Die Flüchtlingskrise zwischen
 Grenzzaun und Willkommenskultur

 

erstellt am
25. 09. 15
09:00 MEZ

NR-Sondersitzung mit FPÖ-Dringlicher an Bundeskanzler Faymann, keine Mehrheit für Misstrauensantrag gegen Bundesregierung – NR-Präsidentin Bures mahnt Vorbildwirkung der Abgeordneten ein
Wien (pk) - Wie soll Österreich auf die aktuelle Flüchtlingswelle reagieren? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Nationalrat am 24.09. in einer auf Verlangen der FPÖ einberufenen Sondersitzung. "Österreich im Ausnahmezustand – sichere Grenzen statt Asylchaos, Herr Bundeskanzler!" titelte Klubobmann Heinz Christian Strache dabei in einer Dringlichen Anfrage an Werner Faymann und holte zu einem Rundumschlag gegen die Bundesregierung aus, die er der "offensiven Untätigkeit" bezichtigte. Die Unterlassung von Kontrollen und Ausgleichsmaßnahmen habe den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung in der Grenzregion nach sich gezogen und dazu geführt, dass jeder Drittstaatsangehöriger nun illegal nach Österreich einreisen kann, lautete der Kernvorwurf der Freiheitlichen, die von einer existenzbedrohenden Völkerwanderung sprachen und Grenzsicherung sowie den Ausbau der "Festung Europa" forderten.

Bundeskanzler Werner Faymann wandte sich in seiner Replik auf die Dringliche dezidiert gegen Grenzzäune und unterstrich, die Flüchtlingsfrage könne von Europa nur gemeinsam gelöst werden. Große Bedeutung maß er in diesem Zusammenhang den gestrigen Beschlüssen des EU-Rats auf Einrichtung von Hotspots in Italien und Griechenland bei. Mit Nachdruck bekannte sich Faymann überdies zum Recht auf Asyl, wobei er betonte, niemand dürfe in ein Land zurückgeschoben werden, in dem er unmenschliche Behandlung zu befürchten hat.

Nationalrat für verstärkte Flüchtlingshilfe vor Ort
Einstimmig nahmen die Abgeordneten einen Entschließungsantrag der beiden Koalitionsparteien und der Grünen an, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, dem World Food Programme der UNO umgehend eine Unterstützung zur Versorgung der Flüchtlinge in der Region rund um Syrien zukommen zu lassen und sich international für eine ausreichende Unterstützung der Syrien-Flüchtlinge in der Region einzusetzen. Der österreichische Beitrag soll sich an Deutschland und den anderen europäischen Ländern orientieren.

"Wer in der Region hilft, hilft mit denselben Mitteln einer vielfachen Zahl von Opfern und bewahrt viele von ihnen vor einer gefährlichen Flucht", heißt es darin. In der Begründung weisen die AntragstellerInnen darauf hin, dass mit rund 1 USD pro Person und Tag die Versorgung der Flüchtlinge in der Region sichergestellt werden könnte. Demgegenüber müssen in Österreich für die Verpflegung bei individueller Unterbringung pro Person rund 6 € pro Tag aufgewendet werden, nicht eingerechnet sind dabei die Unterbringungskosten. Insbesondere sprechen sie aber die dramatische humanitäre Situation in den Flüchtlingslagern vor Ort an, verschärft durch die unzureichenden Mittel für die Nahrungsmittelhilfe.

Misstrauensantrag der FPÖ sowie Anträge des Team Stronach abgelehnt
Der im Zuge der Debatte eingebrachte Misstrauensantrag der FPÖ gegen die Bundesregierung wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt.

Ebenso wenig durchsetzen konnte sich das Team Stronach mit seiner Forderung nach einem beschleunigten Asylverfahren, das maximal 48 Stunden dauern soll. Als Vorbild nennen die AntragstellerInnen die Schweiz und Norwegen. Keine ausreichende Unterstützung fand ferner der Antrag, UNO-Schutzzonen in den Krisengebieten einzurichten. Auch die Forderung nach temporären Grenzkontrollen in allen Bundesländern unter vereinfachten Voraussetzungen blieb in der Minderheit.

