestehender. Wagner-Pinter brachte folgendes Beispiel: "Eine 30-jährige gutausgebildete Person muss im Schnitt die Hälfte des Einkommens für Wohnen ausgeben. Der Wettbewerb auf dem Immobilienmarkt ist zwar notwendig aber damit er auch sozial verträglich ist, müssen alle Potenziale aller Menschen ökonomisch verwertbar sein", so Wagner-Pinter und machte darauf aufmerksam, dass dies nicht der Realität entspreche, da ein Fünftel der ÖsterreicherInnen (laut PISA) nicht lesen, schreiben und rechnen können. Die enormen Preissteigerungen auf dem Immobilienmarkt sind zurückzuführen auf: begrenzten Grund und Boden, beschränkte Budgetmittel und gesamtstaatliche Standards, die zu erfüllen sind.

Im zweiten Redebeitrag ging Barbara Steenbergen, Geschäftsführerin des Brüsseler Büros der Internationalen Mieterallianz auf ihren Arbeitsschwerpunkt ein: In einer Tour d’Europe gab sie anhand konkreter Fallbespiele Einblick, wo seitens der Europäischen Kommission gegen Mitgliedsstaaten im Bereich des geförderten Wohnungswesen vorgegangen wurde. So gab es derartige Verfahren in Schweden, den Niederlanden oder Frankreich.

Die Internationale Mieterallianz tritt vehement dafür ein, die Frage des geförderten Wohnungswesens gemäß dem Subsidiaritätsprinzip strikt in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten zu belassen. "Der Begriff des sozialen Wohnbaus kann nicht allein an Einkommensgrenzen definiert werden, sondern hat tiefergehende Begründungen, wie zum Beispiel sozial stabile Bewohnerstrukturen", so Steenbergen.

Im Anschluss wurde an fünf Thementischen, die sich verschiedenen Teilaspekten der umfassenden Materie widmeten, diskutiert.

Unter dem Vorsitz der Bürgermeisterin von Dornbirn, Andrea Kaufmann, standen bei Thementisch 1 Modelle der Bodenbereitstellung im Fokus.

Der zweite Thementisch befasste sich mit technischen Standards und welche Rolle sie für die Kosten im Wohnbau spielen. Hier gab Georg Pommer, Leiter der Magistratsabteilung 39 der Stadt Wien einen Überblick über die Leistungen des neuen Normenmanagements der Stadt Wien.

Fragen der Finanzierung und der Wohnbauförderung wurden bei Thementisch 3 diskutiert. Als Vorsitzender berichtete der Vorstandsdirektor der Wohnbaugenossenschaft "die salzburg", Georg Sturm über die Neugestaltung der Salzburger Wohnbauförderung. Die soziale Komponente der urbanen Herausforderung Wohnbau wurde auf Thementisch 4 beraten. Die Baudirektorin der Stadt Kapfenberg, Sabine Christian, zeigte anhand konkreter Beispiele, wie durch gezielte soziale Durchmischung bei der kommunalen Infrastruktur gespart werden kann.

Die fünfte Thementischdiskussion widmete sich der Kooperation mit der privaten Immobilienwirtschaft. Als Vorsitzender legte der geschäftsführende Gesellschafter der wvg Bauträger GmbH, Jörg Wippel, seine Sichtweise im Umgang mit öffentlichen Akteuren dar. Bei allen Schwierigkeiten, die bei diesem Aufeinandertreffen immer wieder auftreten, sieht er doch ein klares Bekenntnis für die Kooperation von privaten Bauträgern und der öffentlichen Hand, da sie einander brauchen und nur gemeinsam Erfolg haben werden.

Der Österreichische Städtetag wird morgen, Freitag, mit Abschlussreferaten aus allen Arbeitskreisen sowie einem hochkarätig besetzen Abschlussplenum zum Thema "Kommunal- und Infrastrukturfinanzierung in Zeiten von Sixpack und Co" fortgesetzt.

 

 

Weninger: „Öffentliche Investitionen dienen sozialer Kohäsion“
In seiner Rede ging der Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes, Thomas Weninger, auf die Gründung des Österreichischen Städtebundes vor 100 Jahren ein: Im September 1915 schlossen sich 58 Bürgermeister zusammen um in Kriegszeiten die Versorgung der Bevölkerung in ihren Städten zu gewährleisten.

Ziel war es das Gemeinwesen zu pflegen und zu wahren. Am Beginn standen dabei vor allem die technologieintensiven Bereiche der Daseinsvorsorge wie, Wasser- und Energieversorgung, Abwasserentsorgung und der öffentliche Verkehr. Vier Bereiche, die auch heute noch den Grundstein und die Basis einer lebenswerten Stadt bilden, so Weninger.

