Griechenlandkrise: Verhandelt wird
 bis zur letzten Minute

 

erstellt am
10. 07. 15
11.00 MEZ

Erklärung des Bundeskanzlers im Nationalrat – Quo vadis Europa, Griechenland und Österreich?
Wien (pk) - Die Erklärung des Bundeskanzlers zur Griechenlandkrise in der Sitzung des Nationalrates vom 09.07. war Auslöser einer äußerst emotional und teilweise lautstark geführten Debatte mit zahlreichen Zwischenrufen. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten, die auch innerhalb der Koalition deutlich wurden, war eines klar: Am Sonntag fällt die letzte Entscheidung, ob es zu einem dritten Hilfsprogramm für Griechenland kommt oder nicht. Sowohl Bundeskanzler Werner Faymann als auch Finanzminister Hans Jörg Schelling ließen keinen Zweifel daran, dass bis zur letzten Minute verhandelt und um einen Kompromiss gerungen wird, wobei seitens der Griechen ein glaubwürdiges Programm gefordert wird, das auch das verlorengegangene Vertrauen zu den anderen 18 Euro-Partnern wieder aufbaut. "Am Sonntag ist jener Zeitpunkt, wo selbst jene, die sehr optimistisch sind, sagen, dies sei die letzte Möglichkeit, für Griechenland eine sogenannte Brückenfinanzierung und ein neues Hilfsprogramm zu verabschieden", verdeutlichte Faymann die Zuspitzung und Dramatik der Situation.

Faymann: gefordert ist Solidarität und ein glaubwürdiges Programm der Griechen
Bundeskanzler Faymann sieht sowohl die Griechen als auch die anderen 18 Staaten der Eurozone gefordert. Am Zug seien aber jetzt einmal die Griechen. Sie müssen glaubwürdig und nachvollziehbar darlegen, mit welchen Weichenstellungen und Gesetzen die Regierung das Land wieder auf einen berechenbaren und stabilen Kurs führen möchte, auf den auch die Partner vertrauen können. Nur dann sei es für die Europartner möglich, eine sogenannte Brückenfinanzierung und ein neues Hilfsprogramm zu verabschieden. Der Kanzler appellierte an die Abgeordneten, sich im Falle eines chancenreichen, glaubwürdigen und realistischen Programms als konstruktive Kraft auf die Seite der griechischen Bevölkerung zu stellen. Alle seien gemeinsam gefordert, die Chancen zu ergreifen, so der Kanzler, die EU lebe von Kompromissfähigkeit und dies sei die Voraussetzung, um zu Ergebnissen zu kommen.

Faymann sparte in diesem Zusammenhang nicht mit Kritik an der bisherigen Vorgangsweise innerhalb der EU, vor allem aber an Griechenland selbst. Es sei falsch zu behaupten, die Troika habe nur unbrauchbare Vorschläge präsentiert, sagte Faymann, viele seien gerechtfertigt gewesen und hätten von den Griechen die notwendige Rechtsstaatlichkeit eingefordert. Griechenland habe es in den letzten Jahren aber verabsäumt, notwendige Maßnahmen wie ein funktionierendes Steuersystem, die Einführung eines Grundbuchs und die Bekämpfung der Korruption zu setzen. Die Wirtschaftskrise habe zudem Spekulanten auf den Plan gerufen, die Griechenland in eine zusätzlich schwierige Situation gebracht haben, was zu einer ausgesprochen prekären Lage geführt habe. Die Verhandlungsführung der neuen griechischen Regierung bewertete Faymann als nicht förderlich, es sei ein Fehler gewesen, vom Verhandlungstisch aufzustehen und somit einen Kompromiss zur Fortsetzung des Programms zu verhindern.

Die Fortsetzung des alten Programms wäre laut Faymann um vieles leichter gewesen, als nun ein neues Programm ins Leben zu rufen. Die griechische Regierung habe mit ihrem Verhalten zur weiteren Zuspitzung der Situation beigetragen: Banken mussten geschlossen werden, was die ohnehin wirtschaftlich prekäre Lage weiter verschlimmert hat. Für die Umsetzung eines neuen Programms brauche es zudem technische Zwischenlösungen, zumal es, wie Faymann erläuterte, rund 40 bis 50 Tage dauern werde, um Details auszuformulieren. Zudem müssten das griechische Parlament sowie einige nationale Parlamente der Einigung zustimmen. Noch bestehe aber die Chance, den Prozess ernsthaft abzuwickeln, diese Ernsthaftigkeit habe ihm aber seitens der griechischen Regierung in den letzten Monaten gefehlt.