Strache ortet Versagen der Regierung bei Grenzsicherung und Kontrolle der Flüchtlinge
Es gehe um die Zukunft Österreichs, stehe man doch am Beginn einer neuen Völkerwanderung, umschrieb Heinz Christian Strache (F) die Situation aus Sicht seiner Fraktion. Vor diesem Hintergrund versage die Bundesregierung, da sie es unterlassen habe, nach dem Scheitern von Schengen Verantwortung zu übernehmen und die Grenzen wirkungsvoll zu sichern. Der FPÖ-Klubobmann warf der Koalition vor, nun mit Placebo-Entscheidungen zu versuchen, das Chaos zuzudecken. Mit scharfer Kritik bedachte Strache dabei den Einsatz des Bundesheers an der Grenze und gab zu bedenken, hier gehe es nicht um Grenzsicherung und Kontrolle, sondern bloß um Betreuung all jener, die ohne jegliche Registrierung illegal ins Land gekommen sind. Dies führe dazu, dass heute niemand wisse, wie viele Flüchtlinge sich in Österreich aufhalten, wie viele davon untergetaucht und wie viele nach Deutschland weiter gereist sind. Es bestehe daher Gefahr für die innere Sicherheit und für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, folgerte Strache auch unter Verweis auf ein diesbezügliches Papier aus dem Innenministerium und erklärte die Regierung für rücktrittsreif.

Er sei sich der Verantwortung für die tatsächlich Verfolgten durchaus bewusst, betonte der FPÖ-Klubchef, meinte aber, man könne von Schutzsuchenden sehr wohl verlangen, mit den Behörden zu kooperieren und sich registrieren zu lassen. Kein Verständnis zeigte Strache überdies für das Verhalten des Bundeskanzlers gegenüber dem ungarischen Ministerpräsidenten Orban, hätten doch die Maßnahmen im Nachbarland gezeigt, dass Grenzsperren und wirksame Kontrollen sehr wohl zu einer Entspannung der Lage führen können. Strache forderte nun ähnliche Maßnahmen auch in Österreich, um den Zustrom von Flüchtlingen einzudämmen. Wenn man weiter so agiert wie jetzt und Migranten unkontrolliert und ungehindert ins Land lässt, dann sei jedenfalls mit unabsehbaren Folgen für Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen, Schulwesen und Wohnungsmarkt zu rechnen, warnte er.

Faymann für gemeinsames europäisches Vorgehen in der Flüchtlingsfrage
Bundeskanzler Werner Faymann bekannte sich mit Nachdruck zur ungeteilten Anwendung der Menschenrechte einschließlich des Rechts auf Asyl und wandte sich gegen jegliche pauschale Abqualifizierung von Flüchtlingen. Jeder, der nach Österreich kommt und hier Schutz sucht, habe ein Recht auf ein faires Verfahren und gesetzeskonforme Bedingungen, betonte er. Daher gehe es auch darum, die Grenzen so zu sichern, dass Kontrollen möglich sind, gleichzeitig jedoch das Recht auf Asyl gewährleistet werden kann. Angesichts der humanitären Situation stehe deshalb die Verhältnismäßigkeit im Mittelpunkt bei der Vollziehung der Rechtsvorschriften durch die Behörden, stellte Faymann klar und wies den Vorwurf der Placebo-Maßnahmen zurück. Niemand dürfe in ein Land zurückgeschoben werden, in dem er eine unmenschliche Behandlung befürchten muss.

