Sozialdemokraten-Treffen in Wien

 

erstellt am
21. 09. 15
09:00 MEZ

SP-Parteichefs und Gewerkschaftsvorsitzende aus Österreich, Deutschland und Schweden in Wien – Soziale Dimension Europas stärken – Forderung nach europäischer Flüchtlingspolitik
Stockholm/Berlin/Wien (sk) - Am 19.09. haben sich die Vorsitzenden der sozialdemokratischen Parteien sowie Gewerkschaftschefs aus Österreich und Schweden in Wien zu Arbeitsgesprächen getroffen. Teilgenommen haben SPÖ-Vorsitzender, Bundeskanzler Werner Faymann, Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens, Ministerpräsident Stefan Löfven, SPD-Parteivorsitzender, Vizekanzler Sigmar Gabriel, der Präsident des Schwedischen Gewerkschaftsbundes LO Karl-Petter Thorwaldsson sowie ÖGB-Präsident Erich Foglar. Bei ihrem Treffen erarbeiteten sie eine Resolution, um die soziale Dimension im Binnenmarkt Europas zu stärken. Die Frage, wie sich die Arbeitswelt entwickelt, der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sei "auf nationaler Ebene, gegen alle anderen, nicht durchsetzbar. Auf EU-Ebene hingegen ist vieles machbar, was zu mehr Wohlstand und zu besseren Sozialsystemen und einem besseren ArbeitnehmerInnenschutz führt", so Faymann bei einer Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen im Gartenhotel Altmannsdorf.

"Lohndumping ist eine Entwicklung, die beweist, dass wir viel zu tun haben, um dafür zu sorgen, dass es faire Löhne, Mindestlöhne gibt", so Faymann. Begonnen habe die Diskussion des sozialen Europas insbesondere am Arbeitsmarkt eng mit den Gewerkschaften in Schweden. "Wir haben mittlerweile eine gemeinsame Resolution erarbeitet, die die wichtigsten Punkte charakterisiert. Wir haben uns heute getroffen, um das weiter fortzusetzen. Wir werden gemeinsam auftreten, damit dieses soziale Europa - denn nur das kann die Herzen der Menschen erobern - eine Chance bekommt."

Aktueller denn je sei die Frage einer gemeinsamen europäischen Politik auch in humanitären Fragen, in der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen. "Ein Land kann einen Zaun bauen und humanitäre Aufgaben seinen Nachbarn zuschieben, aber in Europa sollte jedes Land solidarisch seinen Beitrag leisten, eine menschliche Lösung zu finden", betonte Kanzler Faymann. Der Kanzler erneuerte seine Forderung nach Hotspots an den europäischen Außengrenzen und einer fairen Quote zur Aufnahme von Flüchtlingen in Europa.

"Die Menschen in Europa spüren, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Es taucht ein soziales, ein wirtschaftliches oder wie jetzt, ein humanitäres Problem auf und die Europäische Union ist nicht stark genug, es rasch zu lösen. Deshalb stehen wir in einem Wettbewerb mit rechten Nationalisten, die versuchen, dieses schlechte Gefühl, das viele Europäer haben, umzumünzen in Zorn gegen den Nachbarn und gegen die Europäische Union. Wir stehen auf der anderen Seite. Wir sehen dieses Europa auch auf dem Prüfstand. Wir sehen genau, dass viel im Binnenmarkt gelöst wurde, aber nicht im Sozialen", so Faymann. Zwar wurde der Zusammenbruch der Finanzsysteme verhindert, aber faire Gehälter noch nicht durchgesetzt. "Wir sehen, dass eine humanitäre Katastrophe zwei Wochen benötigt, bis wir uns zu einer gemeinsamen Sitzung entschließen können. Wir wollen die europäische Zusammenarbeit stark genug und schnell genug für faire und menschliche Verhältnisse machen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wer gewinnt, aber ich sage Ihnen: Wir werden kämpfen, auf der Seite, die man mit Solidarität zusammenfasst."

SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel betonte, dass die Versprechen der Globalisierung - nicht Reichtum für wenige, sondern Gerechtigkeit für alle - nicht eingetreten seien. Gemeinsam mit weiteren RepräsentantInnen der europäischen Sozialdemokratie müsse das europäische Modell erneuert werden. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise sei es wichtig, eine gemeinsame europäische Politik zu betreiben. "Wenn wir nicht schnell Geld in die Hand nehmen und die erbärmlichen Lebensbedingungen der Flüchtlinge im Libanon und der Türkei verbessern, werden sich noch mehr auf den Weg nach Europa machen, weil sie keine andere Chancen haben. Kein Zaun der Welt kann moderne Völkerwanderung stoppen." In den Nachbarländern der Kriegsländer müssen in den nächsten Monaten fünf Mrd. Euro für Soforthilfe in die Hand genommen werden, nicht nur von Europa, auch von den USA und den Golfstaaten. Das helfe, dass sich der Zustand zu einem akzeptablen wende, für eine Verbesserung, etwa durch Ausbildungsmaßnahmen, seien weitere Hilfen notwendig. Darüber hinaus sei eine faire Verteilung der Flüchtlinge unerlässlich, denn "wir können diese gewaltige Aufgabe nicht alleine schultern", betonte Gabriel, der eine europäische Flüchtlingspolitik fordert.

Über all diesen Herausforderungen seien aber nicht jene zu vergessen, die schon in Europa leben. "Europa muss sich weiterentwickeln, neben Binnenmarkt und Wettbewerb muss auch soziale Fairness zu einem Vertragsbestandteil der EU werden." Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort sei eine wichtige Forderung, "wenn das gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, müssen wir das Wettbewerbsrecht ändern", sagte der deutsche Vizekanzler.

Gerade Griechenland sei ein Beispiel dafür, so Gabriel, dass Europa nicht wegschauen darf, was die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Mitglieder, was Korruption und Steuerhinterziehung betrifft. "Europa fehlt ein Standbein, das der sozialen Fairness und Sicherheit", erklärte Gabriel, der das "hochattraktive" europäische Modell der sozialen Marktwirtschaft verteidigt wissen will.

Der schwedische Premier Löfven hob hervor, dass Werte wie Solidarität und Gleichheit zeitlos seien, gerade jetzt in schwierigen Zeiten, in denen die Menschen vor Krieg und Repression flüchten müssen. "Wir fordern aber auch ein, dass alle in Europa für diese Solidarität einstehen und nicht nur ein paar Länder", so Löfven. Sowohl jenen, die ein Recht auf Asyl haben, als auch jenen, die aus sicheren Ländern kommen, müsse rasch geholfen werden.

Die Menschen in Europa hätten Angst vor Jobverlust und schlechten Arbeitsbedingungen, "wir wollen mit sozialer Politik eine bessere Zukunft für alle Menschen", betonte der schwedische Ministerpräsident. In Europa bekämen nicht immer alle den Lohn, der ihnen zusteht. "Wir müssen die soziale Dimension der EU stärken, die Menschen müssen sich sicher fühlen, denn das ist die Voraussetzung für eine bessere Entwicklung der europäischen Gemeinschaft", unterstrich Löfven, der mehr Investitionen in Arbeitsplätze, Ausbildung und im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit fordert. Die EU soll soziale und Arbeitsbedingungen verbessern und nicht verschlechtern, dabei sei "die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern für gerechte Löhne und Arbeitsbedingungen unsere Stärke", so Löfven.

 

 

Sozialminister Rudolf Hundstorfer und die Gewerkschaftsbund-Präsidenten von Österreich und Schweden, Erich Foglar und Karl-Petter Thorwaldsson, betonten die Wichtigkeit von sozialem Zusammenhalt, national und in Europa, und sprachen sich klar gegen Lohn- und Sozialdumping aus. "Es ist wichtig, dass sozialdemokratisch geführte Länder eine gemeinsame Sprache finden und eine gemeinsame Vorgangsweise entwickeln. Dieses Treffen ist ein Teil dessen", sagte Hundstorfer. "Europa heißt Mitgestalten und Mitreden -dadurch ist auch die Sozialdemokratie groß geworden und das muss die Zukunft sein", betonte der Sozialminister, der auch sagte, dass man sich der Herausforderung angenommen habe, ein neues europäisches Mobilitätspaket zu schnüren.