Um die Dramatik noch deutlicher zu zeichnen, erinnerte der Bundeskanzler an die prekären sozialen Verhältnisse der griechischen Bevölkerung. 40 % der Menschen hätten keine Krankenversicherung mehr, es gebe eine hohe Arbeitslosigkeit und die Klein- und Mittelbetriebe sehen kaum mehr eine Perspektive. "Diese Krise ist nicht die Krise jener, die ihr Geld in der Schweiz oder anderswo in Sicherheit gebracht haben, sondern jener, die sich am wenigsten wehren können", warb Faymann um Solidarität mit der dortigen Bevölkerung. Die Krise habe einfach die Falschen getroffen und daher sehe er es als eine Verpflichtung an, die letzte Möglichkeit zu nutzen, um die griechische Regierung dabei zu unterstützen, Vorschläge zu unterbereiten, die auch akzeptabel sind. Der Ball liege aber jetzt bei den Griechen, Rechtsstaatlichkeit, funktionierende Finanz- und Steuerbehörden sowie Korruptions- und Betrugsbekämpfung endlich anzugehen.

Schelling: "Wir wollen, dass strenge Richtlinien herrschen, bevor wir Geld geben"
In gleicher Weise bekräftigte Finanzminister Hans Jörg Schelling mit Nachdruck, dass die Euro-Partner bereit seien, bis zur letzten Minute am Sonntag zu verhandeln. Dass für eine Lösung aber ein Programm mit klaren Bedingungen benötigt wird sei unumgänglich. Jedenfalls werde es nach dem Sonntag keine Möglichkeit mehr für ein Programm geben, stellte er klar. Die Vertrauenskrise sei entstanden, weil die griechische Regierung Vereinbarungen nicht eingehalten hat.

Schelling widersprach all jenen Kritikern der EU, die in erster Linie eine Austeritätspolitik für die Misere in Griechenland verantwortlich machen. Das Memorandum aus dem Jahr 2012 sei zu 70 % ein Reformprogramm gewesen und habe nicht nur aus Sparvorschlägen bestanden. Darüber hinaus habe es Investitionsprogramme gegeben und Teile der Primärüberschüsse im Budget hätten die Griechen für Investitionen einsetzen können. Ministerpräsident Tsipras habe die Chance gehabt, die Maßnahmen aus dem Memorandum 2012 durch andere gleichwertige Punkte zu ersetzen. Vier Monate lang seien aber keine Vorschläge gekommen, schilderte Schelling seine Erfahrungen. Daraufhin seien nach Gesprächen zwischen dem französischen Präsidenten Hollande, der deutschen Bundeskanzlerin Merkel und Kommissionspräsident Juncker die EU-Institutionen aufgefordert worden, eine Lösung zu erarbeiten. Bei den Verhandlungen darüber sei man sehr nahe an einer Lösung gewesen, sagte Schelling, trotzdem sei der griechische Ministerpräsident Tsipras aufgestanden und habe ein Referendum angesetzt, bei dem über etwas abgestimmt wurde, das nicht mehr existiert hat. Wenn dann nach dem Ergebnis der Volksabstimmung gleich ein Antrag auf ein drittes Programm kommt, das vorher ausgeschlossen worden war, sei das Vorgehen jetzt schwierig.

Griechenland wolle nun ein Papier vorlegen, das sogenannte "Prior-Actions" vorsieht, und es sei nun zu prüfen, wie reformwillig die griechische Regierung tatsächlich ist. Der österreichische Finanzminister machte klar, dass ein Reformprogramm im Europäischen Rettungsschirm ESM mit einer Laufzeit von 3 Jahren wesentlich strenger ist als jenes zuvor. "Wir wollen, dass strenge Richtlinien herrschen, bevor wir Geld geben", so Schelling, "das haben die Griechen beim Poker übersehen."

Der Finanzminister ließ anklingen, dass er einen Schuldenschnitt nicht befürwortet. Er warnte auch vor einem Grexit, denn das würde für Griechenland kurz- und mittelfristig zu einer Katastrophe führen. Wenn man das Friedensprojekt Europa fortsetzen wolle und die Partnerschaft ernst nimmt, ist es eine Verpflichtung, um eine Lösung bis zur letzten Minute zu kämpfen, so das Fazit Schellings.