Grenzzäune sind für Faymann kein Thema. Wer glaubt, man könne das Flüchtlingsproblem durch Abschottung lösen, der sei auf dem falschen Weg. Der Kanzler plädierte vielmehr für ein gemeinsames Handeln Europas und begrüßte aus dieser Sicht die gestrigen Beschlüsse des Europäischen Rates, wobei er insbesondere die gemeinsame Sicherung der Außengrenze sowie die Etablierung von Hotspots zur Erstaufnahme und Registrierung der Flüchtlinge in Italien und Griechenland hervorhob. Wesentliche Bedeutung kommt nach Meinung Faymanns auch weiterhin dem Dublin-Abkommen zu. Hier gelte es, die Bestimmungen mit Leben zu erfüllen und sämtlichen EU-Mitgliedstaaten auch tatsächlich die Voraussetzungen zu geben, uneingeschränkt daran teilnehmen zu können.

Was die jüngsten Zahlen betrifft, teilte der Bundeskanzler überdies mit, dass bisher in diesem Jahr rund 53.000 Asylanträge in Österreich gestellt wurden und sich aktuell 52.330 Flüchtlinge in der Grundversorgung befinden. Das Finanzministerium gehe derzeit von Kosten in der Höhe von 150 Mio. € für die Grundversorgung aus. Faymann rief zudem dazu auf, in Fragen von Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen und Schule nicht MigrantInnen gegen Einheimische auszuspielen.

     

Turbulente Debatte
Nach den Ausführungen von Bundeskanzler Werner Faymann gestaltete sich auch die weitere Debatte teilweise turbulent und emotionell. Mehrmals sah sich Nationalratspräsidentin Doris Bures zu Beginn gezwungen, angesichts der menschlichen Tragödien, die der Diskussion zugrunde liegen, eine angemessene Wortwahl von den RednerInnen einzufordern. Konkreter Anlass waren Aussagen von FPÖ-Abgeordnetem Herbert Kickl, die nicht der Würde und dem Anstand des Hauses entsprächen, wie die Präsidentin feststellte: so bezichtigte er etwa die Regierung im Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage des "Verrats". Die Abgeordneten müssten auch bei dieser Plenardebatte ihrer Vorbildwirkung gerecht werden, unterstrich Bures.

In einer kurzen Geschäftsordnungsdebatte zur Handhabung von Ordnungsrufen warf FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache der Präsidentin vor, parteipolitisch motiviert zu agieren, zumal sie die während der Sitzung laufende Spendenaktion der Grünen nicht untersagt hatte. Diese Vorhaltung ließ Bures nicht gelten: Die von den Grünen im Plenarsaal platzierte Sammelbox für Spenden an das Wiener Integrationshaus für minderjährige Flüchtlinge sei keineswegs als "überbordender Aktionismus" zu werten, sagte sie. Die Grünen hatten angeregt, bei jeder "Unwahrheit" der FPÖ zur Flüchtlingsthematik 5 € in die Box zu werfen. Die Spendenbox wurde schließlich zur Regierungsbank gestellt. Am Ende der Sitzung gab Georg Willi (G) bekannt, dass insgesamt 2.715 € für das Integrationshaus gespendet wurden.

SPÖ: EU muss Flüchtlingsfrage menschlich beantworten
Die Herausforderungen durch die Flüchtlingsbewegungen seien nur auf europäischer Ebene zu bewältigen, und zwar "pragmatisch, menschlich, schnell", unterstrich eingangs SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Eine brauchbare Handlungsvorlage dafür böten die Ergebnisse des gestrigen EU-Sondergipfels, sowohl hinsichtlich einer gerechten Verteilung der Flüchtlinge in den EU-Staaten und zur Beschleunigung der Asylverfahren mittels Verteilerzentren an den Außengrenzen, als auch für Hilfen in den Krisenregionen und in den Ländern auf den Flüchtlingsrouten. Asyl sei ein Menschenrecht, das einzig durch rechtsstaatliche Verfahren geprüft werden dürfe, mahnte SPÖ-Mandatarin Angela Lueger. "Das ist die Basis für unsere Demokratie". Das Flüchtlingsthema nach FPÖ-Manier für den Wahlkampf zu nutzen, nannte sie "schäbig", sei es doch eine humanitäre Verpflichtung, Schutzsuchenden zu helfen.

