Erster Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans in Wien  

 

erstellt am
03. 07. 15
11.00 MEZ

Solidarität im Schuldenstreit von allen Seiten eingefordert
Timmermans und Bures für sozial tragbaren Kompromiss mit Griechenland
Wien (pk) - "Jeder wird verlieren, wenn wir keine Lösung finden". Die Europäische Kommission arbeite daher intensiv daran, einen Kompromiss im Schuldenstreit mit Griechenland zu erwirken. Allerdings müssten beide Seiten, Geldgeber wie griechische Regierung, Verhandlungsbereitschaft zeigen, betonte Frans Timmermans, Erster Vizepräsident der Europäischen Kommission, am 02.07. im österreichischen Parlament. Bei seinem Treffen mit Nationalratspräsidentin Doris Bures und den ParteienvertreterInnen Andreas Schieder (S), Reinhold Lopatka (V), Gabriela Moser (G), Waltraud Dietrich (T) und Nikolaus Scherak (N) verdeutlichte Timmermanns, Solidarität sei entscheidend in der Europapolitik, erfordere aber eine Aussicht auf Veränderung, um von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen zu werden. "Eine große Mehrheit der europäischen Bevölkerung ist bereit, sich zur Europäischen Union zu bekennen, wir müssen aber die Bedeutung dieses Friedensprojekts und seiner Weiterentwicklung noch besser vermitteln". Dazu benötige die Kommission wiederum die Mitwirkung der nationalstaatlichen Parlamente, gerade auch für eine faire Quotenverteilung von Asylwerbenden in der EU als Teil der Migrationspolitik sowie zur Umsetzung der Roma-Strategie, die von der Juncker-Kommission finalisiert werde.

Thema der Aussprache war überdies das Transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA, speziell hinsichtlich der umstrittenen Aufnahme einer Investitionsschutzklausel (ISDS) darin. "Wenn wir die ISDS-Frage nicht lösen, kann es kein TTIP geben", befand Timmermanns. So sei die Öffentlichkeit der Streitbeilegungsverfahren zwischen Staaten und Investoren zu gewährleisten. Der Vizepräsident begrüßte allerdings, dass viele "Mythen" rund um TTIP wie eine Übermacht der Konzerne dank faktenbasierter Informationen mittlerweile ausgeräumt seien.

Bures: Herausforderungen nur im Dialog lösbar
"Wir erleben aktuell Schicksalstage für die Griechinnen und Griechen und für ganz Europa. Soziales Handeln ist gefordert", unterstrich Nationalratspräsidentin Bures. Ein Kompromiss sei zu finden, der für die beteiligten Partner und besonders auch für die Menschen in Griechenland vertretbar und tragbar ist. Zudem sprach Bures die wachsenden politischen und menschlichen Herausforderungen an, vor denen Europa angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen steht. Bewältigt werden könne die Asylfrage ebenfalls nur durch solidarisches Handeln, sowohl innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten als auch in der gesamten Europäischen Union, denn "die aktuelle Situation wird weder den Bedürfnissen und Rechten der Schutzsuchenden, noch unserer Bürgerinnen und Bürger gerecht".

In Bezug auf das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA sowie das CETA-Abkommen mit Kanada mahnte die Nationalratspräsidentin ein hohes Maß an Transparenz und die Einbindung nationaler Parlamente ein, hätten diese Abkommen doch langfristige Auswirkungen auf die Zukunft der EU. "Die Position des österreichischen Parlaments ist klar: Wir müssen unsere hohen europäischen Standards halten", so Bures. Zudem sei die Sinnhaftigkeit der angedachten Investitionsschutzklauseln aus heutiger Sicht nicht erkennbar.

