Leitl: Mehr Wirtschaftswachstum ist
 die wichtigste Aufgabe für Österreich

 

erstellt am
26. 06. 15
11.00 MEZ

Neuer und bisheriger WKÖ-Präsident fordert Senkung der Lohnnebenkosten um 5 Milliarden Euro, Gesinnungswandel in der Verwaltung und Investitionsanreize
Wien (pwk) - In seiner Erklärung als neu bestellter WKÖ-Präsident wies Christoph Leitl am 25.06. klar auf die aktuelle Verunsicherung in vielen Bereichen hin: Was die Unterbringung der Migranten betrifft, gebe es noch keine endgültige Lösung. Sorge mache nach wie vor die Finanzlage von Griechenland. Und in der Ukraine und im Nahen Osten tobten unvermindert militärische Konflikte. Dazu komme in Österreich und Europa auch eine große wirtschaftliche Verunsicherung. Leitl: "Wir sind, wie der Wirtschaftsminister richtig sagt, im 7. Jahr der Krise und der erhoffte Aufschwung ist noch immer nicht eingetreten. Es herrscht Frust. Und nun bekommt auch der Mittelstand Existenzängste, wie auch der IFES-Mitbegründer Karl Blecha befürchtet. Auf diese Abstiegsängste in der Gesellschaft, im Mittelstand müssen wir rasch reagieren." Viele Unternehmer müssten um ihre Existenz rudern, Österreich falle im Wachstum und in der Wettbewerbsfähigkeit zurück. In dieser Situation sei die Wirtschaftskammer, so Leitl, in einer schwierigen Doppelrolle: Einerseits müsse man die anstehenden Probleme nüchtern aufzeigen, anderseits wolle man aber motivieren und Lösungen aufzeigen. In diesem Zusammenhang forderte Leitl in den kommenden Jahren eine Senkung der Lohnnebenkosten um 5 Milliarden Euro als äußerst wichtige Perspektive für Österreichs Wirtschaft.

Ein Mehr an Wachstum und Beschäftigung sei derzeit die wichtigste Aufgabe für Österreich, so Leitl. Um hier einen erfolgreichen Kurs einzuschlagen, brauche es neben Innovation und Exportförderung auch Investitionsanreize für die Betriebe. Leitl forderte in diesem Zusammenhang etwa die Anhebung der Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter, eine zeitlich befristete Investitionszuwachsprämie und die rasche Umsetzung des erarbeiteten milliardenschweren Wohnbau-Pakets: "Wenn wir nicht genügend Investitionen ermöglichen, schaden wir der notwendigen Modernisierung und künftigen Wettbewerbsfähigkeit."

Handlungsbedarf gebe es auch bei der Finanzierung der heimischen Betriebe. Die Banken würden in ihrer Finanzierungsaufgabe durch Abgaben, Regulierungen und Eigenkapitalerfordernisse behindert. Mit Basel IV würden noch zusätzliche Einschränkungen bei der Kreditvergabe an die Realwirtschaft drohen, was verhindert werden müsse. Der WKÖ-Präsident bedankte sich beim Wirtschaftsminister für die erzielten Erfolge beim Crowdfunding und ersuchte, möglichst rasch "Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften gemeinsam mit den Banken zu realisieren und den Finanzierungskreislauf in der Wirtschaft anzukurbeln".

Zum Thema Bürokratie dankte Leitl der Regierung und der Aufgaben- und Deregulierungskommission für die jüngst vorgelegten Vorschläge: "Da haben wir sehr gut zusammengearbeitet." Was die Verwaltung betrifft, würden Österreichs Bürger und Betriebe aber eine Veränderung der Kultur brauchen: " Die Unternehmen müssen begleitet und ermutigt werden, nicht sanktioniert, bestraft und behindert." Daher müsse das Prinzip "Beraten statt Bestrafen" flächendeckend umgesetzt werden, müssten Mehrfachbestrafungen im Verwaltungsstrafrecht bei gleichartigen Delikten entfallen, brauche es eine würdige Form der Kontrolle. Und nicht zuletzt sei die KMU-Verträglichkeit von Gesetzen und Verordnungen sicherzustellen.

Der WK-Präsident wies auch darauf hin, den notwendigen Bedarf an Fachkräften zu sichern. Die Wirtschaftskammern würden hier Begabungs-und Talente-Tests anbieten. Es müsse aber auch die Durchlässigkeit der unterschiedlichen Ausbildungswege - Stichwort: Matura mit Lehre -auf allen Ebenen sichergestellt sein.

Was die Sozialpartner betrifft, appellierte Leitl an die anderen Interessenvertretungen, auf Veränderungen in der Welt, wie etwa die Digitalisierung, rechtzeitig mit konstruktiven Vorschlägen zu reagieren: "Mit Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich, mit Bonus-Malus-Systemen, mit Überstunden-Verteuerungen können wir nichts anfangen. Das gefährdet nur Arbeitsplätze und Wachstum."

Als wichtige Perspektiven für die kommenden Jahre sieht der WKÖ-Präsident zum einen mehr Wertschätzung für die Betriebe: "Sie leisten Großartiges. Noch nie hatten wir so viel Beschäftigung und einen so hohen Export. Aber dafür gibt es von Politik und den Arbeitnehmervertretungen zu wenig Lob und Wertschätzung." Die Wirtschaft hingegen betone hingegen stets die wertvolle Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben.

Bei der Steuer-Tarifreform würden nun zur Entlastung der Lohn- und Einkommenssteuer -Zahler 5 Milliarden Euro bewegt, so Leitl: "Bei der nächsten Reform müssen die Lohnnebenkosten um 5 Milliarden oder 5 Prozent gesenkt werden. Deutschland hat mittlerweile niedrigere Lohnnebenkosten als Österreich. Österreichs Betriebe brauchen niedrigere Lohnnebenkosten zur Steigerung und Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit." Dazu bedürfe es einerseits Strukturreformen, andererseits seien etwa Überschüsse beim Familienlastenausgleichsfonds in Form von Beitragssenkungen an die Unternehmen zurückzugeben. Und es dürften auch Wohnbauförderungsbeiträge nicht weiter zum Stopfen der Löcher in Länder-Budgets verwendet werden.

Und nicht zuletzt müsse es Veränderungen in der EU, in Europa geben. Leitl: "Der Vertiefungsprozess muss weitergehen. Wir brauchen einen europäischen Wachstumskurs mit Innovation und Kreativität. Der Euro muss stabil gehalten und Spekulation unterbunden werden, welche die Realwirtschaft unterminiert. Wir müssen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpfen. Und Europa braucht ein Freihandelsabkommen mit den USA - ohne Aushöhlung demokratischer Institutionen und Senkung von Standards - mehr als Amerika."

Hauptaufgabe in den kommenden Jahre sei, Österreich aus einer depressiven Phase in ein Wachstum zu bringen: "Back to the top - das ist unser Motto. Und daran werden wir alle mitarbeiten."

 

 

 

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