Stufenplan zur Erhöhung der EZA:
Kurz ringt noch um Finanzierung

 

erstellt am
11. 06. 15
11.00 MEZ

Diskussion mit Experten im EZA-Unterausschuss des Nationalrats
Wien (pk) – Die Regierung stehe nach wir vor zum Ziel, die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) auf 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Das bekräftigte Außenminister Sebastian Kurz am 10.06. im EZA-Unterausschuss des Nationalrats. Ein Stufenplan ist ihm zufolge bereits ausgearbeitet, allerdings hängt die Finanzierung noch in der Luft. Kurz hofft, bis zum Sommer eine Einigung erzielen zu können. Angestrebt wird von ihm eine sukzessive Erhöhung der Mittel bis zum Jahr 2030, das entspricht auch einer EU-Vereinbarung. Derzeit gibt Österreich nur 0,26% des BIP für Entwicklungszusammenarbeit aus.

In jedem Fall bis zum Sommer vorlegen will Kurz das nächste EZA-Dreijahresprogramm, das, wie er betonte, unter Einbindung von NGOs und des Parlaments ausgearbeitet wurde. Das Programm sei so gut wie fertig und in letzter Abstimmung innerhalb der Regierung, sagte er. Geplant ist unter anderem eine Ausweitung der Wirtschaftspartnerschaften, ein neuer Schwerpunkt Berufsausbildung und eine Festlegung der aktuellen EZA-Schwerpunktländer.

Um zu verhindern, dass die Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit in den kommenden Jahren gekürzt werden, laufen Kurz zufolge derzeit Verhandlungen mit dem Finanzministerium. Rücklagen des Außenministeriums werden seiner Auskunft nach schon jetzt für Entwicklungszusammenarbeit verwendet, für jede Rücklagenauflösung brauche es aber eine Freigabe des Finanzministeriums. Insgesamt hat das Ministerium unter dem Titel Rücklagen noch 16 Mio. € auf der hohen Kante.

FPÖ gegen weitere Aufstockung der EZA-Mittel
Von Seiten der Abgeordneten gab es einen weitgehenden Konsens über die Notwendigkeit, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit aufzustocken. Lediglich die FPÖ scherte aus diesem Konsens aus. Eine weitere Zuführung von Mittel hätte keinen Effekt, zeigte sich etwa Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch überzeugt. Es würde sich nichts ändern, würde Österreich 0,7% statt 0,26% des BIP für Entwicklungszusammenarbeit ausgeben.

Sein Fraktionskollege Johannes Hübner machte geltend, dass EZA-Mittel vorrangig in Besprechungen, Konferenzen und Evaluierungen fließen. Es könne nicht Aufgabe der EZA sein, "schöne Jobs" im Bereich der Entwicklungshilfebürokratie zu schaffen, meinte er. Um seine Argumentation zu untermauern, wies Hübner darauf hin, dass vor der Ausgliederung der österreichischen Entwicklungshilfeagentur ADA rund 60 bis 70 MitarbeiterInnen im Außenministerium für Entwicklungshilfe zuständig waren. Nun sind ihm zufolge in der ADA und im Außenministerium drei Mal so viele MitarbeiterInnen in diesem Bereich tätig, und das bei gleichbleibendem bzw. real sogar sinkendem Budget.

Statt die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit aufzustocken, gäbe es nach Meinung vom Hübner eine einfache Maßnahme zur Förderung von Entwicklungsländern: dafür zu sorgen, dass Personen mit einem Universitätsstipendium nach dem Studium wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. "Fischen wir sie nicht ab", meinte er.

OECD-Studie: Abgeordnete und Experten orten nicht nur Lob
Intensiv diskutiert wurde im Ausschuss über das Ergebnis einer von der OECD durchgeführten Peer-Review-Studie. Laut Außenminister Kurz wurde die Qualität der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit von der OECD gut beurteilt. Für ihn ist das zentrale Fazit der Überprüfung, dass Österreich die richtigen Dinge mache und mehr davon machen sollte. Die 19 Empfehlungen der OECD will er, wie er sagte, umsetzen.

Nicht ganz so positiv beurteilten hingegen die Grün-Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill und Wolfgang Pirklhuber die Ergebnisse des Peer-Review. So drängt die OECD laut Windbüchler-Souschill auf ein besseres Monitoring, etwa in Bezug auf die Wirtschaftspartnerschaften, und eine bessere Koordinierung der Ministerien. Es fehle in Österreich eine entwicklungspolitische Kohärenz, klagte sie.

In dieselbe Richtung stieß Michael Obrovsky von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE). Er hält eine Folgenabschätzung politischer Entscheidungen im Hinblick auf ihre entwicklungspolitische Wirkung für dringend geboten. Ohne politische Kohärenz würden andere Interessen wie jene der Außenwirtschaft oder der Agrarwirtschaft immer Vorrang vor den Interessen der Entwicklungszusammenarbeit haben. Der OECD geht es ihm zufolge außerdem um eine verbindliche finanzielle Absicherung des Stufenplans zur Erhöhung der EZA-Mittel. Wenn der Bundesfinanzrahmen es nicht vorsehe, werden für Entwicklungszusammenarbeit auch keine signifikanten Mittel zur Verfügung stehen, mahnte Obrovsky. Ohne entsprechende Budgetbeschlüsse werde man das 0,7%-Ziel nie erreichen. Seiner Ansicht nach müsste das Parlament außerdem viel aktiver Berichte einfordern, um schneller, auch auf Fehler, reagieren zu können.