   

Schlagabtausch im Nationalrat über den Umgang mit Griechenland und den wirtschaftspolitischen Kurs Europas
In der Diskussion über die Erklärung des Bundeskanzlers zur Griechenlandkrise gingen dann die Wogen hoch. Die Meinungspalette reichte von der Forderung, auf keinen Fall mehr Geld nach Griechenland zu schicken, bis hin zu Apellen, das solidarische Europa nicht aufs Spiel zu setzen. Dazu gab es jede Menge Schuldzuweisungen seitens der Opposition an die Regierung, aber auch an die Vorgangsweise der EU. Auch zwischen den Regierungsparteien kam es zu hitzigen Wortgefechten, nachdem Klubobmann Reinhold Lopatka (V) Bundeskanzler Faymann vorgeworfen hatte, Alexis Tsipras in Schutz zu nehmen und ihn nicht für die Missstände in Griechenland verantwortlich machen zu wollen. Für eine teilweise lautstarke und emotional geführte Debatte war damit an diesem Vormittag gesorgt.

Schieder: Kritisch solidarisch sein
Für eine kritische aber solidarische Vorgangsweise sprach sich Klubobmann Andreas Schieder (S) aus. Das Problem Griechenland sei lösbar, wenn alle einen Lösungswillen zeigen, sagte er. Schieder forderte angesichts der sozialen Situation in Griechenland das Ende der "brutalen Kürzungspolitik", mahnte aber zugleich von der griechischen Regierung ein Programm ein, das zu einer fundamentalen Erneuerung führt. Die radikale Austeritätspolitik ist Schieder zufolge gescheitert, sie habe eine Spirale nach unten ausgelöst und einen weiteren Einbruch des Wirtschaftswachstums beschleunigt. Zurückgeblieben sei eine "soziale Verwüstung". Aus der Krise könne man aber nur "herauswachsen", sagte er.

Schieder ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass Griechenland nun am Zug sei, selbst radikale Schritte zu setzen, indem man Strukturen ändert, vor allem in die Infrastruktur investiert, die Bürokratie abbaut und Liberalisierungen dort vornimmt, wo sie notwendig sind. Das habe aber die Troika nicht verlangt, stellte er kritisch fest, weshalb sich die Eurozone nun fragen müsse, wie sie die Zukunft organisieren will. Schieder sprach sich für eine koordinierte Steuerpolitik und Steuerverwaltung aus und drängte auf die Abschaffung der ökonomischen Ungleichgewichte innerhalb Europas. Des SPÖ-Klubobmann appellierte, nun sachlich an die Dinge heranzugehen und nicht in der Vergangenheit herumzustöbern, und warnte davor, die Aufbauleistung Europas und der EU nach dem Zweiten Weltkrieg aufs Spiel zu setzen.

Er wurde in dieser Argumentation von Kai Jan Krainer (S) unterstützt, der einen Vergleich der Politik der USA und der EU zog, die als Antwort auf die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 gewählt wurde. Während sich die USA in der Krise zuerst auf Wachstum und Beschäftigung konzentriert hätten, habe die EU vor allem Defizit- und Schuldenabbau betrieben. Dieser Weg habe jedoch nicht das notwendige Wachstum erzeugt, um die Krise zu überwinden, konstatierte Krainer.

Lopatka: "Wer wie ein Partner behandelt werden will, muss sich wie ein Partner verhalten"
ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka goss mit seiner Kritik an Bundeskanzler Faymann Öl ins Feuer der Diskussion. Man könne sehr wohl Ministerpräsident Tsipras für die Missstände in Griechenland verantwortlich machen, sagte er, denn nach einem halben Jahr in Regierungsverantwortung könne man von ihm die Einleitung von Reformen erwarten. Nichts dergleichen sei aber geschehen. Für Lopatka betreibt Tsipras ein "teuflisches Spiel". Noch im Dezember sei für Griechenland ein Wirtschaftswachstum von 2,4 % prognostiziert gewesen, jetzt sei alles vernichtet. Dem griechischen Regierungschef warf Lopatka vor, "sprunghaft, unberechenbar" und vielleicht auch "inkompetent" zu sein. Die Volksabstimmung hält Lopatka für einen Missbrauch der direkten Demokratie, denn man habe über etwas abgestimmt, was es nicht mehr gegeben hat. Die Euro-Partnerländer stünden nun vor der Frage, wie man mit einem Partner umgeht, der vom Konflikt und nicht vom Kompromiss lebt. Wer aber wie ein Partner behandelt werden will, der müsse sich auch wie ein Partner verhalten, so Lopatka.

