Senioritätsprinzip am österreichischen Arbeitsmarkt

 

erstellt am
22. 07. 15
11.00 MEZ

Hundstorfer: Einfluss der Entlohnung bei Einstellung älterer ArbeitnehmerInnen viel geringer als vermutet
"Das Ziel ist und bleibt, die Beschäftigung Älterer zu steigern"
Wien (sk) - Das Sozialministerium hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die "Relevanz und Auswirkungen des Senioritätsprinzips am österreichischen Arbeitsmarkt" untersucht hat. ) Das gängige Vorurteil, wonach Ältere zu teuer sind und dies für Unternehmen ein Einstellungshemmnis darstellt wird mit der Studie relativiert. Laut Marcel Fink und Helmut Hofer vom IHS, die am 21.07. gemeinsam mit Sozialminister Hundstorfer die Studie präsentierten, sei eine Verengung der Debatte auf Lohnsenioritätsregelungen wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. "Das Ziel ist und bleibt, die Beschäftigung Älterer zu steigern", betonte Hundstorfer. Als Instrumente dafür nannte der Sozialminister u.a. Teilpension, weiter steigende Mittel zur Unterstützung der Beschäftigung Älterer und das Bonus-Malus-System.

Ein Viertel aller unselbständig Beschäftigten ist dem Segment 50+ zuzuordnen. Die durchschnittliche Verweildauer in Arbeitslosigkeit bei Älteren beträgt 152 Tage, im Gegensatz zur durchschnittlichen Verweildauer der arbeitslos Vorgemerkten, die 119 Tage beträgt. Trotz einer hohen Dynamik am Arbeitsmarkt älterer Menschen und einem Beschäftigungsanstieg reicht dies noch nicht aus, um die für 2018 vereinbarten Beschäftigungsquoten zu erreichen. "Auf dieser Gruppe liegt unser Hauptaugenmerk", betonte Hundstorfer.

Mit einer Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent bei den 50-64-Jährigen liegt Österreich im europäischen Vergleich (EU-Durchschnitt: 7,5 Prozent) sehr gut. Auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist mit 46,2 Prozent (EU-Durchschnitt: 61,1 Prozent) ein guter Schnitt. "Die Zahlen zeigen aber auch, dass es für ältere Menschen, wenn sie einmal den Job verlieren, schwerer wird, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Die Herausforderung ist es, die Beschäftigungsquote entsprechend anzuheben", sagte Hundstorfer.

Dazu wurden Maßnahmen gesetzt: So betrug das Fördervolumen für die Generation 50+ 2014 199 Mio. Euro, 2015 (bis Ende Juni) 110 Mio. Euro. Gezielte und vielfältige Förderangebote des AMS, von Bildungsmaßnahmen über Arbeitsstiftungen und spezieller Betreuung für arbeitssuchende ältere Menschen, werden angeboten. Beim Programm fit2work nahmen bereits 26.753 Personen eine Erstberatung in Anspruch. "Was wir weiter ausbauen müssen und wollen ist die Betriebsberatung", kündigte der Sozialminister an. Weiters ist die medizinische und berufliche Rehabilitation statt Frühpension zu nennen. 3.986 Personen haben im 1. Halbjahr 2015 mit medizinischer Rehabilitation begonnen, 1.442 Personen befinden sich in beruflicher Rehabilitation.

Die Regierung hat aber auch die Beschäftigungsinitiative 50+ gestartet. Dafür wurden 2014 100 Mio. Euro zur Verfügung gestellt, 2015 werden es 120 Mio. Euro sein, 2016 und 2017 je 250 Mio. Euro. Im ersten Halbjahr 2015 wurden dadurch 9.896 Personen mit Beschäftigungsbeihilfen in den Arbeitsmarkt eingegliedert. 4.683 Personen wurde eine Beschäftigung in einem sozialen Unternehmen (2. Arbeitsmarkt) ermöglicht.

Als wesentliche Maßnahme nannte Hundstorfer auch die Einführung der Teilpension, "um Menschen ab 62 weiterhin die Möglichkeit zu geben, in Beschäftigung zu bleiben", die ab 1. Jänner 2016 wirksam ist. Auch gebe es einige arbeitsmarktpolitische Pilotprojekte im Rahmen des Europäischen Sozialfonds. "Was für uns alle notwendig ist, ist ein Paradigmenwechsel, damit das Thema länger im Erwerbsleben zu stehen, etwas Positives ist und nichts Negatives. Diesen Paradigmenwechsel brauchen wir alle, also sowohl arbeitgeberseitig als auch arbeitnehmerseitig", erklärte Hundstorfer.

