Konjunkturabschwächung in den
 Schwellenländern belastet heimischen Export

 

erstellt am
12. 08. 15
16.00 MEZ

Wien (wifo) - Die österreichische Wirtschaft wuchs im II. Quartal 2015 gegenüber dem Vorquartal um 0,3% und damit etwas stärker als in der Vorperiode (I. Quartal +0,2%). In den Schwellenländern flaut die Konjunktur immer weiter ab: Chinas Wirtschaft verliert weiter an Kraft, und Brasilien und Russland befinden sich in einer Krise. In den USA wächst die Wirtschaft weiterhin robust ohne nennenswerte Schwankungen. In Europa verbessert sich die Lage anhaltend, wenn auch nur graduell. Die weitere Entwicklung der Binnennachfrage in der EU entscheidet über das Wachstumstempo der heimischen Wirtschaft.

In den Schwellenländern scheint sich die Konjunktur weiter abzuschwächen. Die Dynamik lässt in China weiter nach; die Unsicherheit über die weitere Entwicklung löste heftige Kursausschläge an den chinesischen Börsen aus. In Brasilien, dem größten Land Lateinamerikas, dauert die Krise an, und Russlands Wirtschaft leidet neben dem Verfall der Rohstoffpreise unter den Folgen der Sanktionen von EU und USA wegen der Ukraine-Krise.

Auf dem wichtigsten Überseemarkt Österreichs, den USA, expandiert die Wirtschaft weiterhin kräftig. Das BIP stieg im II. Quartal gegenüber der Vorperiode um 0,6% und damit weiterhin dynamisch. Die Unternehmensumfragen deuten auf ein Anhalten der günstigen Entwicklung auch in naher Zukunft hin. Die Nachfrage aus den USA ist zur Zeit die wichtigste Stütze des heimischen Exports.

Die Wirtschaft der EU befindet sich weiter auf einem trägen Aufwärtspfad, wobei sie in Ostmitteleuropa stärker expandiert als in den anderen EU-Ländern. Im Euro-Raum verläuft die Konjunktur recht unterschiedlich, wobei die Wirtschaft vor allem in jenen Ländern wächst, die eine robuste Inlandsnachfrage aufweisen. Die außergewöhnlichen Maßnahmen der EZB in Form von umfangreichen Ankäufen von Staatsanleihen aus den Euro-Ländern zeigen bislang keine Wirkung auf die Inflation, welche seit einigen Monaten nur knapp über der 0%-Marke liegt, allerdings bessert sich die Investitionstätigkeit über die Baunachfrage stetig.

In Österreich verharrt die Wirtschaftsentwicklung weiterhin knapp über einer Stagnation. Während die gesamtwirtschaftliche Nachfrage aus dem In- und Ausland der heimischen Konjunktur auch im II. Quartal noch keine Impulse verlieh, wurde die Produktion dennoch etwas stärker ausgeweitet als im I. Quartal. Das BIP stieg im II. Quartal gegenüber dem Vorquartal real um 0,3%, wobei die vermehrte Produktion in den Lagerbestand floss. Der Konsum stieg nur wenig, und die Investitionen dämpften die Entwicklung leicht. Die Unternehmensumfragen weisen weiterhin auf keine deutliche Beschleunigung des Produktionswachstums in den kommenden Monaten hin, wie dies üblicherweise in einer Aufschwungsphase zu erwarten ist. Das anhaltend geringe Wachstum weist seit dem II. Quartal 2011 keinerlei konjunkturbedingte Abweichungen nach oben oder unten auf. Dies gilt insbesondere für die Industrieproduktion - ein Phänomen, das sich auch in Deutschland und den USA zeigt und im Widerspruch zur Einschätzung von Lage und Entwicklung dieses Wirtschaftsbereichs in den Unternehmensbefragungen steht. Da die aktuelle Konjunkturverbesserung im Euro-Raum entgegen früheren Erfahrungen neben den Bauinvestitionen von der Konsumnachfrage ausgeht und die heimische Exportproduktpalette eher auf Ausrüstungsgüter fokussiert ist, hinkt die heimische Wirtschaft dem europäischen Zyklus weiterhin hinterher.

Zwar liegt die Inflationsrate in Österreich mit 1,0% im Juni immer noch deutlich über dem Durchschnitt des Euro-Raumes, das weitaus größere Problem ist aber die hohe Arbeitslosigkeit. Aufgrund des schwachen Wirtschaftswachstums bei steigendem Angebot an Arbeitskräften erhöht sich die Zahl der Arbeitslosen weiter. Mit knapp 320.000 Arbeitslosen (+33.500 gegenüber dem Vorjahr) meldete das AMS den bisher höchsten Juli-Bestand.

Methodische Hinweise und Kurzglossar
Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Gegensatz zu den an Eurostat gelieferten und auch von Statistik Austria veröffentlichten "saison- und arbeitstägig bereinigten Veränderungen" der vierteljährlichen BIP-Daten bereinigt das WIFO diese zusätzlich um irreguläre Schwankungen. Diese als Trend-Konjunktur-Komponente bezeichneten Werte weisen einen ruhigeren Verlauf auf und machen Veränderungen des Konjunkturverlaufes besser interpretierbar.

Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.

Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.

Wachstumsüberhang
Der Wachstumsüberhang bezeichnet den Effekt der Dynamik im unterjährigen Verlauf (in saisonbereinigten Zahlen) des vorangegangenen Jahres (t0) auf die Veränderungsrate des Folgejahres (t1). Er ist definiert als die Jahresveränderungsrate des Jahres t1, wenn das BIP im Jahr t1 auf dem Niveau des IV. Quartals des Jahres t0 (in saisonbereinigten Zahlen) bleibt.

Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.

Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.

Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.

Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität innerhalb der Euro-Zone.

Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex (VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.

WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at/ ). Die Indikatoren sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten Unternehmen.

Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis:
Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).

Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.

Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenzdiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis. Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".

 

 

 

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