Die ÖVP stehe für Solidarität, bekräftigte Lopatka, diese dürfe aber kein Freibrief sein, die EU sei kein Selbstbedienungsladen. Den Griechen seien bereits 50 Mrd. € erlassen und die Zinsen erstreckt worden, so der ÖVP-Klubobmann. Niemand wolle die Griechen aus der Euro-Zone vertreiben, aber Griechenland müsse seine Hausaufgaben machen. Er hoffe daher, dass die RegierungschefInnen kühlen Kopf bewahren und Österreich auf der richtigen Seite stehe, womit Lopatka die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel meinte.

Ohne eigene Reformanstrengungen Griechenlands werde es nicht möglich sein, dem Land zu helfen, ist auch Gabriele Tamandl (V) überzeugt. Die griechische Regierung müsse ihre Hausaufgaben erledigen. Weitere Verhandlungen seien daher nur sinnvoll, wenn dabei ein Reformpaket vereinbart wird, das auch umgesetzt wird, meinte Tamandl. Nach Meinung von Angelika Winzig (V) hat Griechenland mit dem Nein zum Hilfsprogramm wieder einmal überfällige Reformen verweigert. Sie sah daher ebenfalls eine Bringschuld Griechenlands in der Umsetzung von Maßnahmen.

Widerspruch bei der SPÖ
Die Ausführungen des ÖVP-Klubobmanns provozierten Josef Cap seitens der SPÖ zu einem heftigen Widerspruch. Tsipras habe es geschafft, ein Verhandlungspouvoir zu erhalten, konstatierte er. Nicht Tsipras sei verantwortlich für die Misere, sondern konservative Vorgängerregierungen mit ihrem korrupten System, denen die Konservativen in Europa zugeschaut hätten. Als wirklichen Zauderer in Europa hält Cap Angela Merkel und ließ damit erkennen, dass sich Österreich nicht, wie Lopatka es vorgeschlagen hatte, an deren Kurs halten sollte. Auch Kai Jan Krainer (S) wandte sich dezidiert gegen die Darstellung Lopatkas und betonte, nicht die derzeitige Regierung sei am Reformstau schuld, diesen hätten vielmehr bereits die konservativen Vorgängerregierungen verursacht.

Strache: Österreich hat genug gezahlt, die ÖsterreicherInnen sind bei einer Einigung mit Griechenland zu befragen
Es sei völlig absurd, der griechischen Tragödie einen weiteren Akt hinzuzufügen, bekräftigte FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache seine Ablehnung weiterer Hilfsprogramme. Aus der jetzigen Situation keine Konsequenzen zu ziehen, wäre grob fahrlässig, so Strache. Er übte in diesem Zusammenhang scharfe Kritik an Bundeskanzler Werner Faymann, der seiner Meinung nach völlig handlungsunfähig agiere. Für Strache ist die einzige logische Konsequenz aus dem Referendum der Grexit, diesen bezeichnete er auch für die Währungsunion und für die Griechen selbst als die beste Lösung. Griechenland habe sich in den Euro hineingeschwindelt und als Vertreter der österreichischen SteuerzahlerInnen könne man es nicht verantworten, fortgesetzt Gelder hineinzupumpen, ohne ein Ende zu sehen.

Österreich habe schließlich mit rund 11 Mrd. €, Investitionen miteingerechnet, genug gezahlt. Das Geld sei nicht bei der Bevölkerung angekommen, so Strache, der in der Folge heftige Kritik an der Konstruktion des Euro und am ESM übte. Da alle bisherigen Versprechungen der Bundesregierung in Hinblick auf die Abwicklung der Griechenlandkredite danebengelegen seien, sieht Strache nun keine Legitimation mehr über weitere Hilfen zu entscheiden. Strache forderte daher auch im Falle einer Einigung zwischen Gläubigern und Griechenland, das österreichische Volk darüber zu befragen.

Er habe bereits vor dem ersten Hilfspaket für Griechenland darauf hingewiesen, dass hier ein völlig falscher Weg eingeschlagen werde, assistierte Bernhard Themessl (F) seinem Klubobmann. Seine Forderung eines Ausstiegs Griechenlands aus dem Euro habe man damals mit der Aussage abgetan, dieser würde 300 Mrd. € kosten. Nun seien bereits mehr als diese Summe in Hilfspakete geflossen, ohne dass sich die Situation irgendwie gebessert hätte. Daher schloss Themessl, dass nur ein Grexit Griechenland wieder auf einen Wachstumskurs führen kann.

