Niedriger Rohölpreis begünstigt die
 Binnennachfrage in einigen Ländern

 

erstellt am
09. 06. 15
11.00 MEZ

Wien (wifo) - In den USA und einigen großen Schwellenländern verlangsamte sich die Konjunkturdynamik im I. Quartal 2015. In der EU breitete sich die Erholung auf Frankreich und Italien aus. Österreichs Wirtschaftswachstum beschleunigte sich geringfügig. Die Stimmungsindikatoren waren noch mehrheitlich pessimistisch. Die Schwäche der Industriekonjunktur in Deutschland und dessen strukturelle Importschwäche drückten die heimischen Exporte; der rasche Anstieg der Mietpreise und die flaue Einkommensentwicklung belasteten den privaten Konsum in Österreich.

Die Konjunktur erlitt in einigen großen Schwellenländern Anfang 2015 einen Rückschlag. In China verlangsamte sich die Expansion, in Brasilien und Russland schrumpfte die Wirtschaftsleistung im I. Quartal sogar. In den USA wurde die Konjunktur u. a. durch die markante Dollaraufwertung gebremst. Eine Wachstumsbeschleunigung verzeichneten hingegen Indien und Japan, dessen Ausfuhr von der Yen-Schwäche profitierte. In der EU breitete sich die Konjunkturerholung aus; neben Deutschland und Spanien wuchs das reale BIP im I. Quartal auch in Frankreich und Italien. Die erstarkende Binnennachfrage in diesen Ländern spiegelt sich in kräftigen Importzuwächsen. Ende April stiegen die Sekundärmarktrenditen der Euro-Länder, einschließlich Deutschlands, sprunghaft um rund 50 Basispunkte, obwohl die Staatsanleihenkäufe der EZB renditedämpfend wirken.

In Österreich wuchs die Wirtschaft im I. Quartal 2015 gegenüber der Vorperiode um 0,1%, nachdem sie im 2. Halbjahr 2014 stagniert hatte. Angesichts einer relativ hohen Inflation, steigender Arbeitslosigkeit und einer beträchtlichen Abgabenbelastung blieb der private Konsum schwach. Der Rückgang der Anlageinvestitionen verlangsamte sich etwas. Die Exporte belebten sich wegen der Schwäche der Auslandsnachfrage kaum. Laut einer vierteljährlichen Umfrage im Rahmen des WIFO-Konjunkturtests verschlechterten sich die Auftragserwartungen im Exportgeschäft trotz der Euro-Abwertung. Das Ausbleiben einer Mengenreaktion könnte darauf zurückzuführen sein, dass die exportierenden Unternehmen ihre Absatzpreise noch nicht gesenkt haben, sondern abwarten, ob der Wechselkursschock dauerhaft oder nur ein vorübergehender Effekt der expansiven Geldpolitik ist. Die monatlichen Umfragen des WIFO-Konjunkturtests zeigen weiterhin mehrheitlich negative Rückmeldungen in allen Branchen.

Im Tourismus stiegen im Winterhalbjahr 2014/15 (November 2014 bis April 2015) die Übernachtungszahlen; die preisbereinigten Umsätze und die Qualität der nachgefragten Dienstleistungen nahmen aber ab; positiv entwickelte sich vor allem der Städtetourismus. Charakteristisch für die Inflationsdynamik im April waren abermals der äußerst hohe Mietpreisauftrieb (+5,0% laut VPI) und der mäßig überdurchschnittliche Anstieg der administrierten Preise bei anhaltendem Rückgang der Treibstoffpreise im Vorjahresvergleich. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote erhöhte sich im Mai weiter auf 9,3%.
Methodische Hinweise und Kurzglossar

Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Gegensatz zu den an Eurostat gelieferten und auch von Statistik Austria veröffentlichten "saison- und arbeitstägig bereinigten Veränderungen" der vierteljährlichen BIP-Daten bereinigt das WIFO diese zusätzlich um irreguläre Schwankungen. Diese als Trend-Konjunktur-Komponente bezeichneten Werte weisen einen ruhigeren Verlauf auf und machen Veränderungen des Konjunkturverlaufes besser interpretierbar.

Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.

Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.

Wachstumsüberhang
Der Wachstumsüberhang bezeichnet den Effekt der Dynamik im unterjährigen Verlauf (in saisonbereinigten Zahlen) des vorangegangenen Jahres (t0) auf die Veränderungsrate des Folgejahres (t1). Er ist definiert als die Jahresveränderungsrate des Jahres t1, wenn das BIP im Jahr t1 auf dem Niveau des IV. Quartals des Jahres t0 (in saisonbereinigten Zahlen) bleibt.

Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.

Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.

Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.

Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität innerhalb der Euro-Zone (siehe auch http://www.statistik.at).

Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex (VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.

WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit (http://www.konjunkturtest.at). Die Indikatoren sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten Unternehmen.

Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis:
Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).

Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.

Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenzdiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis. Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.wifo.ac.at

 

 

 

 

 

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