Fink und Huber betonten, dass es ein generelles Altersproblem gebe, das sich aber nicht an einem in manchen Branchen üblichen Senioritätsprinzip (höhere Gehälter bei zunehmendem Alter) festmachen lässt. "Dazu kommt, dass die größte Gruppe derer, die im Alter Beschäftigungs- und Arbeitslosigkeitsprobleme haben, ArbeiterInnen sind. Also meist aus Branchen kommen, in denen es kaum bzw. überhaupt keine Senioritätsregelungen gibt. Umgekehrt ist festzustellen, dass der Beschäftigungsanteil Älterer in Branchen mit stärkerer kollektivvertraglicher Senioritätsentlohnung höher ist. Insgesamt aber ist es in allen Branchen zu einer deutlichen Abflachung der durchschnittlichen Einkommensprofile innerhalb der letzten 20 Jahre gekommen. 


 

 Foglar: Steigende KV-Entlohnung im Alter nicht Schuld an Arbeitslosigkeit
Wien (ögb) - Studie bestätigt: "Gründe für die hohe Altersarbeitslosigkeit sind das Lebensalter, aber auch die mangelnde Bereitschaft der Arbeitgeber, Ältere einzustellen. Das Senioritätsprinzip, also die mit den Jahren der Betriebszugehörigkeit oder dem Alter steigenden kollektivvertraglichen Löhne und Gehälter, sind hingegen nicht ausschlaggebend", kommentiert ÖGB-Präsident Erich Foglar die von Sozialminister Rudolf Hundstorfer präsentierten Ergebnisse des Instituts für höhere Studien (IHS).

Erst kürzlich wurde von der so genannten Denkfabrik Agenda Austria behauptet, dass das Senioritätsprinzip die Ursache für die hohe Arbeitslosenrate der Über-50-Jährigen wäre. "Dieses Argument kann leicht entkräftet werden. Besonders ausgeprägt ist die Altersarbeitslosigkeit nämlich bei den ArbeiterInnen - und genau in dieser Berufsgruppe ist das Senioritätsprinzip die absolute Ausnahme", so Foglar. Je geringer die Realeinkommenssteigerungen im Berufsleben, desto eher sind die Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen. Und je stärker die Entlohnung in einer Branche mit dem Alter wächst, desto höher ist dort der Anteil älterer Beschäftigter.

Außerdem sei laut IHS-Studie das Senioritätsprinzip irrelevant für die Arbeitsmarktlage, solange die Entlohnung nicht stärker steige als die Produktivität der Beschäftigten, und die ist "seit 1970 um mehr als 220 Prozent gestiegen", erklärt der ÖGB-Präsident.
Bonus-Malus endlich umsetzen!

"Die Ergebnisse des IHS zeigen deutlich: Um mehr Ältere in Beschäftigung zu bringen, muss nicht an den Kollektivverträgen herumgeschraubt werden. Hier sind die Unternehmer gefragt, alternsgerechte Arbeitsplätze für Menschen über 50 zu schaffen. Außerdem sollte nicht nur der Kostenfaktor berücksichtigt werden, sondern auch die Notwendigkeit, Erfahrung und Know-How im Betrieb zu halten", betont Foglar und führt weiter aus: "Unternehmen, die mehr Ältere beschäftigen als der Branchendurchschnitt, sollen aus diesen Mitteln einen Bonus erhalten. Das ist seit Jahr und Tag im Regierungsabkommen vereinbart. Es wäre hoch an der Zeit, dieser Vereinbarung endlich Taten folgen zu lassen - wenn es sein muss, auch gegen den Widerstand der Wirtschaftsvertreter".


 

Gleißner: Flexiblere Arbeitszeiten schaffen notwendigen Bewegungsspielraum für Wirtschaft
Wachstumsanreize setzen, um Beschäftigung zu generieren – Eingliederungsbeihilfen statt Beschäftigungs-Quoten
Wien (pwk) - "Auch wenn es die Arbeitnehmervertreter versuchen schlechtzureden: Flexible Arbeitszeiten sind eine wichtige Möglichkeit für unsere Betriebe, um auf immer kurzfristigere Nachfrageschwankungen zu reagieren. Und dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund unserer schwächer werdenden Wettbewerbsposition im internationalen Vergleich unerlässlich", kritisiert Rolf Gleißner, stv. Leiter der sozialpolitischen Abteilung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), die ablehnende Haltung von Gewerkschaft-Vertretern zu flexibleren Arbeitszeiten.