Dietrich: Die Entscheidung der Griechen ist zu akzeptieren
In die gleiche Kerbe schlug die Klubobfrau des Team Stronach Waltraud Dietrich. Ein Kompromiss könne nicht so aussehen, dass einer zahlt und die anderen verbrauchen. Vielmehr müsse man ein faires System etablieren, wo jeder seinen Beitrag leistet. Dietrich sprach sich dafür aus, das Votum der Griechen ernst zu nehmen. Da sie sich gegen Reformen und einen Sparkurs ausgesprochen haben, könnten sie nicht die Forderung nach Weiterverhandlungen stellen und im Euro bleiben, so das Fazit Dietrichs. Schließlich sei die Troika nicht schuld an korrupten griechischen Regierungen, an einer schlechten Steuermoral und am Fehlen eines Grundbuchs.

Grundsätzlich sprach sich Dietrich dafür aus, jedem Land seinen Euro zu geben und daneben eine Verrechnungseinheit einzuführen. Sie lehnte auch vehement eine Transferunion und eine Fiskalunion ab.

Ebenso wenig Verständnis zeigten Rouven Ertlschweiger (T) Robert Lugar (T) für die Griechen. Ertlschweiger sprach sich klar dafür aus, keine weiteren Zahlungen für ein Staatswesen zu leisten, das nicht im Stande sei, die ausstehenden Steuerschulden einzutreiben. Im Falle des Falles sollte man humanitäre Hilfe leisten, meinte er. Auch die griechische Regierung müsse sich dem europäischen Gedanken gegenüber solidarisch zeigen und ihre Hausaufgaben erledigen, befand Ertschweiger. Lugar zeigte sich überzeugt davon, dass die griechische Bevölkerung sich sehr wohl selbst helfen könnte. Die ausständigen Steuern betrügen 70 Mrd. €, rechnete er vor, damit könnte das Land bis 2018 die Schulden aus eigener Kraft leicht bedienen. Wenn der griechische Staat sich aber nicht willens zeige, die notwendigen Reformen anzugehen, dann seien die SteuerzahlerInnen der anderen Länder Europas nicht mehr bereit, weiter für Griechenland zu zahlen.

Warnung vor einem Grexit
Dem Ruf nach einem "Grexit" hielt Christoph Matznetter (S) entgegen, dass dieser keine Erleichterung bringen, sondern die Situation nur verschärfen würde. Eine radikal abgewertete Drachme würde die Staatschuld sofort zumindest verdoppeln. Was die Euro-Zone vielmehr brauche, sei ein System des Ausgleichs der unterschiedlichen Wertschöpfung in den Mitgliedsstaaten. Matznetter verglich dies mit dem System des österreichischen Finanzausgleichs und forderte eine Strukturreform der Euro-Zone.

Auch Josef Cap (S) sprach sich für ein Wachstumsprogramm für Griechenland aus und warnte die Befürworter von Grexit und einer Griechenlandpleite als teuerste Lösung. Für Cap ist ein Politikwechsel in der EU notwendig, denn bisher habe man seiner Meinung nach in der EU auf falsche Prognosen gesetzt, was durch das Chaos im Währungsfonds, verantwortet von Christine Legarde, verschärft worden sei. "Ich will ein starkes Europa, damit man auf Augenhöhe mit den anderen agieren kann", so Cap, dafür lohne es sich zu kämpfen.

Kogler: Wir brauchen eine Union der Solidarität, der Kooperation und der Kompromisse
"Jetzt geht es wirklich um etwas, es muss etwas Nachhaltiges passieren", fasste Werner Kogler (G) seine Sicht der Dinge zusammen und warf allen Verhandlungspartnern ein verantwortungsloses Pokern in den letzten Wochen vor.

Kogler räumte ein, dass sich die griechische Seite nicht kooperativ gezeigt hat, gleichzeitig stellte er aber auch die Vermutung an, seitens der Euroländer sei man absichtlich streng vorgegangen, um einen Erfolg der gewählten griechischen Regierung vor dem Urnengang in Spanien zu vermeiden. Die Schuld sah Kogler vor allem in den Vorgängerregierungen, die er als korrupt bis zu den Bürgermeistern bezeichnete. Diese Regierungen seien aber von den europäischen Partnern hofiert worden. Die günstigen Kredite hätten europäischen Banken und der Rüstungsindustrie große Geschäfte ermöglicht, obwohl bereits 2011 das Land pleite gewesen sei. "Sie haben die Falschen gefüttert und alimentiert", rief Kogler in Richtung SPÖ und ÖVP, und nun sei ein Schuldenschnitt unumgänglich, für den die europäischen SteuerzahlerInnen herhalten müssen.

