Bregenz: Ein Zeichen für den Widerstand

 

erstellt am
16. 11. 15
11:00 MEZ

Denkmal für Wehrmachtsdeserteure in eröffnet
Bregenz (vlk) – Landtagspräsident Harald Sonderegger und Landesrat Johannes Rauch haben am 14.11. am Bregenzer Sparkassenplatz in Anwesenheit der Philosophin Ágnes Heller feierlich das Widerstandsmahnmal enthüllt. Sonderegger und Rauch erinnerten daran, wie wichtig es ist, gegen den Verlust demokratischer Grundwerte aufzubegehren – gestern wie heute. Das Mahnmal hat die 1984 in Klagenfurt geborene Künstlerin Nataša Sien?nik gestaltet.

Das aus Mitteln des Landes Vorarlberg, der Landeshauptstadt Bregenz und des Vorarlberger Gemeindeverbandes realisierte Widerstandsmahnmal soll an alle Vorarlbergerinnen und Vorarlberger erinnern, die dem nationalsozialistischen Unrechtsregime den Gehorsam verweigert oder aufgekündigt haben, im Besonderen an Wehrdienstverweigerer und Deserteure, an die im Widerstand Kämpfenden und an Bürgerinnen und Bürger, die gegenüber Verfolgten und Misshandelten trotz Verbots Menschlichkeit geübt haben.

"Die kärntner-slowenische Künstlerin Sien?nik hat ein Widerstandsdenkmal geschaffen, das nicht nur äußerst gelungen und eindrucksvoll an die Vorarlberger Opfer des nationalsozialistischen Unrechtssystems erinnert, sondern auch durch seine Präsenz im öffentlichen Raum einen Anstoß zum Nachdenken und Gedenken gibt", sagte LTP Sonderegger. Die Installation besteht aus einer Reihe von Fallblattanzeigen und zeigt die Namen und Geschichten jener Vorarlbergerinnen und Vorarlberger, die während der nationalsozialistischen Diktatur verfolgt wurden oder Widerstand geleistet haben. Die Installation erinnert dabei an alte Abfahrtstafeln an Bahnhöfen.
Mehr zur Künstlerin unter http://www.natasasiencnik.com

Landesrat Rauch erinnerte in seiner Rede daran, dass die Bregenzer Grünen und die Johann-August-Malin-Gesellschaft bereits 2011 im Rahmen einer Pressekonferenz die Errichtung eines Denkmals für die Vorarlberger Wehrmachtsdeserteure und Wehrdienstverweigerer gefordert haben. "Ich möchte mich bei all jenen bedanken, die sich vehement und trotz zum Teil heftigem Gegenwind für die Umsetzung dieses Mahnmals in Bregenz stark gemacht haben. Österreich hinkte lange hinterher, was seine Auseinandersetzung mit seiner Rolle im Nationalsozialismus und ganz besonders mit seinem Umgang mit Wehrdienstverweigerern und Deserteuren betrifft. Umso konsequenter müssen wir uns heute mit dem Thema befassen", so Rauch.

Der Landesrat erinnerte an die rund 30 000 Todesurteile, die die Militärjustiz, die meisten gegen Deserteure und sogenannte Wehrkraftzersetzer, fällte: "Das ehrende Gedächtnis gilt nicht länger jener großen Mehrheit von Österreichern, die in der Wehrmacht 'ihre Pflicht taten' – Kurt Waldheim, ein Aufklärer wider Willen – und sich am völkerrechtswidrigen Angriffs- und Vernichtungskrieg in Ost- und Südosteuropa beteiligt haben. Die ehrenvolle Erinnerung wird heute jener kleinen Minderheit von Österreichern zuteil, die sich diesem Dienst entzogen hat, aus welchen Motiven bzw. Gründen auch immer."

Als Festrednerin konnte die Philosophin Ágnes Heller gewonnen werden. Heller, geboren 1929 in Budapest, ist Überlebende des Holocaust. Sie sprach über das große Risiko für Soldaten, die nicht weitermachen wollten: "Man sagte ihnen, dass es nicht die Aufgabe der Soldaten sei zu entscheiden, ob ein Krieg gerecht oder ungerecht ist. Und doch haben sie einen Entschluss gefasst. Ihre Liebe galt der Wahl, der Freiheit der Wahl."

An diese Freiheit der Wahl müsse man sich auch heute stetig ermahnen. Die Auseinandersetzung mit den Tätern des Nationalsozialismus zeige, zu welchen Verbrechen Menschen fähig waren und noch immer sind, betonte Landtagspräsident Sonderegger: "Akte wider die Menschlichkeit sind leider auch heute, 70 Jahre später, möglich und dürfen nicht ausgeblendet werden." Landesrat Rauch warnte vor Verführungsversuchen von rechts und erinnerte an Hakenkreuz-Schmierereien, Brandsätze auf Asylheime und Flüchtlingszentren und verhetzende Internet-Postings: "In Zeiten krisenhafter Entwicklungen ist es umso wichtiger klar Position zu beziehen und sich einzusetzen für Menschenrechte, Humanismus und Demokratie."

Landtagspräsident Sonderegger sieht in dem Widerstandsmahnmal eine Chance für die politische Bildungs- und Vermittlungsarbeit sowie eine Chance für die Wissenschaft: "Wenn es erst einmal gelungen ist, die Menschen für ein Thema zu sensibilisieren, dann bietet sich Fachleuten die Möglichkeit, ihr Wissen weiterzugeben. Solche Gelegenheiten sollten genutzt werden. Der Vorarlberger Landtag ist bemüht, politische Bildungsarbeit zu fördern, wann immer es geht. Historische Themen können nicht ausgeklammert werden, denn unser aller Weg in die Zukunft führt über die Geschichte. Dieses tiefere Wissen um die eigene Identität im historischen Kontext ist auch eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen offenen und angstfreien Umgang mit dem Fremden. Nur wer zu wenig über sich selbst weiß, empfindet das Fremde, und vielfach eben auch das längst Vergangene als etwas Bedrohliches."

Eingebettet ist die Enthüllung des Denkmals in Bregenz in ein thematisch vielfältiges Begleitprogramm, welches an unterschiedlichen Orten in ganz Vorarlberg stattfinden wird. Die von Thomas Geldmacher kuratierten Rahmenveranstaltungen spannen einen Bogen rund um die Thematik des Widerstandes und der Desertion.

 

 

 

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