Walter Schopf (S) bedankte sich bei den vielen Freiwilligen und den Hilfsorganisationen, die in den letzten Wochen mit großem Einsatz den Flüchtlingen Hilfe geleistet haben. Die Bundesregierung habe sich auf europäischer Ebene für richtige Beschlüsse eingesetzt, sagte Schopf. Wichtig sei, dass alle an einem Strang ziehen und nicht zu versuchen, aus der Flüchtlingskrise politisches Kapital zu schlagen.

Otto Pendl (S) vermisste eine seriöse Diskussion der Flüchtlingskrise. Das Thema müsse sachlich und gemeinsam auf europäischer Ebene angegangen und in menschlicher Weise gelöst werden. Neue Zäune oder gar ein Schießbefehl zur Abwehr von Flüchtlingen seien sicherlich nicht der richtige Weg, betonte der Abgeordnete.

ÖVP: Regierung arbeitet permanent an Problemlösung
60 Millionen Flüchtlinge gebe es derzeit weltweit, stellte Reinhold Lopatka (V) klar. Die Zahl der Schutzsuchenden in Österreich sei also keineswegs dramatisch hoch. Allerdings, räumte er ein, müsse die Europäische Union auf rechtsstaatliche Weise dafür sorgen, dass nur diejenigen Asylstatus erhalten, die tatsächlich aus Kriegsgebieten kommen bzw. politisch verfolgt sind. Vehement wies der ÖVP-Klubobmann die Klage der FPÖ gegen die Bundesregierung zurück: während die Freiheitlichen permanent Angst schürten, arbeite die Regierung ununterbrochen an Lösungen. Als Beispiel nannte er das gestern beschlossene Durchgriffsrecht des Bundes zur Flüchtlingsunterbringung und versicherte im gleichen Atemzug, dank des Engagements der Länder und Gemeinden brauche es wohl nie zur Anwendung kommen. Auf die Vorhaltung der Freiheitlichen, die Regierung lasse Fremde ohne Kontrollen ins Land, bezog sich Werner Amon (V) konkret. Die Bundesregierung agiere völlig rechtmäßig, denn der Schengen-Grenzkodex erlaube aus humanitären Gründen die Einreise Drittstaatsangehöriger ohne Ausweispapiere. Langfristig müsse sich die Europäische Union allerdings über ihre Aufnahmefähigkeit klar werden, gab der ÖVP-Mandatar zu bedenken, nicht zuletzt, um die angemessene Versorgung der Flüchtlinge sicherzustellen.

Dorothea Schittenhelm (V) bekannte sich im Sinne der Menschenrechte klar zur Hilfe für alle, die Schutz vor Krieg und Terror brauchen. Gleichzeitig stellte sie fest, dass in der Bewältigung der Krise der richtige Mittelweg gefunden werden müsse. Asyl auf Zeit und die Einrichtung von Verteilungszentren für Flüchtlinge seien richtige Lösungsansätze. Die EU-Außengrenzen müssten gesichert werden, nur so könne es eine Union ohne innere Grenzen geben, sagte die Abgeordnete. Nikolaus Prinz (V) dankte der Innenministerin und ihren MitarbeiterInnen sowie den Verantwortlichen in den Gemeinden, die in den letzten Wochen viel für die Unterbringung von Flüchtlingen geleistet hätten. Die geforderte Solidarität müsse weltweit geübt werden, meinte er. Auch die USA und die reichen Golfstaaten müssten ihren Beitrag leisten. Der Flüchtlingsstrom dieses Jahres sei in seiner derzeitigen Dimension von der EU durchaus zu bewältigen, wenn die richtigen Maßnahmen gesetzt werden. Einen Blick in die Geschichte der Zweiten Republik warf Johann Rädler (V) und schloss daraus, dass man mit Begriffen wie "Ausnahmezustand" sehr sorgsam umgehen solle. Im Jahr 1945 hätten sich 1,8 Mio. Flüchtlinge in Österreich aufgehalten, und es habe immer wieder Flüchtlingswellen gegeben. Der Aktionsplan der ÖVP biete mit seinen acht Punkten die Antworten, auf die die Bevölkerung warte.

