Jährlich bis zu 350 Opfer von
Menschenhandel in Österreich

 

erstellt am
30. 06. 15
11.00 MEZ

4. Nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels setzt auf Prävention, Opferschutz und Strafverfolgung
Wien (pk) - Menschenhandel existiert den Vereinten Nationen zufolge in jedem Land der Welt. Auch in Österreich. Es sind bis zu 350 Menschen, die jährlich von den heimischen Opferschutzeinrichtungen und NGOs betreut werden. Attraktiv ist Österreich dabei als Transit- sowie Zielland. Die häufigste Form ist sexuelle Ausbeutung, zu verzeichnen sind auch Fälle von Arbeitsausbeutung, Ausbeutung in der Bettelei und Kinderhandel. Die meisten Opfer kommen aus östlichen EU-Mitgliedsstaaten und europäischen Drittstaaten, einige aus Afrika und Asien. Nun liegt dem Parlament der 4. Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels ( III-177 d.B.) für die Jahre 2015 bis 2017 vor, der neben nationaler und internationaler Zusammenarbeit auf Prävention, Opferschutz und Strafverfolgung setzt. Trotz der Sparzwänge, wie es im Gesamtbericht heißt, sollen außerdem auch weiterhin Projekte unmittelbar in den Herkunftsländern unterstützt werden.

Der Gesamtbericht der Task Force Menschenhandel, die 2004 unter der Leitung des Außenministeriums eingerichtet wurde, beinhaltet neben dem 4. Nationalen Aktionsplan auch Tätigkeitsberichte zur Umsetzung des 3. Nationalen Aktionsplans sowie von den Arbeitsgruppen Kinderhandel, Prostitution und Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Die Fortführung dieser speziell für diese Fälle von Menschenhandel eingerichteten Arbeitsgruppen sind auch in Zukunft vorgesehen.

Diskussion über verbesserten Arbeitsmarktzugang für Opfer von Menschenhandel geplant
Der vierte Nationale Aktionsplan baut für die nächsten zwei Jahre weitgehend auf den früheren Aktionsplänen auf, enthält aber auch neue Elemente, die sich aus praktischen Erfahrungen, Empfehlungen der Arbeitsgruppen und aus Evaluierungen durch internationale Organisationen wie etwa der GRETA, eine EU-Expertenkommission gegen Menschenhandel, die die Umsetzung der Konvention des Europarats zur Bekämpfung von Menschenhandel in den einzelnen Unterzeichnerstaaten prüft, ergeben.

Schwerpunktmäßig wird demnach die Arbeitsgruppe Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung analysieren, ob die strafrechtlichen Bestimmungen für Ausbeutung ausreichend sind. Geprüft werden soll zudem, ob weitere rechtliche Regelungen beim Zugang zur Entschädigung für Opfer von Menschenhandel möglich sind. Außerdem soll laut Bericht auch über Verbesserungen beim Thema Arbeitsmarktzugang, das heißt über Qualifizierungsmaßnahmen, Entschädigung und Anwendung der Non-Punishment-Bestimmung, also einer Klausel, die es verbietet, Opfer von Menschenhandel zu bestrafen, diskutiert werden. Die Handlungsorientierung zur Identifizierung und Betreuung von Opfern des Kinderhandels soll dem Aktionsplan zufolge so bald wie möglich, genau genommen im Frühjahr 2015, zum Abschluss gebracht werden.

Kampf gegen Menschenhandel: Was 2012 bis 2014 passiert ist
Durch seine Expertise hat Österreich eine kompetente und aktive Rolle auf europäischer und internationaler Ebene eingenommen, wie aus dem Bericht zu entnehmen ist. So war Menschenhandel etwa ein Schwerpunkt des österreichischen Europaratsvorsitzes 2013/2014 sowie Thema einer gemeinsamen Konferenz von Europarat und der OSZE in Wien.

Die Taskforce selbst hat sich in den beiden Jahren insgesamt 19 mal regulär getroffen, zwei offene Runden wurden mit VertreterInnen aus der Zivilgesellschaft organisiert. Mit internationalen Organisationen und NGOs wurde auch gesprochen. Das EU-Expertengremium GRETA startete im vorigen Jahr nach 2010 ihre zweite Evaluierungsmission in Österreich. Zum Erscheinungstermin oder Inhalt des offiziellen Endberichts der Mission gibt es im Tätigkeitsbericht aber keine Angaben.

Die Opferschutzeinrichtung LEFÖ-IBF für Frauen und Mädchen ab 15 hat im Berichtszeitraum, also 2012 bis 2014, 506 weibliche Opfer von Menschenhandel betreut. 2013 wurde MEN VIA, ein Pilotprojekt zur Betreuung von männlichen Opfern eingerichtet. Angestrebt wird hier ein ähnlich umfassendes Betreuungsangebot wie von LEFÖ-IBF. Die Drehscheibe, ein Krisenzentrum für unbegleitete minderjährige Fremde, hat zwischen 2012 und 2014 828 Minderjährige betreut, wobei bei 332 Kindern der Verdacht auf Kinderhandel überprüft wurde, wie aus dem Bericht hervorgeht. Zudem wurde 2014 UNDOK eingerichtet, eine Anlaufstelle zur speziellen Beratung und Unterstützung von Menschen ohne Aufenthalts- und/oder Arbeitsberechtigung.

Im Opferschutz wurden ferner zahlreiche legistische Änderungen vorgenommen. So können etwa seit 2012 Betroffene aus Drittstaaten, die sich in einer Notfallsituation befinden, in die Grundversorgung aufgenommen werden, eine Novelle des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ermöglicht durch den Wegfall der Arbeitsmarktprüfung einen erleichterten Zugang für Opfer und ZeugInnen. 2013 wurde das Sexualstrafrecht reformiert, seither gibt es härtere Strafen für Menschenhandel und Zuhälter.