Generell brauche die EU eine stärkere Dialogkultur, auf nationaler wie auf europäischer Ebene, sind Bures und Timmermans einig. Die Präsidentin wies in diesem Zusammenhang auf die Reformen der Geschäftsordnungen von Nationalrat und Bundesrat hin, wodurch auch Abgeordnete zum Europäischen Parlament im Plenum ein Rederecht haben. Überdies können künftig herausragende Persönlichkeiten der europäischen und internationalen Politik zu Erklärungen in den Nationalrat geladen werden. "Ich bin überzeugt, dass dies eine richtungsweisende Entscheidung war", bekräftigte Bures. "Nur durch Dialog können wir den großen und aktuellen Herausforderungen entschlossen begegnen und das Vertrauen der BürgerInnen in die EU festigen".

EU-Kommission will Kontakte mit nationalen Parlamenten stärken
Neben seiner Rolle als direkter Stellvertreter von EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Jucker ist Frans Timmermans zuständig für grundsätzliche Bereiche wie bessere Rechtsetzung, interinstitutionelle Beziehungen, Rechtsstaatlichkeit und die EU-Grundrechtecharta. Außerdem zeichnet er für die Beziehungen der Europäischen Kommission zu anderen europäischen Institutionen und für eine "neue Partnerschaft" mit den nationalen Parlamenten verantwortlich. Zu seinem Portfolio gehört auch die Querschnittsmaterie Nachhaltige Entwicklung, was eine besonders enge Kooperation mit den übrigen Kommissionmitgliedern erfordert.

Timmermans hat weiters die Aufgabe, die Kommission im Rat "Allgemeine Angelegenheiten" zu vertreten und den Kontakt mit dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie mit dem Ausschuss der Regionen und dem Europäischen Ombudsmann zu pflegen. Vor seinem heutigen Besuch war der Erste EK-Vizepräsident bereits zweimal im österreichischen Parlament: 2006 als Mandatar des niederländischen Parlaments im Rahmen der Wiener COSAC-Konferenz und 2007 als Europaminister der Niederlande.


 

 Faymann: Gemeinsam die Herausforderungen in Europa bewältigen
Frans Timmermans, Erster Vizepräsident der Europäischen Kommission und EU-Kommissar kam zum Arbeitsgespräch ins Bundeskanzleramt
Wien (bpd - "In Europa stehen wir derzeit vor einigen offenen Fragen, es ist gut, wenn wir diese gemeinsam und solidarisch lösen können. Deshalb danke ich heute dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission für die gute Zusammenarbeit und die Unterstützung der EU-Kommission bei der Forderung nach verpflichtenden Quoten bei der Verteilung von Asylsuchenden", sagte Bundeskanzler Werner Faymann bei der Presskonferenz nach dem Arbeitsbesuch von Frans Timmermans, erster Stellvertreter von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, im Wiener Bundeskanzleramt.

"Der Andrang in einigen EU-Staaten ist so groß, dass diese Länder ihre Verpflichtung, den Kriegsflüchtlingen das Recht auf Asyl einzuräumen, nicht mehr allein bewerkstelligen können. Wer aber das Dublin-Abkommen praktikabel machen will, muss auch für eine verpflichtende Quote bei der Verteilung der Asylsuchenden eintreten. Es hilft nichts, wenn wir uns gegenseitig die Probleme zuschieben oder wegschauen, wir können nur gemeinsam und solidarisch die Herausforderungen bewältigen", betonte der Bundeskanzler. Timmermans pflichtete bei: "Der Vorschlag der Europäischen Kommission liegt auf dem Tisch und wir werden weiter dafür eintreten. Solidarität heißt, gemeinsam Lasten zu tragen. Österreich hat das Recht, dass auch andere Mitgliedstaaten ihrer Verpflichtung nachkommen."

"In Griechenland müssen wir das Referendum am Sonntag abwarten. Vorher zu verhandeln, ist nun schwierig geworden. Das finde ich schade, doch unsere Tür steht weiterhin offen, also werden wir Anfang kommender Woche versuchen, wieder einen Weg zueinander und zu einer gemeinsamen Lösung zu finden. Denn es gibt nur ein Europa und in diesem Sinn appelliere ich auch an Griechenland", so Bundeskanzler Faymann weiter.