Nach dem Bau und Aufbau dieser technologieintensiven Leistungen der Daseinsvorsorge rückten im 20. Jahrhundert verstärkt die sozialen Bereiche der Daseinsvorsorge in den Fokus der Aufmerksamkeit und des Handelns der Bürgermeister. Sprichwörtlich von der Wiege bis zur Bahre wurden diese Leistungen entwickelt und weiterentwickelt. Sei es der Gesundheitsbereich, vor allem die Vorsorge bis hin zur Seniorenbetreuung und Altenpflege, der Kindergartenbereich, der Kindergarten als erste und unabdingbare Bildungseinrichtung, Jugendaktivitäten, Stichwort Jugendwohlfahrt, bis hin zu wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die einen starken sozialpolitischen Aspekt haben, sei es kommunale Förderprogramme im Bereich Bildung, Ausbildung, Volksbildung bis hin zur Ausbildung von Lehrlingen in den kommunalen Verwaltungen und Unternehmungen. Und nicht zu vergessen, so Weninger, der Kommunale Wohnbau.

Die Verantwortung der politisch Verantwortlichen für leistbares Wohnen in ihrer Stadt manifestiere sich bis heute in den kommunalen Wohnbauten jener Zeit. Gerade die diesjährige gastgebende Stadt Wien war und ist in diesem Bereich beispielgebend.
Städte und Gemeinden sichern hohe Lebensqualität

Gerade am Beginn der Finanzausgleichsverhandlungen müsse man die Leistungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Städten und Gemeinden hervorheben, die 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, dafür Sorge tragen, dass die Lebensqualität in den Städten und Gemeinden dieses Niveau, wie wir es heute kennen und gewohnt sind, haben. "Und das trotz wirtschaftlicher Turbulenzen, ausgelöst durch einen nichtregulierten Finanzmarkt, der aus meiner Sicht noch weiterer Re-Regulierungen bedarf", so Weninger. Städte stünden vor der Herausforderung smart zu sein und smart zu werden. Weninger definierte "smart" (S wie sustainable, sustainability - M wie Mobile, Mobility - A wie Attractive, Attraktivität - R wie Resilient, Resilienz - T wie Tolerant, Toleranz) und hob die Bedeutung von Toleranz, Offenheit, Aufgeschlossenheit für Neues und Fremdes hervor, die bestimmenden Merkmale einer anziehungskräftigen Stadt seien. Diese Toleranz, Offenheit, Aufgeschlossenheit gelte es aber auch in den Städten und Gemeinden tagtäglich zu leben und wenn erforderlich und notwendig zu verteidigen, so der Generalsekretär.

Besonders betonte Weninger, dass öffentliche Investitionen der sozialen Kohäsion dienten; öffentliche Darlehen aufgenommen werden, um in die Zukunft zu investieren und nicht (bloß) um in der Gegenwart zu konsumieren; Investitionen dienen zukünftigen Generationen.

In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen und gegenwärtiger Herausforderungen im Vorfeld des am Beginn stehenden Finanzausgleichs, warnte der Generalsekretär vor einem Denken in Stadt-Land-Konkurrenzen. Dies würde einem Denken aus dem 19. Jahrhundert gleichkommen und einem zeitgemäßen politischen, administrativen und volkswirtschaftlichen Verständnis von Stadtentwicklung für das 21. Jahrhundert klar entgegenlaufen. Eine Stadt könne ohne ihr Umland nicht funktionieren und auch im ländlichen Raum manifestiere sich in unserer technologisch fortgeschrittenen Zeit ein neuer Lebensstil, der nichts mehr mit dem Landleben von einst gemein habe. So wie sich die Stadt ständig neu erfinden müsse, zeige sich, dass auch der ländliche Raum ausreichende Flexibilität aufweisen muss, um einen zeitgemäßen, ländlichen Lebensstil und moderne Technologien zuzulassen und für die ländlichen Gegebenheiten zu adaptieren.

Abschließend betonte Generalsekretär Weninger, dass österreichische Städte und Stadtregionen bereits ihren Weg in eine "smarte" Zukunft angetreten hätten und meinte weiter: "sie werden auch weiterhin ihre Potentiale und Kompetenzen progressiv dafür einsetzen, eine ressourceneffiziente, umweltverträgliche und sozial gerechte Entwicklung für Städte, Stadtregionen und den mit diesen in Beziehung stehenden ländlichen Raum zu sichern".

 

 

Stabilitätspakt-Diskussion mit Finanzminister Schelling
Mit einer hochkarätigen Diskussionsrunde unter dem Titel "Kommunal- und Infrastrukturfinanzierung in Zeiten von Sixpack und Co" ist der 65. Österreichische Städtetag 2015 am 12.06. zu Ende gegangen. Es diskutierten Oberbürgermeister Ulrich Maly, Vize-Präsident des Deutschen Städtetages, Renate Brauner, Vizebürgermeisterin von Wien, Christine Oppitz-Plörer, Bürgermeisterin von Innsbruck, Bundesminister Hans Jörg Schelling und Wolfgang Streitenberger, Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung in der EU-Kommission.