Heinz Hödl, Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission, sprach sich explizit dafür aus, die Mittel für bilaterale EZA im Rahmen des Stufenplans überproportional zu erhöhen. Seiner Einschätzung nach hat die Armutsbekämpfung nicht den notwendigen Stellenwert innerhalb der österreichischen Entwicklungshilfe. Entgegen der Meinung der FPÖ ist Hödl überzeugt, dass Entwicklungszusammenarbeit hilft, die Zahl der Hungernden in der Welt sei zuletzt massiv gesunken. Er hält Konferenzen außerdem für wichtig, um Bewusstsein zu schaffen, etwa für die Bedeutung von Menschenrechten und Klimaschutz oder für das Problem des Landgrabbing.

Kritik an zu geringer Dotierung des Auslandskatastrophenfonds
Werner Kerschbaum vom Österreichischen Roten Kreuz sprach insbesondere das Problem der geringen Dotierung des Auslandskatastrophenfonds an. Während Österreich nur 5 Mio. € bereitstelle, stehe in der Schweiz der fünfzigfache Betrag – 250 Mio. € - zur Verfügung. In Schweden seien es 150 Mio. €, skizzierte er. Die Politik könne ihre humanitäre Verantwortung nicht auf NGOs abschieben. Aus dem Peer-Review liest Kerschbaum vor allem auch Zweifel heraus, ob Österreich wirklich den Ärmsten der Welt helfe. Auch Mario Thaler von der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hält einen stärkeren Fokus auf humanitäre Hilfe für erforderlich.

Österreich wählt EZA-Schwerpunktländer auch eigennützig aus
Wie Kurz festhielt, geht Österreich bei der Auswahl der EZA-Schwerpunkt-Länder durchaus auch eigennützig vor. So habe man mit Albanien und Kosovo am Westbalkan zwei Länder ausgewählt und orientiere sich ansonsten auch an der Herkunft der Flüchtlingsströme. Anders als Abgeordnete Windbüchler-Souschill glaubt Kurz sehr wohl, dass mit Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit Migrationsdruck gemildert werden kann.

Den hohen Personalstand in der ADA begründeten Kurz und ADA-Geschäftsführer Martin Ledolter damit, dass über die ADA auch EU-finanzierte Projekte laufen. Das Budget der ADA sei 2014 mit 106 Mio. € das höchste in ihrer Geschichte gewesen, teilte Ledolter den Abgeordneten mit. 28,7 Mio. € kamen dabei von der EU.

Der ADA-Geschäftsführer und Kurz stellten sich überdies ausdrücklich hinter die Förderung von Wirtschaftspartnerschaften. Diese seien ein erfolgreicher Bestandteil der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, bekräftigte Ledolter und verwies in diesem Zusammenhang auf eine im vergangenen Jahr durchgeführte Evaluierung. Mit einem Mitteleinsatz von 4 Mio. € sei es gelungen, für mehr als 42.000 Menschen bessere Lebensbedingungen zu schaffen, etwa für Garnelenbauern. Er sei stolz darauf, dass es gelungen sei, die Privatwirtschaft einzubinden, um entwicklungspolitische Ziele zu erreichen. Kritik von Abgeordnetem Pirklhuber, wonach die ADA ihre eigenen Genderziele bei der EZA nicht erreiche, wies er zurück. Insgesamt zeigte sich Ledolter überzeugt, dass die österreichische Entwicklungszusammenarbeit sehr effizient und sehr effektiv ist.

Bayr für gesetzliche Absicherung von bilateraler EZA
Ausschussvorsitzende Petra Bayr (S) drängte unter anderem auf eine bessere Abstimmung der Entwicklungszusammenarbeit durch die internationale Staatengemeinschaft. Zudem gab sie zu bedenken, dass ein Dreijahresprogramm noch keine Gesamtstrategie sei. Wichtig ist ihrer Meinung nach auch eine gesetzliche Absicherung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, derzeit handle es sich bei EZA-Ausgaben um Ermessensausgaben, die ständig der Gefahr der Kürzung unterliegen.

Für eine bessere internationale Abstimmung der Entwicklungspolitik sprach sich auch Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber aus. Er urgierte etwa ein einheitliches Auftreten der EU in Afrika und eine Best-Practice-Analyse von Projekten. NEOS-Abgeordneter Christoph Vavrik regte an zu prüfen, ob man das 0,7 %-Ziel nicht schon vor dem Jahr 2030 erreichen könnte bzw. ob es nicht möglich sei, sich ein noch etwas ambitioniertes Ziel zu stecken. Seitens des Team Stronach bezweifelte Jessi Lintl, dass die afrikanischen Regierungen genug für ihre eigene Bevölkerung tun.

Basis für die Diskussion im Unterausschuss bildeten ein Antrag der Koalitionsparteien und drei Anträge der Grünen. SPÖ und ÖVP geht es darum, dass das Parlament und andere "Stakeholder" in die strategischen Planungen des Außenministeriums zur Entwicklungszusammenarbeit, etwa was inhaltliche Schwerpunktsetzungen betrifft, eingebunden werden. Die Grünen fordern mehr Geld für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit und eine klare budgetäre Verankerung sowie eine Aufstockung der Mittel des Auslandskatastrophenfonds ( 107/A(E), 141/A(E), 63/A(E)). Alle vier Anträge wurden mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

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