Belvedere: Klimt/Schiele/Kokoschka und die Frauen

 

erstellt am
22. 10. 15
09:00 MEZ

Die Ausstellung "Klimt/Schiele/Kokoschka und die Frauen" ist von 22. Oktober 2015 bis 28. Februar 2016 im Unteren Belvedere zu sehen.
Wien (belvedere - Am Anfang des 20. Jahrhunderts stellten weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen die traditionellen Geschlechterrollen infrage. Das relativ freimütige Bekenntnis zur sexuellen Lust auf männlicher und weiblicher Seite versetzte die österreichische Kunst des frühen 20. Jahrhunderts in Aufruhr. Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka näherten sich der damals allgemein als "Frauenfrage" bezeichneten Thematik jeweils auf eigene Art und Weise, wobei es auch zu Überschneidungen kam. Die Ausstellung "Klimt/Schiele/Kokoschka und die Frauen" die vom 22. Oktober 2015 bis zum 28. Februar 2016 im Unteren Belvedere zu sehen ist, geht diesen Unterschieden und Gemeinsamkeiten auf den Grund und liefert dabei neue Einblicke in die Geschlechterbeziehungen des frühen 20. Jahrhunderts sowie in die Ursprünge der modernen sexuellen Identität. Kuratorin Jane Kallir gliedert die Schau in vier Hauptthemen: Porträt, (Liebes-)Paar, Mutter und Kind sowie Akt.

"Das Thema Klimt/Schiele/Kokoschka und die Frauen wirft ein Licht auf beide Seiten der Wiener Gesellschaft, auch die jenseits der Salonkultur des Großbürgertums. Immer mehr bürgerliche Frauen und vor allem die Frauen des Industrieproletariats opponierten und organisierten sich in der Frauenbewegung. Ihnen lag nicht nur daran, die männlich dominierte Erziehung, die rein repräsentative Tätigkeit als Ehefrau und die sinnentleerten Konventionen zu überdenken, sie forderten ganz konkret ihre Rechte ein und insistierten auf einer Umwertung und Neuordnung der Geschlechterrollen", so Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere und des 21er Haus.

Gustav Klimts kostbare, elegante und in leuchtenden Farben ausgeführte Porträts fanden bei den Damen der Wiener Gesellschaft großen Anklang. Doch die individuelle Persönlichkeit der Dargestellten ließ der Künstler beinahe vollkommen zurücktreten. Schiele und Kokoschka kehrten diese dekorative Formel um, indem sie ihre Modelle in eine bildnerische Leere stießen. Damit erzwangen sie eine Konfrontation mit existenziellen Ängsten, die hinter Klimts "Horror Vacui" verborgen geblieben war.

"Gustav Klimts Prägung als Mensch und als Künstler liegt in diesem Zeitgeist begründet. Klimt bewegte sich inmitten dieser Sphäre und reagierte mit seiner Kunst vor allem auf die allgegenwärtige Diskussion über das ‚Rätsel Frau‘, das er ab etwa 1900 zum Fixpunkt seines Schaffens machte. Seine Kunst konzentrierte sich fortan gänzlich auf das weibliche Geschlecht, allerdings auf unterschiedliche Weisen", so Alfred Weidinger, Kurator und Vizedirektor des Belvedere.

Während Klimt in seinen Liebespaardarstellungen den Inhalt auf eine allegorische Ebene hob, ließen die beiden Expressionisten persönliche Erfahrungen in ihr Schaffen mit einfließen. Tatsächlich sind Evokationen glücklos verlaufender Beziehungen bei Schiele und Kokoschka oft emotional überzeugender als ihre Darstellungen idealisierter, glücklicher Liebender. Da Mann und Frau damals als Gegensatz verstanden wurden, konnte keine reibungslose Vereinigung der beiden stattfinden.

"Das intellektuelle Wien des Fin de Siècle war von der weiblichen Sexualität geradezu besessen. Diese Obsession spiegelte sich auch im Werk so unterschiedlicher Persönlichkeiten wie Sigmund Freud und Gustav Klimt, Otto Weininger und Oskar Kokoschka, Arthur Schnitzler und Egon Schiele wider. Vor allem Schieles Darstellungen von Frauen waren es aber, die als besonders anstößig erachtet wurden", beschreibt die New Yorker Galeristin und Kuratorin Jane Kallir die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen.

Bei den weiblichen Aktdarstellungen der westlichen Kunst bestand das Ziel traditionell darin, die der Frau innewohnende Erotik durch einen Prozess der Ordnung und der Idealisierung zu unterdrücken. Die Akte von Schiele und Kokoschka, aber auch jene von Klimt verschleiern eine unterschwellige männliche Angst. Man kann Klimt, Schiele und Kokoschka sicherlich nicht als Feministen bezeichnen, nichtsdestotrotz griffen sie die sogenannten "Frauenfrage" in ihrer künstlerischen Arbeit auf.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.belvedere.at

 

 

 

 

 

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