Beim heutigen Arbeitsgespräch wurde auch das Freihandelsabkommen mit den USA thematisiert. Faymann: "Wir sind für ein faires Handelsabkommen, aber gegen Sondergerichte neben unseren unabhängigen Gerichten. Wir lehnen daher die ISDS-Klausel ab." Timmermans pflichte bei, europäische Werte und Interessen müssten verteidigt werden, sonst sei auch nicht mit der notwendigen Unterstützung aller Mitgliedstaaten für das Abkommen zu rechnen.

EU-Kommissar Timmermans dankte schließlich dem Bundeskanzler für die "wunderbare Gastfreundschaft" und zeigte sich erfreut, dass man in so vielen Angelegenheiten einig sei: "Uns verbindet die gemeinsame europäische Leidenschaft, denn wir wissen, dass viele Fragen nur in Europa lösbar sind."


 

 Mitterlehner: Chancen der EU-Mitgliedschaft nützen, Wirtschaften im Binnenmarkt erleichtern
Arbeitsgespräch mit Erstem Vizepräsidenten der EU-Kommission Timmermans - Diskussion beim EU-Bürgerdialog - Mitgliedschaft zahlt sich für Österreich aus und bringt Arbeitsplätze
Wien (bmwfw) - Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat am Nachmittag des 02.07. den für bessere Rechtssetzung und Transparenz zuständigen Ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans getroffen. Mitterlehner unterstützt den von der EU-Kommission angestrebten Abbau bürokratischer Hürden. "Wir müssen den EU-Binnenmarkt beleben, jeder Schritt in diese Richtung ist ein positives Signal. Denn Verwaltungsvereinfachungen erleichtern das Wirtschaften, unterstützen Investitionen und sichern damit Arbeitsplätze", sagt Mitterlehner. In Zukunft sollen etwa überschießende EU-Regulierungen schon im Vorfeld vermieden werden -zum Beispiel indem vertiefter geklärt wird, welche Themen überhaupt auf der EU-Ebene oder doch besser auf nationaler oder regionaler Ebene gelöst werden sollen.

Ein weiteres Gesprächsthema war das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen TTIP sowie die damit verbundene Frage des Investitionsschutzes. "Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Überarbeitung geht in die richtige Richtung. Die geplante Reform ermöglicht die Sicherung des staatlichen Regulierungsrechts und bringt mehr Transparenz, Rechtstaatlichkeit und Nachvollziehbarkeit", betont Mitterlehner. "Ein starkes Exportland wie Österreich profitiert von einem gut gemachten Freihandelsabkommen. Entscheidend ist, dass die Qualität stimmt und insbesondere unsere Standards gesichert sind", so Mitterlehner.

EU-Mitgliedschaft schafft und sichert Arbeitsplätze
Im Anschluss an das bilaterale Treffen nimmt Mitterlehner gemeinsam mit Timmermans an dem von der EU-Kommission veranstalteten EU-Bürgerdialog im Wiener Museumsquartier teil. "Unsere EU-Mitgliedschaft zahlt sich nachhaltig für den Standort aus. Als kleine, offene Volkswirtschaft im Herzen Europas hat Österreich vom EU-Beitritt besonders profitiert", sagt Mitterlehner. Die damit verbundenen Chancen sollten weiter aktiv genützt werden. "Wir sind zum Land der Exporteure geworden, attraktiver für ausländische Investitionen und besser in internationale Produktionsnetzwerke eingebunden. Das schafft und sichert gut bezahlte Arbeitsplätze in Österreich", so Mitterlehner. Zum Beispiel haben sich die Warenexporte seit dem Beitritt mehr als verdreifacht - von 42 Milliarden Euro im Jahr 1995 auf 128 Milliarden Euro im Vorjahr.

Die rege Teilnahme an den vielfältigen EU-Förderprogrammen hat sich nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für den Hochschul- und Forschungsraum positiv ausgewirkt. "Im Wettbewerb um Exzellenzförderung schneidet Österreich überproportional gut ab. Unsere Forscher sind erfolgreich in Europa engagiert, was die Innovationskraft des gesamten Landes stärkt", so Mitterlehner. Auch die Jugend profitiert: Im Rahmen des Erasmus-Programms sind bisher rund 79.000 heimische Studierende ins Ausland gegangen. Dadurch gewinnen sie nicht nur an Lebenserfahrung, sondern erwerben auch wichtige Zusatzqualifikationen.