Man dürfe nicht vergessen, dass immerhin ein Drittel des EU-Budgets in Kohäsionspolitik fließe, sagte Wolfgang Streitenberger von der EU-Kommission zu Beginn. "In der Periode ist erstmals auch ein Mindestanteil an Mitteln für nachhaltige Stadtpolitik vorgeschrieben worden. Während in Österreich gerade der Pflichtanteil in Städte investiert wird, haben andere Städte zweimal so viel investiert", so Streitenberger.

Der Österreichische Städtebund bedauert in diesem Zusammenhang, dass in Österreich die Städte nicht direkt - wie in anderen EU-Staaten üblich-, sondern nur im Umweg über Bund und Länder um EU-Fördermittel ansuchen können.

Stabilitätspakt als Investitionsbremse
Die europäische Politik fährt mit Six Pack, Two Pack etc. weiterhin an eine starke Sparpolitik und entwickelt immer neue, bürokratisch kaum mehr abzubildende Regeln. Auch Österreich hat mit der Übernahme des strukturellen Defizits und vor allem der sogenannten Ausgabenbremse, diese Vorschriften in den Stabilitätspakt übernommen. Dabei sind diese Regeln bzw. deren Methodik in der ökonomischen Theorie und in der praktischen Herleitung heftig umstritten. Dies zeigte sich auch in der Diskussion:

"Wir brauchen einen Stabilitäts- UND Wachstumspakt, der der Investitionen in Bildung, Forschung und Gesundheit nicht behindert", forderte Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner, "Wir brauchen flexible, wachstumsfördernde Regeln. Die Investitionen der Städte müssen weiterhin sichergestellt werden, eine Stadt wie Wien hat einen jährlichen Zuwachs von 30.000 Menschen. Die Daseinsvorsorge muss außer Diskussion stehen, denn die Frage, ob ich investiere, ist gleichzeitig eine Verteilungsfrage", so Brauner.

Innsbrucks Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer, die als Berichterstatterin des Arbeitskreises 2"Infratsrukturfinanzierung und Stabilitätspakt des Österreichischen Städtetages informierte, überbrachte den Wunsch des Städtebundes an Finanzminister Schelling, nach einer "gründlichen Transferentflechtung zwischen Ländern und Gemeinden," weiters "Gesetzen und Verordnungen einen natürlichen Ablauf zu verpassen", sodass der Finanzausgleich nicht automatisch verlängert werden könne, sondern zeitgerecht neu verhandelt werden müsse. Und eine Aufgabenreform, an der sich auch die Finanzierung orientiert.

Finanzminister Hans Jörg Schelling konnte dem durchaus einiges abgewinnen. Er wolle "darüber diskutieren, welche Ebene des Staates welche Aufgabe am effizientesten erledigen könne - reden wir also zuerst nicht übers Geld, reden wir über die Aufgaben," so Schelling weiter. Er kündigte an, Erleichterungen für kommunale Zusammenarbeit zu schaffen: "Die interkommunale Zusammenarbeit ist mir ein Herzensanliegen. Deshalb muss und wird es eine Lösung geben bei der Belastung durch die Mehrwertsteuer bei Kooperationen", versprach Schelling.

Bezüglich Breitbandausbau zeigte er sich überaus kritisch: "Ich halte absolut nichts davon, zuerst flächendeckend in den Breitbandausbau zu investieren, teilweise sogar verpflichtend anzuordnen. Diese Technologie wird in wenigen Jahren überholt sein, die Kabel bleiben trotzdem im Boden", so Schelling.

Deutscher Städtetag: Bildung, Forschung ausnehmen
Ulrich Maly vom Deutschen Städtetag gratulierte, dass in Österreich eine so ausführliche Diskussion über den Stabilitätspakt überhaupt geführt werde. Er unterstrich die Forderung des Österreichischen Städtebundes, dass Investitionen in innovative, nachhaltige Bereiche wie Forschung oder Bildung vom Stabilitätspakt ausgenommen werden müssten, "das kostet relativ wenig, aber die Früchte erntet man später", so Maly. Der Stabilitätspakt muss immer eine wachstumsfördernde Komponente habe, so Maly.

Fahnenübergabe an Wien zum Städtetag 2015
Mit dem heutigen Tag endet der 65. Städtetag 2015, der anlässlich des 100. Geburtstages des Österreichischen Städtebundes unter dem Motto "Smart Cities: Menschen machen Städte" in Wien stattgefunden hat. Traditionell wurde daher zuletzt feierlich die rote Städtebund-Fahne von Bürgermeister Michael Häupl an Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer übergeben, die den nächsten Österreichischen Städtetag 2016 in Innsbruck ausrichten wird.

Der Österreichische Städtetag ist die jährliche Generalversammlung des Österreichischen Städtebundes und seiner rund 250 Mitgliedsstädte und Gemeinden. Rund 1300 TeilnehmerInnen (Bürgermeisterinnen, GemeindevertreterInnen) aus ganz Österreich und internationale Gäste trafen einander in Wien von 10.-12. Juni 2015 und debattierten drei Tage lang über kommunale Fragestellungen.

   

Informationen zum Beginn des Städtetages finden Sie hier >

Allgemeine Informationen:
http://www.staedtetag.at

 

 

 

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