FPÖ: Regierung hat Vertrauen verspielt
Eine "staatspolitische Notwendigkeit" sei der FPÖ-Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung, erklärte Abgeordneter Herbert Kickl die Initiative seiner Fraktion. Die Regierung missachte völlig die Interessen der Bevölkerung: sie billige Fremden automatisch Heimatrecht zu und stelle die Mittel zur Flüchtlingsversorgung bereit, während zahlreiche ÖsterreicherInnen aufgrund von Leistungskürzungen und fehlender Valorisierung armutsgefährdet seien. Kritik übte Kickl auch an der medialen Darstellung der Flüchtlingssituation "Hier wird vertuscht, dass sich die Balken biegen", sagte der Freiheitliche Generalsekretär, nicht zuletzt wegen des Regierungseinflusses in der Berichterstattung. Die öffentliche Meinung entspreche nicht der veröffentlichten Meinung, bekräftigte Elmar Podgorschek (F) Kickls Vorwurf, um in weiterer Folge die geopolitische Dimension des Syrien-Konflikts zu adressieren. Das dadurch bedingte Flüchtlingsproblem in Europa sei nur mit der Beendigung des Konflikts zwischen Russland und den USA in Bezug auf Syrien zu lösen, so Podgorschek.

Günther Kumpitsch (F) bezweifelte, dass das Durchgriffsrecht wie angekündigt nur als "ultima ratio" zum Einsatz kommen werde. Vielmehr sei es ein Freibrief, um die Rechte der Länder und Gemeinden zu beschneiden. Trotz vieler Bedenken greife man dafür massiv in die Verfassung ein. Bei einer Volksabstimmung wäre dieses Verfassungsgesetz nicht durchgegangen, war Kumpitsch überzeugt, der sich außerdem gegen eine Beschönigung der Migrationskrise wandte.

Als letzter Redner seiner Fraktion wies Walter Rosenkranz (F) die Kritik an den Positionen der Freiheitlichen zurück. Die Freiheitlichen seien für Asyl für alle jene, die tatsächlich Hilfe brauchen, stellte er fest. Man dürfe aber auch die Probleme, die aus der derzeitigen Migrationsbewegung entstehen, nicht verschweigen. Der Ausbruch von interreligiösen Konflikten und Bandenkriegen stelle eine tatsächliche Gefahr für Österreich dar, warnte Rosenkranz.

Die fraktionslosen Abgeordneten Rupert Doppler und Gerhard Schmid stimmten in ihrer Einschätzung der Flüchtlingskrise mit der Linie der FPÖ überein. Doppler meinte, dass Massenzuwanderung das soziale und kulturelle Gefüge Österreichs aus dem Lot bringe. Das Durchgriffsrecht sei eine Entmündigung von Ländern und Gemeinden. Der ungarische Ministerpräsident Orban werde kritisiert, obwohl er nur die EU-Außengrenze schütze, meinte Doppler. Schmid sah ein Versagen der Bundesregierung und der EU in der Bewältigung der Flüchtlingsströme. Er kritisierte, dass der Grenzeinsatz das Bundesheer an die Grenzen seiner Belastbarkeit bringe.

Die fraktionslose Abgeordnete Jessi Lintl zitierte Berichte von "marodierenden Flüchtlingshorden" in Süditalien. Österreich sei nicht weit von solchen Zuständen entfernt, befürchtete sie. Ein souveräner Staat müsse imstande sein, seine Grenzen zu schützen, sonst verliere er seine Legitimität.