 

Hochhauser: EU-Paket zu "Better Regulation" geht absolut in die richtige Richtung
Bürokratieabbau und bessere Rechtssetzung im Zentrum des Treffens von EU-Kommissionsvizepräsident Timmermans und Österreichs Sozialpartnern in Wien
Wien (pwk) - "Die österreichische Wirtschaft drängt in Brüssel seit langem darauf, die Themen Bürokratieabbau und bessere Rechtssetzung - Better Regulation im EU-Jargon - ernst zu nehmen. Die neue Kommission hat hier einige wichtige Weichenstellungen vorgenommen, die von der Wirtschaftskammer Österreich ausdrücklich begrüßt werden. Nun geht es darum, diesen Weg konsequent fortzusetzen. Nur dann sind mehr Wachstum und Beschäftigung möglich und sind die europäischen Unternehmen international wettbewerbsfähig", betonte Wirtschaftskammer-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser bei einem Treffen des für bessere Rechtssetzung und Transparenz zuständigen 1. Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, mit Vertretern der österreichischen Sozialpartner in Wien.

Die WKÖ begrüße alle Anstrengungen, die zur Schaffung eines unternehmerfreundlichen Regelungsumfeldes unternommen werden - so auch das kürzlich veröffentlichte Paket für Bessere Rechtsetzung, in dem sich zahlreiche Forderungen der österreichischen Wirtschaft wiederfinden. Darin ist vorgesehen, dass Anliegen der kleinen und mittleren Unternehmen angehört und vor allem besser berücksichtigt werden. "Mit dem nun verpflichtenden KMU-Test in der Folgenabschätzung ist es möglich, die Auswirkungen neuer EU-Regelungen auf KMU sichtbar zu machen und zu prüfen", betonte Hochhauser gegenüber Timmermans. Notwendig sei aber, dass etwaige Bedenken nicht nur zur Kenntnis genommen sondern auch in der Gesetzgebung beachtet werden. Hochhauser: "‘Think Small First‘ darf kein Lippenbekenntnis sein, es muss zur durchgängigen Handlungsanleitung werden."

Als "sehr positiv" bezeichnete Hochhauser auch das Vorhaben Timmermans, bei den Verhandlungen zu einer neuen sogenannten "interinstitutionellen Vereinbarung" zwischen den EU-Gesetzgebern Europaparlament und Rat die Mitgliedstaaten zu verpflichten, überschießende Regelungen bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht als nationale Anforderung auszuweisen, zu begründen sowie deren Folgen abzuschätzen. Hochhauser: "Die WKÖ kämpft seit langem gegen die Praxis des sogenannten Gold-Plating, bei dem EU-Regelungen bei der nationalen Umsetzung nochmals verschärft werden. Die österreichischen Unternehmen haben dadurch unfaire Zusatzbelastungen zu schultern. Und ‚Brüssel‘ muss nicht selten als Sündenbock für Regeln herhalten, die dort so gar nicht beschlossen wurden."

Auf die Zustimmung der Wirtschaftskammer treffen auch die neuen Bestimmungen zur Konsultationspraxis der Europäischen Kommission. Demnach gibt es nun erweiterte Möglichkeiten, am europäischen Gesetzeswerdungsprozess aktiv mitzuarbeiten.

Ganz generell sei es wichtig, so die WKÖ-Generalsekretärin abschließend, "dass in puncto Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung alle europäischen Institutionen an einem Strang ziehen. In der neuen EU-Kommission und mit Vizepräsident Timmermans hat die Wirtschaft einen wichtigen Mitstreiter gefunden. Auch für den seit 1. Juli amtierenden neuen EU-
Ratsvorsitz Luxemburg hat ‚Bessere Rechtsetzung‘ hohe Priorität. Nun gilt es, die geplanten Vorhaben gemeinsam mit den Mitgliedstaaten rasch umzusetzen."

     

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