Gleißner verweist in diesem Zusammenhang auf Deutschland: "Österreichs Haupthandelspartner hat flexiblere Arbeitszeiten als wir - und ist damit sichtlich erfolgreich im internationalen Wettbewerb unterwegs." So gilt in Deutschland zum Beispiel eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 60 Stunden - in Österreich sind es 50.

"Geben wir unseren Betrieben mehr Bewegungsspielraum, denn nur dann können sie Beschäftigung halten und neue schaffen. Neue Vorschriften, Strafen oder Verbote sind da kontraproduktiv und sogar schädlich", lehnt Gleißner die Forderungen der Arbeitnehmer-Seite nach Quotenregelungen für die Beschäftigung Älterer ab.

Die IHS-Studie zu Seniorität in Kollektivverträgen und zur Beschäftigung Älterer bestätigt, dass die Kollektivverträge nicht pauschal für die Probleme Älterer am Arbeitsmarkt verantwortlich sind.

Die höheren Kosten Älterer spielen aber eine Rolle, weshalb auch einige Branchen in den letzten Jahren die Seniorität in den Kollektivverträgen reduziert haben.

Als wirksam bei der Beschäftigung Älterer hat sich die Eingliederungsbeihilfe erwiesen: "Sie ist und bleibt das wirksamste Mittel, um arbeitslose Personen der Altersgruppe 50+ wieder in Beschäftigung zu bringen. Daher ist es notwendig, dass die Arbeitsmarktpolitik in Zukunft spezifisch auf erfolgreiche Instrumente wie diese fokussiert. Wer dagegen Betriebe mit einem Malus bestrafen will, nur weil sie Jüngeren eine Chance geben, gefährdet Arbeitsplätze."

Nach den Zahlen des Sozialministeriums sind Ältere am Arbeitsmarkt nicht viel massiver betroffen als andere Gruppen: So ist die Beschäftigung der 50+ zwischen Juni 2014 und Juni 2015 um 55.000 gestiegen - in den anderen Altersgruppen ist sie um 39.000 zurückgegangen. Die Arbeitslosenquote Älterer liegt mit 8,9% nur geringfügig über dem allgemeinen Wert mit 8,3% und ist zuletzt weniger stark angestiegen als die generelle Quote. Das Risiko Älterer, arbeitslos zu werden, ist nach der heute vorgelegten Studie von Sozialminister Hundstorfer sogar unter dem Durchschnitt.

Gleißner: "Wir haben ein generelles Wachstums- und Beschäftigungsproblem. Generell aber muss es jetzt darum gehen, Wachstumsturbos für die heimische Wirtschaft zu zünden und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe gegenüber internationaler Konkurrenz zu stärken. Deshalb brauchen wir niedrigere Lohnnebenkosten und flexiblere Arbeitszeiten. Denn ohne Wachstum gibt es keine zusätzliche Beschäftigung."


 

 Kaske: Senioritätsprinzip ist Ausrede der Arbeitgeber für Nichtstun
Arbeitgeber müssen endlich ihre Pflichten erfüllen
Wien (ak) - Die vom Sozialministerium vorgestellte IHS Studie belegt, dass die Ansicht, Ältere seien zu teuer und werden deshalb nicht beschäftigt, falsch ist. Die Ergebnisse zeigen, dass nur ein geringer Teil der älteren ArbeitnehmerInnen überhaupt unter ein Senioritätsprinzip fällt, aber ein Großteil, zum Beispiel ArbeiterInnen, kaum altersbedingte Lohnsteigerungen hat. Zudem ist gerade in jenen Sparten die Älterenarbeitslosigkeit besonders hoch, die gar kein Senioritätsprinzip kennen (etwa Gastgewerbe, Berherbergungswesen oder Baubereich). Als viel wesentlicher werden die Arbeitsbedingungen eingeschätzt. Ein Umstellen der Betriebe auf alternsgerechte Arbeitsbedingungen würde die Älterenbeschäftigung weit mehr voranbringen. "Die Studie zeigt einmal mehr, dass die Arbeitgeberseite endlich handeln muss und sich nicht immer nur auf Ausreden versteifen darf", sagt AK-Präsident Kaske.

