Volksanwaltschaft: Aufgaben der
 Exekutive nicht ausgliedern

 

erstellt am
30. 06. 15
11.00 MEZ

Sonderbericht Vordernberg: Private Unternehmen nur für Hilfsdienste zulässig
Wien (pk) - "Verfassungsrechtlich höchst problematisch" sieht die Volksanwaltschaft die "faktische Ausgliederung" von Hoheitsbefugnissen an eine private Sicherheitsfirma im Schubhaftzentrum Vordernberg. Hoheitliche Aufgaben der Exekutive, also die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt, seien nicht privatisierbar. Das betonen die VolksanwältInnen Peter Fichtenbauer, Gertrude Brinek und Günther Kräuter in ihrem kürzlich dem Parlament vorgelegten Sonderbericht über das 2014 eröffnete Anhaltezentrum. Zu verfassungsrechtlichen Grenzüberschreitungen der Sicherheitsfirma komme es etwa, wenn die Hausordnung durchzusetzen ist oder bei Maßnahmen zur Streitschlichtung. Hier wäre polizeiliche Präsenz nötig.

Eingeräumt wird allerdings, dass der Einsatz privater Kräfte im angemessenen Ausmaß viel dazu beiträgt, ein möglichst an zivilen Verhältnissen orientiertes Umfeld zu schaffen – was wiederum den Empfehlungen des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) entspreche. Laut CPT-Vorgaben müssen Personen, deren Freiheit aus fremdenrechtlichen Gründen beschränkt wird, klar getrennt sein von InsassInnen, die einer strafbaren Handlung verdächtigt werden. Für Hilfstätigkeiten wie Essensausgabe oder Schneeräumung, die keinen Grundrechtseingriff darstellen, seien daher durchaus externe Anbieter in einem Schubhaftzentrum heranzuziehen.

Public-Private-Partnership im Schubhaftvollzug schafft Probleme
Bereits Ende 2013 startete die Volksanwaltschaft (VA) ein amtswegiges Prüfverfahren zur Klärung kritischer Punkte der privatrechtlichen Vergabe wesentlicher Aufgaben im Anhaltezentrum (AHZ) Vordernberg, das im Folgejahr als Modelleinrichtung für Schubhaft aufsperrte. Speziell Umfang und verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Public-Private-Partnership durch die Beauftragung von privatem Sicherheitspersonal im Schubhaftvollzug wurden eingehend geprüft. Zwischen April 2014 und März 2015 erfolgten zudem vier Kommissionsbesuche der VA im Rahmen ihres Mandats zur präventiven Menschenrechtskontrolle.

Wiewohl die VolksanwältInnen die Einbindung privater Dienstleister in den Schubhaftalltag begrüßen, um den Gefängnischarakter im AHZ zu mindern, warnen sie davor, dass private Sicherheitskräfte leicht die Grenzen ihrer Befugnisse überschreiten können. So komme es einer Ausgliederung hoheitlicher Aufgaben gleich, wenn privates Sicherheitspersonal zur Durchsetzung der Tagesstruktur gemäß Hausordnung in Grundrechte der InsassInnen eingreift oder bei Konflikten zwischen Angehaltenen deeskalierend wirken muss. Problematisch sei der Einsatz eines Privatunternehmens auch bei der Unterbindung von Fluchtversuchen, stellt der Bericht anhand eines Beispiels dar, bei dem die Sicherheitsleute im AHZ Vordernberg mangels Hoheitsbefugnisse das Entkommen eines Insassen nicht durch Befehl bzw. Zwang verhindern konnten. Der VA-Empfehlung, zur Vermeidung solcher Vorkommnisse Exekutivbedienstete ständig vor Ort zu installieren, sei vom Innenministerium bislang aber nicht nachgekommen worden.

Hingewiesen wird von der Volksanwaltschaft auch auf das Fehlen einer geeigneten Rechtsgrundlage für die Einbindung Privater im Bereich Schubhaft, nicht zuletzt um überschießende oder rechtswidrige Akte privater Sicherheitskräfte unmissverständlich zu regeln. Grundsätzlich problematisch ist nach VA-Einschätzung überdies die privatrechtliche Vertragskonstruktion im Fall Vordernberg, die zum einen nur eingeschränkte Weisungsrechte gegenüber den Mitgliedern der Sicherheitsfirma ermöglicht, zum anderen nicht vom Innenministerium einseitig mittels Ablaufanordnungen geändert werden kann. Konkret übertrug der Bund den Betrieb des Schubhaftzentrums an die Marktgemeinde Vordernberg als Privatrechtssubjekt, die Gemeinde wurde wiederum ermächtigt, diese Aufgaben privatrechtlich an externe Auftragnehmer abzugeben. Allen Bedenken zum Trotz vermerkt der Sonderbericht auch einige Vorteile der Einbindung privater Kräfte im AHZ, neben der Schaffung einer größtmöglichen Normalität im Anstaltsbetrieb sind dies auch wirtschaftliche Impulse in der strukturschwachen obersteirischen Region.

Steigerung der Insassenzahl könnte Anhaltequalität mindern
Differenziert fallen die Kommissionsberichte aus, in denen die menschenrechtliche Situation im Anhaltezentrum Vordernberg beschrieben wird. Als zufriedenstellend erachteten die PrüferInnen die medizinische Versorgung, die psychosoziale Betreuung und – infolge von VA-Mahnungen nach mehr Transparenz – die Dokumentation im AHZ sowie gute Hygiene- und Verpflegungsstandards. Kritisiert wurde allerdings die Praxis, Hungerstreikende in eigenen Wohngruppen zu separieren, außerdem beanstandet die Volksanwaltschaft einen mangelnden Zugang Angehaltener zu Informationen und zur Außenwelt. Die Nutzung von Internet und von privaten Mobiltelefonen seien im AHZ verboten. Weiters sind den Kommissionsbeobachtungen zufolge DolmetscherInnen für SchubhaftinsassInnen in Vordernberg unzureichend verfügbar und auch an Rechtsberatung fehlt es, obwohl unter den Angehaltenen vielfach Unsicherheit über ihren verfahrensrechtlichen Status bestehe.

Insgesamt hätten sich überwiegend positive Wahrnehmungen der Anhaltebedingungen in Vordernberg ergeben, fassen die VolksanwältInnen zusammen, wobei sie als Grund dafür auch die niedrige Auslastung des Anhaltezentrums vermuten. Befanden sich im Berichtszeitraum nie mehr als 30 Personen im AHZ, wird zu bedenken gegeben, dass bei einer höheren Belegszahl die Gefahr von Konfliktsituationen und somit Überforderungen und Befugnisüberschreitungen des Personals teigen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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