Verdachtsfälle von Opfern von Kinderhandel nehmen zu
Nach Schätzungen des UN-Kinderhilfswerks UNICEF werden weltweit jedes Jahr 1,2 Millionen Kinder Opfer von Kinderhandel. Auch bei dieser Facette von Menschenhandel ist Österreich als Transit- als auch Zielland betroffen. Genaue Zahlen über Opfer von Kinderhandel liefert der Bericht keine, die meisten kommen aber aus Südosteuropa sowie aus asiatischen und afrikanischen Ländern. Geht es um den Kampf gegen Kinderhandel in Österreich, wurde 2011 ergänzend zum generellen Grundrechtskatalog ein Katalog von eigenständigen Grund- und Freiheitsrechten für Kinder auf verfassungsrechtlicher Ebene festgeschrieben. Grundsätzlich wird im Tätigkeitsbericht darauf verwiesen, dass das österreichische Recht geeignete Instrumente bereithält, um Kinder vor den vielfältigen Formen des Kinderhandels zu schützen.

Was die Verdachtsfälle von Opfern von Kinderhandel betrifft, zeigen die Aufzeichnungen der Drehscheibe eine eklatante Zunahme in den letzten drei Jahren. Gab es 2012 24 Verdachtsfälle, vervierfachte sich die Anzahl 2013 auf 115. 2014 waren es 193.

Auffallend ist, dass der hohen Anzahl an Opfern von Menschenhandel wenige Verurteilungen gegenüberstehen. 2013 wurden zwei Personen wegen dem Tatbestand des "Menschenhandels" sowie 12 Personen wegen dem Tatbestand des "Grenzüberschreitenden Prostitutionshandels" verurteilt.

Arbeitsausbeutung im Baugewerbe, bei Reinigungs- und Haushaltsarbeiten, in der Gastronomie sowie in der Landwirtschaft
Nicht positiver gestaltet sich der Blick beim Thema Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) sind weltweit 20,9 Mio. Menschen von Zwangsarbeit, einschließlich Arbeitsausbeutung und sexueller Ausbeutung, betroffen. In Österreich werden dem Bericht der Arbeitsgruppe "Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung" zufolge nach wie vor Arbeitskräfte im Baugewerbe, bei Reinigungs- und Haushaltsarbeiten, in der Gastronomie und im Tourismus sowie in der Landwirtschaft ausgebeutet. Die meisten Opfer kommen aus Bulgarien, Rumänien, Serbien, China und von den Philippinen.

Die Arbeitsgruppe zur Arbeitsausbeutung ortet entsprechenden Handlungsbedarf. Geht es nach dem Gremium, sollten auch die Sozialversicherungsträger und Sozialpartner zur Kontrolle von Unternehmen sowie in die Identifikation von Opfern eingebunden werden. Konkret empfiehlt die Arbeitsgruppe, Kontrollbehörden aber auch die Bevölkerung stärker zu sensibilisieren und Scheinselbständigkeit zu verhindern. Betroffene brauchen zudem Möglichkeiten, um sich dauerhaft aus ihrer Situation befreien zu können. Dabei geht neben einem stabilen, flächendecken Betreuungsangebot auch um Fragen des Aufenthaltsrechts, der Integration am Arbeitsmarkt und des Zugangs zu Entschädigung. Zudem sollten MigrantInnen besser über ihre Rechte als ArbeitnehmerInnen in Österreich niederschwellig und in verständlicher Sprache aufgeklärt werden, so die Empfehlungen.

ExpertInnen: Regelung für Prostitution sollte Bundessache werden
Die dritte ExpertInnengruppe in der Taskforce Menschenhandel, nämlich die Arbeitsgruppe Prostitution, geht davon aus, dass der Sexmarkt in Österreich kaum eingeschränkt oder vermieden werden kann. Der beste Weg ist es deswegen, legale Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen und diese im Sinne der SexdienstleisterInnen gesetzlich zu regulieren, empfiehlt die Arbeitsgruppe. Laut ExpertInnen gab es österreichweit zwar bereits Bemühungen, einheitliche gesetzliche Regelungen in allen Bundesländern fehlen aber.

Geht es um Prostitution, existieren in den Ländern nämlich gravierende Unterschiede, was eine Steuerung des Marktes nahezu unmöglich macht. Nicht alle Bundesländer haben nämlich eigene Prostitutionsgesetze. Während es in Oberösterreich ein eigenständiges "Sexualdienstleistungsgesetz" gibt, regeln andere Länder Sexarbeit in Landes-Polizei(straf)gesetzen oder in den Landessicherheitsgesetzen. In Vorarlberg sind Bestimmungen für Sexdienstleistungen zum Beispiel nur in einem Gesetz über "Angelegenheiten der Sittenpolizei" zu finden. Was mit ein Grund ist, warum es dort keine registrierten SexdienstleisterInnen gibt. Eine legale Tätigkeit ist mangels genehmigter Bordellbetriebe oder sonstiger möglicher Alternativen nämlich nicht möglich.

Die Arbeitsgruppe Prostitution empfiehlt aus diesem Grund, die Regelungen über Bordellbetriebe und die Ausübung des Prostitutionsgewerbes in die Bundeskompetenz zu übertragen. Bis dahin sollten die bestehenden Bestimmungen aber bundesländerweit harmonisiert werden. Die ExpertInnen sprechen sich außerdem dafür aus, die wöchentliche Pflichtuntersuchung zu reformieren und das Werben über Unsafe-Sex-Praktiken zu verbieten. Empfohlen werden außerdem Maßnahmen zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung von SexdienstleisterInnen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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