Rund 20 Prozent aller Betriebe mit mehr als 25 ArbeitnehmerInnen beschäftigen gar keine ArbeitnehmerInnen über 55. Gleichzeitig machen die Arbeitsbedingungen oft krank, ohne dass sich die Arbeitgeber an der Wiederherstellung oder an den Kosten der Gesundheits-Prävention beteiligen, beschreibt der AK Präsident die Realität. In anderen Ländern geschieht hier schon viel mehr. In den Niederlanden etwa werden 40 Prozent der Invalidisierungs-Kosten von den Unternehmen getragen und in Finnland werden die Unternehmen an den Kosten der Arbeitslosigkeit Älterer beteiligt. Beide Modelle sind erfolgreich.

"Wir fordern daher, dass die Regierung das vereinbarte Bonus-Malus-Modell endlich umsetzt. ÖVP und Arbeitgeberseite müssen ihre unsoziale Blockadepolitik endlich aufgeben", fordert Kaske als Konsequenz aus der Studie. "Außerdem sollten wir das erfolgreiche Modell der Niederländer auch nach Österreich übertragen, wonach sich Arbeitgeber an den Rehabilitations-Kosten bei Invalidität beteiligen müssen". Nur so, ist Kaske überzeugt, sind die Arbeitgeber bereit, auch tatsächlich zu einer angemessenen Beschäftigung Älterer und zu alternsgerechtem Arbeiten beizutragen.


 

 Edlinger: Schluss mit Hatz auf PensionistInnen!
Wirtschaft soll endlich mehr altersgerechte Arbeitsplätze schaffen und Bonus-Malus-System umsetzen – Bei Frauenpensionsalter gesetzlichen Pfad einhalten
Wien (pv wien) - Der Vizepräsident des Pensionistenverbandes Österreichs (PVÖ), Bundesminister a. D. Rudolf Edlinger, forderte am 21.07. einmal mehr "Schluss mit der Hatz auf PensionistInnen!". Er reagierte damit auf die seitens der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung und der ÖVP neuerlich erhobenen Forderungen nach einer raschen Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters für Frauen und einschneidenden Maßnahmen im Rahmen einer Pensionsreform.

"Statt ständig die älteren ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen zu verunsichern, wären die Wirtschaft und die ÖVP gut beraten, endlich zielführende und bereits vereinbarte Maßnahmen im Sinne der Beschäftigung Älterer umzusetzen und sich an getroffenen Regeln zu halten", so Edlinger weiter. "Ich appelliere an die Wirtschaft, endlich das Bonus-Malus-System für ältere ArbeitnehmerInnen auf Schiene zu bringen und insgesamt deutlich mehr altersgerecht Arbeitsplätze zu schaffen. Solange 50Jährige wegen ihres Alters aus Unternehmen gemobbt werden und Frauen noch immer deutlich weniger Lohn als Männer für die gleiche Arbeit erhalten, ist eine Debatte über eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters kontraproduktiv, weil diese nur die Arbeitslosigkeit erhöhen würde", meine Edlinger.

Edlinger erinnerte zudem daran, dass im Fall der Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters bei Frauen die Regierungspartner SPÖ und ÖVP gemeinsam einen gesetzlichen Pfad beschlossen hätten. "Verträge sind im Interesse der Lebensplanung der Betroffenen einzuhalten, auch wenn die ÖVP nun aus parteitaktischen Gründen meint, sich zu Lasten der berufstätigen Frauen davon absentieren zu müssen", forderte Edlinger.

Auch das ständige gebetsmühlenartige Wiederholen von völlig unbegründeten Angstparolen seitens der Wirtschaft und der ÖVP im Zusammenhang mit der Finanzierbarkeit der Pensionen, so Edlinger, wäre nichts anders als ein Ablenken von den tatsächlichen schwarzen Löchern. "Während auf der einen Seite für gestrauchelte heimische Banken laufend Milliarden zur Verfügung gestellt werden, sollen auf der anderen Seite die älteren ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen die Zeche für die Folgen des erzkonservativen, neoliberalen Wirtschaftspolitikverständnisses bezahlen. Dabei wird der PVÖ sicherlich nicht mitspielen", betonte Edlinger abschließend.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.sozialministerium.at

 

 

 

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