Konjunktur in Zentral- und Osteuropa
 überrascht 2015 zum Teil positiv

 

erstellt am
03. 07. 15
11.00 MEZ

Insbesondere die Subregion EU-CEE profitiert von der tieferen Integration in die Eurozone – Russland und Ukraine bleiben heuer wegen gesunkener Rohstoffpreise, langjähriger struktureller Schwächen und des Konflikts in der Ostukraine in Rezession
Wien (bank austria) - Zentral- und Osteuropa (CEE) ist gut in das Jahr 2015 gestartet. Unterstützt durch die Wende bei der Nachfrage in der Eurozone und reichlich Liquidität aus dem Anleihenankaufprogramm der EZB hat das Wirtschaftswachstum in CEE teilweise positiv überrascht. Während sich das Wachstum in Zentraleuropa weiter festigt, bleibt es in der Türkei lustlos und auf dem westlichen Balkan schwer fassbar. Das ist eine der zentralen Aussagen des jüngsten „CEE Quarterly“, das von UniCredit Economics & FI/FX Research quartalsweise publiziert wird und das der wirtschaftlichen Entwicklung der Region gewidmet ist. Russland und Ukraine sind gleichzeitig auf Grund rückläufiger Rohstoffpreise, die durch die geopolitischen Spannungen und die diesbezüglichen Sanktionen gegen Russland verschärft wurden, noch tiefer in die Rezession gerutscht.

Konjunkturprognosen für CEE-Subregionen zeigen zunehmend divergentes Bild
Trotz der allgemein günstigen globalen Konjunktur zeigen die Wachstumsraten der einzelnen CEE-Subregionen für das 1. Quartal 2015 immer größere Unterschiede. So profitieren die jungen EU-Mitgliedsländer Zentraleuropas (EU-CEE[1]) insbesondere von der tieferen Integration in die Eurozone. Darüber hinaus steht die Trendumkehr beim Wachstum anders als in der jüngsten Vergangenheit auf einer breiten Basis. Die Sachgüterinvestitionen holen angesichts eines besseren Ausblicks auf, der private Konsum legt in Reaktion auf die Entspannung am Arbeitsmarkt, steigende Realeinkommen und die Abschwächung des mehrjährigen Deinvestitionsprozesses, der der globalen Finanzkrise 2008 folgte, zu. Unter dem Strich wird sich das Wirtschaftswachstum wahrscheinlich bei durchschnittlich über 3 Prozent festigen sowie weniger von der Auslandsnachfrage abhängig und damit nachhaltiger sein.



„Die Subregion EU-CEE profitiert auch davon, dass es praktisch keine volkswirtschaftlichen Ungleichgewichte gibt. Die Inflationsraten sind kaum spürbar, die Leistungsbilanzen sind ausgeglichen oder weisen Überschüsse aus, die Budgetdefizite liegen stabil unter 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, und die Bankensysteme, die zu einem großen Teil in ausländischem Eigentum stehen, verfügen über eine solide Kapitalausstattung und Liquidität“, sagt Lubomir Mitov, UniCredit-Chefökonom für Zentral- und Osteuropa, „Aus diesen Gründen gehen die Märkte von einem geringen Risiko aus und der politische Handlungsspielraum ist deutlich größer als andernorts, da es wenig oder keinen Bedarf für fiskalische Anpassungen gibt.“

Im Gegensatz dazu wird die Steuerpolitik das Wachstum von Serbien und Kroatien bremsen, beide Länder weisen Defizite in der Größenordnung von 5 Prozent und Staatsschulden in Höhe von 80 Prozent des BIP aus. Das EU-Mitglied Kroatien hat sich im Rahmen eines EU-Defizitverfahrens verpflichtet, sein Budgetdefizit zu reduzieren, Serbien hat sich in einer Vereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds auf deutliche fiskalische Anpassungen festgelegt. Die geringere Integration und ein vergleichsweise ungünstigeres Investitionsklima in Kombination mit fiskalischen Maßnahmen machen es Kroatien und Serbien unmöglich, ebenso stark wie EU-CEE von der Wende in der Eurozone zu profitieren. Die UniCredit-Analysten meinen, dass Kroatien eventuell dieses Jahr die Rezession hinter sich lassen wird. Serbien sollte ebenfalls zum Wachstum zurückkehren können, wenngleich die Geschwindigkeit der Konjunkturerholung moderat ausfallen und unter 1 Prozent bleiben wird.

Russland und Ukraine werden heuer als Folge gesunkener Rohstoffpreise, langjähriger struktureller Schwächen und des Konflikts in der Ostukraine in Rezession bleiben. Trotzdem ist der Konjunkturausblick für die beiden Länder einigermaßen unterschiedlich: So wird das BIP der Ukraine wahrscheinlich um 12 bis 13 Prozent schrumpfen, eine allfällige Erholung wird von der Sicherung öffentlicher Refinanzierungen und einer Verhandlungslösung für die Ostukraine abhängen. Die Rezession in Russland wird zwar weit weniger stark sein, dafür aber länger anhalten. Das spiegelt nicht nur die Stabilisierung des Ölpreises und des Rubel wider, sondern auch die verspätete Reaktion auf den Nachfragerückgang. Gleichzeitig erscheinen die Aussichten für eine wirtschaftliche Erholung durch langjährige strukturelle Schwächen und die Auswirkungen aus den internationalen Sanktionen eingetrübt.

Zinserhöhungen der Fed könnten den globalen Risikoappetit und damit das Wachstum mancher CEE-Länder in Frage stellen
Schlussendlich bleiben einige Abwärtsrisiken. Einige dieser Risiken können die CEE-Region als Ganzes betreffen, andere hätten wohl nur begrenzte Effekte. Unter den globalen Risiken sind eine potenzielle neuerliche Konjunkturverlangsamung in Europa und die Auswirkungen der etwaiger Zinserhöhungen durch die US-Notenbank am wichtigsten. Ein mögliches Wiederaufflammen der Kämpfe in der Ukraine und ein ungeordneter Grexit hätten eher begrenzte Effekte. „Wir halten eine neuerliche Konjunkturverlangsamung in Europa für wenig wahrscheinlich, glauben aber, dass die Märkte die potenziellen Auswirkungen allfälliger Zinserhöhungen durch die Fed auf den globalen Risikoappetit und die Kapitalflüsse in Schwellenländer unterschätzen“, hält Lubomir Mitov fest. Die Wirkungen von Fed-Zinserhöhungen wären dabei differenziert und würden von der volkswirtschaftlichen Vulnerabilität jedes einzelnen Landes abhängen.

Eine mögliche Intensivierung der Kämpfe in der Ukraine oder ein ungeordneter Grexit wären über die betreffenden Länder hinaus nur begrenzt wirksam. Neuerliche Feindseligkeiten in der Ukraine würden Russland und Ukraine selbst am stärksten beeinträchtigen, nimmt man eine dauerhafte Unterbrechung von Erdgaslieferungen aus. Ein Grexit würde wiederum zuerst den Handel zwischen Griechenland und seinen Nachbarländern betreffen, weiterreichende Auswirkungen scheinen jedoch unwahrscheinlich, zumal die Tochterunternehmen griechischer Banken ausreichend abgeschottet sind.

 

 

 

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