Mittelfristige Prognose für die Weltwirtschaft bis 2020

 

erstellt am
13. 10. 15
09:00 MEZ

Zuversicht in den USA, Unsicherheit im Euro-Raum, fragile Entwicklung in den Schwellenländern
Wien (wifo) - Nach dem Konjunktureinbruch im Jahr 2015 wird Chinas Wirtschaft auch in den kommenden Jahren langsamer wachsen. Dies hält die Rohstoffpreise mittelfristig niedrig und erschwert so die Erholung in Russland und Brasilien, wo zukunftsträchtige Investitionen während der Rohstoffpreishausse versäumt wurden. Auch im Euro-Raum dämpft die geringe Investitionstätigkeit die Wachstumschancen. Das Fehlen wirtschaftspolitischer Koordinationsmechanismen erhöht die Unsicherheit, und die nationalstaatlich orientierte Wirtschaftspolitik verstärkt die Divergenz der Wirtschaftsentwicklung. In den USA sind die Wachstumsmöglichkeiten besser, da die Folgen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise durch eine geschickt kombinierte Geld- und Fiskalpolitik überwunden wurden und die Erwerbsbevölkerung wächst.

Die Bruchstellen im Gefüge der Weltwirtschaft, die von der weltweiten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise offengelegt wurden, prägen die Wachstumstendenzen auch in den kommenden Jahren. Zwei negative Impulse verdienen hier besondere Beachtung: die investitionshemmende Unsicherheit im Euro-Raum und die Fragilität der Entwicklung in den Schwellenländern. Im Euro-Raum fehlt es an wirtschaftspolitischen Instrumenten, um die im Gefolge der Rezession entstandene Krise und die Divergenz der Mitgliedsländer nachhaltig zu lösen. Grundlegende Konstruktionsfehler der Währungsunion, insbesondere ein Mangel an Ausgleichs- bzw. Stabilisierungsmechanismen in der Lohn- und Fiskalpolitik, bleiben bestehen. Daher ist die Unsicherheit weiterhin hoch und die Investitionsdynamik schwach. Das Wirtschaftswachstum wird im Euro-Raum mittelfristig 1,4% p. a. betragen.

Ein weiterer negativer Impuls geht von den Schwellenländern aus. In China schwächte sich die Expansion der Sachgütererzeugung heuer empfindlich ab. Dies steht in direkter Verbindung mit den Entwicklungen seit 2007: Die Exportzuwächse, die aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise eingebrochen waren, wurden durch massive staatliche Investitionsprogramme ersetzt. Die Überproduktion wurde nun korrigiert mit entsprechend dämpfenden Effekten auf den Welthandel und die Rohstoffpreise. Da der Dienstleistungssektor in China mittlerweile eine wichtige Rolle spielt und die Behörden noch einigen Interventionsspielraum haben, wird die aktuelle Konjunkturflaute zwar rasch überwunden werden, die Trendwachstumsraten sind aber im Prognosezeitraum mit +6% p. a. geringer als in der Vergangenheit. Der Verfall der Rohstoffpreise belastet darüber hinaus die rohstoffexportierenden Länder, insbesondere Russland und Brasilien: Die Investitionsversäumnisse während der Rohstoffpreishausse ("Dutch Disease") mindern die mittelfristigen Wachstumschancen (+1,7% p. a. bzw. +1,3% p. a.). Indiens Wirtschaft als Rohstoffimporteur profitiert hingegen von der Verbilligung und kann, sofern die Zinswende in den USA nicht neuerliche Finanzmarktturbulenzen nach sich zieht, mittelfristig mit +7,2% p. a. kräftiger wachsen als Chinas Wirtschaft.

In den USA sind die Wachstumsperspektiven, gemessen an dem bereits sehr hohen Pro-Kopf-Einkommen, weltweit weiterhin am besten (+2,5% p. a.). Die Folgen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise -Schuldenüberhang im privaten Sektor, hohe Arbeitslosigkeit, geringe Kreditvergabe - wurden durch eine geschickt kombinierte Geld- und Fiskalpolitik überwunden. In den kommenden Jahren bleibt die Fiskalpolitik expansiv ausgerichtet, jedoch werden die Zinssätze entsprechend der soliden Wirtschaftslage schrittweise angehoben. Umgekehrt schränken im Euro-Raum Verschärfungen der Fiskalregeln den Spielraum der öffentlichen Hand weiter ein, die Geldpolitik bleibt aufgrund des trägen Wachstums und des geringen Preisauftriebes vorläufig locker. Ihre realwirtschaftliche Wirkung ist aber, abgesehen von der Schwächung des Euro, gering, da sie nicht durch fiskalische Impulse ergänzt wird.

Die vorliegende Prognose erstreckt sich über den Zeitraum 2016/2020 und wurde mit dem makroökonometrischen Weltmodell von Oxford Economics (Global Economic Model) erstellt. Es umfasst insgesamt 77 Länder; 47 davon werden detailliert abgebildet, darunter China, USA, die meisten EU-Länder, Indien, Japan, Russland und Brasilien.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.wifo.ac.at

 

 

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at