Gutes Essen, reines Gewissen?

 

erstellt am
07. 07. 15
11.00 MEZ

ForscherInnen der Uni Graz untersuchen Widersprüche bei Fleischproduktion und -konsum in der Steiermark
Graz (universität) - Rund 100 Gütesiegel sollen in Österreich für mehr Transparenz im Einkaufswagen sorgen und KonsumentInnen helfen, bewusste Entscheidungen zu treffen. Zumindest theoretisch: „Tatsächlich haben die VerbraucherInnen oft das Gefühl, vor der Menge an verfügbaren Informationen kapitulieren zu müssen“, weiß Univ.-Prof. Dr. Ulrich Ermann vom Institut für Geographie und Raumforschung der Karl-Franzens-Universität Graz. Am Beispiel der Fleischproduktion und -vermarktung in der Steiermark versucht der Forscher besser zu verstehen, woran die Kommunikation zwischen Erzeugung, Handel und VerbraucherInnen oft scheitert und warum das verfügbare Wissen nicht unbedingt zu einem kritischen und verantwortlichen Konsumverhalten führt.

Im Projekt „(Un)Knowing Food“ erforscht Ermann gemeinsam mit Annalisa Colombino, PhD, und Heide Bruckner, MA, wie die Vorstellungen und Praktiken der KonsumentInnen mit den Herstellungsbedingungen übereinstimmen – und zwar am Beispiel von Rind- und Schweinefleisch. „Generell gibt es immer mehr Bemühungen, Herkunft und Qualität der Produkte nachvollziehbar zu machen“, erklärt Ermann. Die ErzeugerInnen setzen dabei unter anderem auf Labels und Zertifikate, wie etwa das AMA-Zeichen für heimische Qualität. Diese Gütesiegel sollen den KonsumentInnen vermitteln, dass sie ein einwandfreies und moralisch hochwertiges Gut in Händen halten. „Die Kundschaft hakt aber nicht selten nach und fragt beispielsweise, ob Formen der Tierhaltung auf diese Weise überhaupt sinnvoll kommuniziert werden können“, präzisiert der Wissenschafter. So säen Labels, die mehr Sicherheit und Vertrauen versprechen, unter Umständen auch Skepsis und Zweifel, weil sie teilweise stark verkürzte Aussagen über die Produktionswirklichkeiten widerspiegeln. Dazu kommt, dass KundInnen oft nicht die Informationen und Auflagen, wie sie ein Zertifikat abbildet, bevorzugen, sondern sich beim Einkaufen auf ihre Sinneseindrücke und Erfahrungen verlassen, unterstreicht Ermann: „KonsumentInnen handeln weit weniger rational, als HerstellerInnen und Handel offenbar glauben. Emotionen, Intuition und der eigene Körper spielen beim Einkaufen eine wichtige Rolle. Die Lust auf Fleisch oder der Ekel davor lassen sich nur sehr begrenzt steuern, “ weiß Ermann.

Ansätze, eine Transparenz der Produktion mehr auf das subjektive Empfinden der KonsumentInnen auszurichten , wie etwa „Erlebnistouren“ durch fleischverarbeitende Betriebe anzubieten, greifen oft zu kurz: „Jede Form seitens der HerstellerInnen, ihre Produktion transparent zu machen, ist eine Inszenierung, bei der die Unternehmen kontrollieren, was gezeigt wird und was nicht“, gibt Ermann zu bedenken. In einem ersten Schritt müssen daher zunächst Widersprüche zwischen dem Wissen der KonsumentInnen und den Informationen der ProduzentInnen entschlüsselt werden. „Erst auf dieser Basis können neue Konzepte zur besseren Zusammenarbeit entwickelt werden“, unterstreicht der Forscher. Bei seinen Untersuchungen konzentriert sich das Projekt-Team auf zwei steirische EU-Leader-Regionen: das Almenland, berühmt für den Almo-Ochsen, und auf das Vulkanland, bekannt für den Vulcanoschinken und die hohe Zahl an Schweinemastbetrieben. Finanziert werden die Forschungen vom Land Steiermark im Rahmen der Ausschreibung „Die Zunahme von Nicht-Wissen“ als Teil der Förderschiene „Polaritäten der Wissensgesellschaft“.

 

 

 

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