Grüne: Flüchtlingshilfe braucht innerstaatliche und internationale Maßnahmen
"Helfen auf allen Ebenen – lokal, national und international", das ist für Eva Glawischnig-Piesczek (G) das Gebot der Stunde. Legale Einreisemöglichkeiten für Schutzsuchende wären hier ein wichtiges Element. Den Freiheitlichen hielt sie vor, deren Forderung, Flüchtlinge vorrangig in den Herkunftsländern zu unterstützen, werde durch den jahrelangen FPÖ-Protest gegen Erhöhungen der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) konterkariert. Unhaltbar sei überdies, dass die Freiheitlichen die Flüchtlingskrise "als Wahlkampfthema missbrauchen", so die Grünen-Klubobfrau, die aber auch die Regierung nicht aus der Pflicht nahm. Obwohl der Syrien-Krieg schon seit fünf Jahren tobe, sei in der ganzen Zeit "nichts passiert", 2013/14 habe man sogar die EZA-Mittel gekürzt, prangerte sie an. Für einheitliche Asylstandards in der Europäischen Union machte sich Alev Korun (G) stark und führte als Gegenbeispiel die "unmenschliche" Behandlung von Flüchtlingen durch die ungarische Polizei in den letzten Wochen an. Durch "Weckducken" vor den Zuständen im Nachbarland werde man die Flüchtlingskrise nicht lösen, so die Grüne Asylsprecherin. Europa stehe jetzt an einem Wendepunkt, ob es eine solidarische Antwort findet.

Peter Pilz (G) brachte einen gemeinsamen Entschließungsantrag von SPÖ, ÖVP und Grünen ein, der sich für die Unterstützung der Syrienflüchtlinge in den Regionen um Syrien einsetzt. Der österreichische Beitrag zum World Food Programme solle sich am Beitrag Deutschlands und anderer europäischer Länder orientieren, heißt es im Antrag. Der Beitrag Österreichs würde sich damit auf 6 Mio. € belaufen. Fluchtbewegungen könne man sicher nicht verhindern, indem man Menschen mit unmenschlichen Maßnahmen abzuschrecken versuche, sondern nur, indem man die Fluchtgründe beseitige, erklärte der Grüne Abgeordnete. Daher müsste man die Programme unterstützen, die Menschen das Überleben in den Flüchtlingscamps ermöglichen.

"Wehleidigkeit" der Freiheitlichen Partei konstatierte Harald Walser (G) und meinte, sie arbeite mit den Methoden, die auf Hetze und Lügen hinauslaufen. Walser zitierte einen Aufruf von Auschwitz-Überlebenden, in dem die europäische Politik dazu aufgerufen wird, sich klar gegen verhetzende Politik zu stellen.

NEOS: Rechtspopulismus hat keine Lösungskompetenz
Eine deutliche Warnung vor "Rechtspopulismus" sprach Matthias Strolz (N) aus: Parteien wie der FPÖ fehle es an der nötigen Verantwortung für Regierungsämter, das zeige sich gerade am Umgang mit der Flüchtlingsthematik. "Stacheldrahtzäune rund um die EU" zu bauen, sei keineswegs die Lösung der Tragödie, die bereits Zigtausenden am Mittelmeer das Leben gekostet hat, wie der NEOS-Klubobmann erinnerte. "Vorsicht vor solchen Vorschlägen", die zur Abschottung des Kontinents führen würden, rief er in den Saal und appellierte an die Bevölkerung, der politischen Mitte ihr Vertrauen zu schenken. Die Dringliche Anfrage der Freiheitlichen nahm sich NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak im Detail vor, um die FPÖ-Ansätze zu widerlegen. Irritiert zeigte er sich beispielsweise über die Fragestellung zur Aktualität der Europäischen Menschenrechtskonvention: Grundwerte wie das Recht auf Leben oder auf freie Meinungsäußerung seien wohl niemals in Frage zu stellen. Eine andere Sicht hat der NEOS-Abgeordnete auch hinsichtlich Arbeitsmarktzugang für Asylwerbende, den er entgegen den Freiheitlichen eindeutig begrüßen würde.