Foglar betonte, dass es bei dem Treffen um gewerkschaftliche Kernthemen ginge, die nicht nur wichtig für den ÖGB, sondern auch für den Europäischen Gewerkschaftsbund sind. "Es geht letztendlich um Menschen, die arbeiten, die ihren Lebensunterhalt verdienen. Es geht um die Sorgen und Ängste dieser Menschen, die sie aufgrund ihrer Erfahrungen am Arbeitsmarkt haben", sagte Foglar. Das sei ein entscheidendes Moment für das Modell, das der EU zugrundeliegt, betonte Foglar und kam auf die vier Grundfreiheiten der EU, freier Personenverkehr, freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr und freier Kapitalverkehr zu sprechen. "Wir sagen ja zum Wettbewerb, aber wir wollen einen fairen Wettbewerb. Wir sagen ja zur Marktwirtschaft, aber wir wollen eine soziale Marktwirtschaft", stellte Foglar klar.

Der ÖGB-Präsident stellte "große Diskrepanzen" zwischen der Wirklichkeit und den vier Grundfreiheiten der EU fest. "Diese werden oft als Basis für Lohn- und Sozialdumping verwendet. Das ist ein echter Konstruktionsfehler. Es ist wichtig, dass wir dieses Grundmodell weiterentwickeln. Soziale Rechte und Gewerkschaftsrechte müssen den gleichen Stellenwert bekommen wie die vier Freiheiten", forderte Foglar. Es könne nicht sein, dass Lohndumping, das eine eindeutige Gesetzesverletzung ist, ungestraft bleibt, wenn es im Ausland passiert. "Wenn in Österreich Menschen um ihren Lohn geprellt werden, bleibt das ungeahndet, wenn das Unternehmen im Ausland sitzt. Hier ist auch die Zusammenarbeit mit den Behörden ausbaufähig", sagte Foglar. Für den ÖGB-Präsidenten steht fest: "Wenn Menschen ordentliche Leistung bringen, sollen sie ordentlich bezahlt werden, egal wo sie herkommen." Die soziale Sicherheit müsse weiterentwickelt werden. "Wenn die Akzeptanz für das EU-Modell nicht aufgrund von Arbeitslosigkeit und geringen Löhnen sinken soll, dann bedarf es einer Weiterentwicklung. Wir müssen die Europäische Union zu einer sozialen Union machen", schloss Foglar.

Der Präsident des schwedischen Gewerkschaftsbundes LO Karl-Petter Thorwaldsson sagte, er sei stolz, dass heute diese Übereinkunft erreicht wurde, wie die drei Parteien und Gewerkschaften für ein gemeinsames Europa zusammenarbeiten können. "Ich glaube, für die EU ist die Zusammenarbeit zwischen SozialdemokratInnen und Gewerkschaften von großem Nutzen und das kann ein Modell für andere sein. Es haben bereits viele andere Länder mit uns geredet und gefragt, ob sie auch teilnehmen können. Wir würden unseren Kreis gerne erweitern", sagte Thorwaldsson. "Wir Gewerkschaften fordern ein Ende von Lohn- und Sozialdumping! Wir wollten in jedem Land die Forderungen stellen, die die ArbeitnehmerInnen brauchen, um sich geborgen zu fühlen", unterstrich Thorwaldsson.

Dies hänge auch mit der Flüchtlingsfrage zusammen, denn wo Menschen von Arbeitslosigkeit und niedrigen Löhnen gefährdet werden, leidet die soziale Kompetenz eines Landes darunter. "Diese drei Länder, Österreich, Deutschland und Schweden, haben in der EU den größten Mut gezeigt, die Flüchtlingsproblematik zu lösen. Für uns steht fest:
Alle sollen die Chance auf eine faire Antragsprüfung haben." Thorwaldsson stellte abschließend klar: "Dieses Treffen ist ein Signal, dass Politik und Gewerkschaften jetzt aufstehen müssen, um soziale Geborgenheit zu schaffen. Das war nie wichtiger als jetzt in Europa."

 

 

 

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