Kogler ist überzeugt davon, dass die "Zwangstherapie der Troika" dazu geführt habe, dass die Griechen noch kränker geworden seien. Deshalb müsse man die Therapie ändern, sagte Kogler und drängte mit Vehemenz auf eine wirtschaftspolitische Wende. Ein zentraler Punkt dabei sei die Schuldentragfähigkeit. Damit müsse aber auch ein Reformprogramm der Griechen selbst verbunden sein, stellte Kogler notwendige Bedingungen der Geldgeber außer Frage. Neben einem Grundstückkataster hält er die Repatriierung der im Ausland gebunkerten geschätzten 200 bis 300 Mrd. € ebenso für notwendig wie eine Neuorganisation des Steuersystems und des Staatswesens. Den Griechen müsse aber Luft zum Atmen bleiben, sagte er.

Aus der Sicht von Bruno Rossmann (G) kann nur die Hinwendung zu einer sozialen und ökologischen Kriterien orientierten Politik einen Ausweg eröffnen. Rossmann forderte ein Ende des "Spardiktats", das von der europäischen Wirtschaftspolitik quasi zum Dogma erhoben worden sei. Die EU habe nun die Chance für einen Kurswechsel hin zu einem sozial-ökologischen Wachstumsmodell für ganz Europa. Das bedeute die Hinwendung zum klassischen Wohlfahrtsstaat, von dem sich die EU verabschiedet habe, meinte Rossmann. Er forderte in diesem Sinne den Bundeskanzler auf, sich beim Ratstreffen in Brüssel kommenden Sonntag dafür einzusetzen.

Strolz: Solidarität gegen Reformen
Einen ähnlichen Ansatz ließ Matthias Strolz seitens der NEOS erkennen. "Es geht in diesen Tagen um Europa", zeichnete er die Gesamtsituation. Die NEOS könnten nicht akzeptieren, das europäische Projekt an Griechenland scheitern zu lassen. "Entweder organisieren wir ein gemeinsames Europa oder wir werden alle absteigen", konterte er in Richtung FPÖ. Strolz ortete ein Managementversagen auf breiter Ebene und warf ebenfalls SPÖ und ÖVP vor, den korrupten Vorgängerregierungen in Griechenland nichts entgegengesetzt zu haben, weil eben Schwesterparteien an der Macht gewesen seien. Er konnte aber auch keine Verhandlungsposition der EU in den letzten sechs Monaten erkennen.

Strolz forderte daher, Solidarität im Gegenzug zu Reformen zu zeigen, die er mit einem 6-Punkte-Plan umschrieb, wobei er einen Schuldenschnitt für unumgänglich hielt. Ihm zufolge muss Ministerpräsident Tsipras die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhöhen, denn viele Teile seien von Planwirtschaft und Korruption gekennzeichnet. Er forderte ein modernes Steuersystem und eine moderne Verwaltung sowie ein entschlossenes Einbinden der Steuerflüchtlinge und Oligarchen. Weiters hält er Privatisierungen und die Reduzierung der Militärausgaben für notwendig. Als letzten Punkt nannte Strolz ein entschlossenes Zurückdrängen der Korruption durch klare Gesetzgebung. Wenn das zugesagt werde, dann müsse Österreich solidarisch sein, betonte Strolz.

Für Rainer Hable (N) liegt das Grundproblem Griechenlands darin, dass die Chance der Euro-Einführung nicht genutzt wurde, um die staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen zu modernisieren. Vielmehr hätten erst der staatliche und dann der private Sektor sich aufgrund der niedrigen Zinsen hoch verschuldet, ohne dass dabei Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit gestiegen wären. Durch die Hilfspakete habe in den letzten Jahren eine Verschiebung der Schulden Griechenlands von privaten zu öffentlichen Gläubigern und damit hin zu den europäischen SteuerzahlerInnen stattgefunden. Seiner Ansicht nach war dies ein Fehler. Für Hable führt kein Weg an Strukturreformen vorbei, die Antworten müssten aber aus Athen kommen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
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