Beate Meinl-Reisinger (N) stellte fest, dass die Menschenrechte universell seien, man könne sich nicht aussuchen, für wen sie gelten sollen. Das Engagement, das aus der Zivilgesellschaft zur Bewältigung der Krise gekommen sei, mache sie stolz. Gleichzeitig zeige sich, dass die aktuellen politischen Strukturen Österreichs nicht in der Lage seien, Lösungen zu finden. Auch der Rechtspopulismus biete keine Lösungen an, sondern versuche nur, die Ängste der Menschen auszunützen.

In ihrer Abschiedsrede blickte Meinl-Reisinger auf zwei Jahre im Parlament zurück. Sie bedauerte dabei, dass sich immer wieder zeige, dass das Parlament kein Arbeitsparlament sei, das eigenständig Initiativen setzen könne, sondern nur dazu da sei, die Politik der Regierung zu bestätigen. Gleichzeitig wolle sie sich bei allen Abgeordneten der anderen Fraktionen bedanken, die bereit waren, der neuen Fraktion bei ihrem Einzug ins Parlament Hilfestellungen zu geben, sagte die scheidende Abgeordnete, die bei der Wien-Wahl als Spitzenkandidatin ihrer Partei antritt.

Team Stronach: Solidarität vorranging mit ÖsterreicherInnen
Die Schlagworte Solidarität und Hilfsbereitschaft hinterfragte Robert Lugar (T) angesichts der cirka 60 Millionen Flüchtlinge am Erdball, von denen nur 0,1% nach Europa komme. "Kann man mit ihnen solidarisch sein, aber nicht mit dem Rest?" Für den Klubobmann des Team Stronach ist klar, die Regierung habe sich zu allererst solidarisch gegenüber der österreichischen Bevölkerung zu zeigen, weshalb seine Fraktion den FPÖ-Antrag unterstützen werde. Immerhin sei Syrien nicht Teil "unseres Kulturkreises", schon hinsichtlich der Religion. Anstatt syrische Flüchtlinge unbegrenzt ins Land zu lassen, sollten sie seiner Ansicht nach in Schutzzonen ihrer Region Zuflucht finden. Die heutige Sitzung zeigte für Martina Schenk (T) einmal mehr die "Ziel- und Planlosigkeit der Bundesregierung", nicht nur in Bezug auf die Flüchtlingsthematik. Von der hohen Arbeitslosigkeit bis zu Einschnitten in der Sicherheit durch Schließungen von Polizeidirektionen habe Österreich zahlreiche Probleme, denen die Regierung nicht Herr werde, befand die Team Stronach-Politikerin

Leopold Steinbichler (T) schloss sich dem Dank an alle an, die zur Bewältigung der Krise geholfen haben. Der Antrag zur Hilfe vor Ort gehe in die richtige Richtung, meinte er. Das Team Stronach setzt sich für UNO-Schutzzonen in den aktuellen Krisenregionen ein. Nicht vergessen werden dürfe, dass ein verfehltes Wirtschaftssystem viele Menschen in die Flucht treibe. So ruiniere die europäische Nachfrage nach Palmöl viele bäuerliche Betriebe in den Entwicklungsländern.

Die Polizei habe an den Grenzen aufgrund von Personalnot große Probleme, ihrem Auftrag nachzukommen, kritiserte Christoph Hagen (T). Das sei ein sicherheitspolitisches Problem. Der Bundeskanzler habe das zwar richtig erkannt, er müsse aber auch handeln, forderte Hagen. Eine "hilflose Bundesregierung" sah Waltraud Dietrich (T). Sie sei nicht imstande, Probleme zu lösen. In Österreich gebe es 37.000 Obdachlose, diese dürfe man nicht vergessen, forderte sie.

 

 

 

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