Ostermayer: "Literatur vermittelt
 politisches Bewusstsein"

 

erstellt am
08. 10. 15
09:00 MEZ

Eröffnung der "Erich Fried Tage 2015" mit Literaturnobelpreisträger Sir V. S. Naipaul
Wien (bpd) - "Literatur zu lesen bedeutet immer auch das Überschreiten der eigenen Grenzen, die Ausbildung und Befragung des individuellen und kollektiven Selbstverständnisses. In der Literatur können wir unseren Wirklichkeitssinn und unseren Möglichkeitssinn erproben und unser Leben und unsere Geschichte immer wieder aufs Neue betrachten und befragen", sagte Kulturminister Josef Ostermayer am 07.10. bei der Eröffnung des Festivals "Erich Fried Tage 2015" zum Thema "Facts and Fiction" im Wiener Akademietheater. Höhepunkt der Eröffnung war ein Gespräch zwischen Literatur-Nobelpreisträger Sir V. S. Naipaul und dem österreichischen Autor Christoph Ransmayr zum Thema "The Writer and the World".

"Sir V. S. Naipaul hat sich in seinem literarischen Schaffen intensiv mit kulturellen und religiösen Unterschieden sowie den Konflikten, die sich daraus ergeben, befasst", so Ostermayer. Das sei in Zeiten wie diesen aktueller denn je. "Zeiten, in denen uns die Flüchtlingskrise über die Grenzen hinweg beschäftigt und Schicksale wie die des saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi, der wegen seiner kritischen Beiträge zu 1.000 Peitschenhieben verurteilt wurde, bewegen."

Der Namensgeber des Festivals, Erich Fried, gelte als "Neuerfinder der politischen Lyrik". "Er wurde zum Dichter einer gesellschaftlichen Bewegung, die in vielen Bereichen zu einer damals längst fälligen Modernisierung geführt hat. Er war ein politischer Autor, ein Dichter, der unsere Vorstellung von Literatur und Politik verschoben hat. Er fühlte sich in seiner Dichtung, seinen Essays und in seiner Arbeit als Journalist und Kommentator des politischen Geschehens; vor allem solidarisch mit den Schwachen, denen ihre fundamentalen Rechte von einer mächtigeren Gruppe aberkannt wurden. Fried wollte hingegen nicht durch die Macht der Worte überrumpeln, sondern durch die Kunst des literarischen Widerspruchs und des differenzierten Einspruchs zum Denken anregen und zum Dialog auffordern", sagte Ostermayer.

"In diesem Sinne vermittelt Literatur so etwas wie politisches Bewusstsein, weil sie die Freiheit und Autonomie des Einzelnen entwickelt, bekräftigt und verstärkt. 'Nicht denken lassen, sondern selber denken' lautet ihre Devise. Und ein Ort der Autonomie ist in Zeiten, in denen einem eher der Ungeist um die Ohren fliegt und der Zeitgeist entgegen bläst, nicht hoch genug zu schätzen", so der Bundesminister abschließend.

Das internationale Literaturfestival "Erich Fried Tage 2015" präsentiert unter dem heurigen Titel "Facts and Fiction" das Genre der literarischen Reportage in seinen unterschiedlichsten Formen und Formaten. Verschiedene Veranstaltungen dazu können noch bis 11. Oktober 2015 besucht werden.

 

 

 

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