Besuch am Bosporus eröffnet der
 Ökumene neue Horizonte

 

erstellt am
22. 12. 15
11:00 MEZ

Eisenstädter Bischof folgt persönlicher Einladung Bartholomaios I.’ nach Istanbul und trifft den Patriarchen zu intensiven Gesprächen
Konstantinopel (Istanbul)/Eisenstadt (martinus) – Nachdem der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., im November 2014 mit der Diözese Eisenstadt das Martinsfest gefeiert hatte, erfolgte nun der Gegenbesuch des Eisenstädter Bischofs im Phanar, dem Amtssitz des Patriarchen und Ehrenoberhaupts von 300 Millionen orthodoxen Christen. In Begleitung des Metropoliten von Austria und Exarchen von Ungarn und Mitteleuropa, Erzbischof Arsenios Kardamakis, besuchte Bischof Ägidius Zsifkovics in Istanbul bedeutende Stätten des Christentums und führte mit dem Ökumenischen Patriarchen intensive Gespräche über Themen, die ganz Europa und beide Kirchen auf ihrem Weg der Annäherung bewegen. Dass die Begegnung beinahe auf den Tag genau 50 Jahre nach Aufhebung des gegenseitigen, fast 1000 Jahre dauernden Kirchenbannes zwischen katholischer und orthodoxer Kirche stattfand, gab dem Treffen eine bemerkenswerte Note. Nach Papst Franziskus und dem "Ökumeneminister" des Vatikans, Kardinal Kurt Koch, zählt damit auch Bischof Ägidius Zsifkovics zu den ranghöchsten katholischen Würdenträgern, die in den vergangenen Monaten persönliche Gäste des weltweiten Oberhauptes der Orthodoxen Kirche waren.

Geheimnisvolles Päckchen vom Berg Athos
Das erste einer ganzen Reihe von Treffen fand im Phanar, dem historischen Amtssitz des Patriarchen statt. Kaum hatte man das Gespräch begonnen, sorgte ein per Post überbrachtes Paket für eine Überraschung. "Das kommt im richtigen Moment", so der Patriarch, der das Packpapier gekonnt entfernte und eine Ikone des heiligen Ägidius vom Berg Athos zum Vorschein brachte. Patriarch Bartholomaios I. überreichte die Kostbarkeit dem Bischof als Zeichen seiner besonderen Wertschätzung. Bischof Zsifkovics hatte seinerseits dem Patriarchen Nahrung für Leib, Seele und Geist mitgebracht, neben burgenländischen Spezialitäten unter anderem sein neues Buch "Von A bis Z" sowie das Burgenländische Jahrbuch, in denen Bartholomaios I. interessiert schmökerte.

Metropolit Arsenios: "Mit Ökumene Weg und Willen des Herrn verwirklichen"
Die Reise des Eisenstädter Bischofs folgte in Inhalt und Verlauf ganz dem pragmatischen Ansatz, den er schon bisher mit seinem Mitbruder Metropolit Arsenios pflegte: Nicht auf die Theologen warten, sondern auf Tuchfühlung gehen und, wie Papst Franziskus sagt, "zusammen vorangehen, füreinander beten und miteinander Werke der Barmherzigkeit tun". Der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich ist aus demselben Holz geschnitzt: "Wenn Ökumene bedeutet, dass wir Christen in unseren Herzen alles tun müssen, um der Einheit wieder fähig und würdig zu werden", so Metropolit Arsenios, "dann ist gerade sie der Boden, auf dem der Weg und der Wille des Herrn verwirklicht werden. Außerdem können wir uns den Luxus der Trennung nicht länger leisten!" Gedanken, die am nächsten Tag beim Besuch beider Bischöfe am Grab von Patriarch Athenagoras im Kloster Balikli in die Gebete eingeflossen sein könnten. Athenagoras I. und Papst Paul VI. hatten 1965 in Jerusalem den gegenseitigen Kirchenbann für aufgehoben erklärt.

Orthodoxes Kloster: Patriarch reiht sich mit großzügiger Spende in Riege der Gründerpersönlichkeiten ein
"Ich freue mich, dass die Ökumene gerade in Österreich so konkrete und große Schritte nach vorne macht", zeigte sich Patriarch Bartholomaios I. erfreut über die Freundschaft und die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die zwischen dem Eisenstädter Bischof und dem Metropoliten von Austria bestehen. Ausdrücklich dankte der Patriarch nochmals der Diözese Eisenstadt und ihrem Bischof für das Grundstück zur Errichtung des 1. Orthodoxen Klosters in Österreich. "Ihre bedingungslose Großzügigkeit, die von Anfang an frei war von kirchenpolitischem Kalkül und das Wohl der orthodoxen Christen im Sinn hatte, sucht ihresgleichen. Sie haben gegeben, ohne zu verlangen. Ich kann Sie umgekehrt nur unserer Liebe und unserer tiefen ökumenischen Verbundenheit versichern. Nur ein Weg der Liebe, ohne Hintergedanken und Berechnung, ist in der Ökumene der Weg der Zukunft. Diesen wollen wir weiterhin gemeinsam beschreiten – auch wenn es innerhalb der Orthodoxie Ressentiments dagegen gibt", so der Ökumenische Patriarch wörtlich zu Bischof Zsifkovics, bevor er sich mit einer großzügigen Spende für den Bau des neuen Klosters in die Riege der Gründerpersönlichkeiten des 1. Orthodoxen Klosters in Österreich einreihte. Zugleich überreichte er Pater Paisios Jung, der dem neuen Kloster vorstehen wird, die Mandias, das liturgische Kleidungsstück, das in der Orthodoxen Kirche die kirchliche Würde von Äbten und Bischöfen symbolisiert. Abt Paisios nahm die Gabe aus den Händen des Ökumenischen Patriarchen mit großer Freude und Rührung entgegen.

Als Europa- und Flüchtlings-Bischof den Finger am unruhigen Puls des Bosporus
Unter den zahlreichen Themen, die bei den Arbeitstreffen in Istanbul erörtert wurden, befand sich immer wieder die Situation des Christentums in Europa. Das Thema Religionsfreiheit stellt gerade im Dialog zwischen EU und der Türkei ein Dauerthema dar und "wird auch bei den kürzlich wiederaufgenommenen Beitrittsgesprächen eine zentrale Rolle spielen müssen", so Europabischof Zsifkovics. Gleichzeitig tauschten Patriarch und Bischof sich darüber aus, welche Herausforderungen sich katholischen wie orthodoxen Bischöfen entlang der Migrationsrouten stellen und wie auch hier ein ökumenischer Lösungsansatz aussehen könnte – ein Thema, dem sich Bischof Zsifkovics mit einer im Februar 2016 in Österreich einberufenen Konferenz internationaler Bischöfe stellen will.

Konstantinopel und die Kirche des Ostens
Seit mehr als 17 Jahrhunderten ist Konstantinopel (Istanbul) der Sitz des Ökumenischen Patriarchates und des Oberhauptes der vom Apostel Andreas gegründeten "Kirche von Konstantinopel". Der Apostel Andreas und der Apostel Petrus waren leibliche Brüder, die von ihnen begründeten Traditionen waren bis zur historischen Kirchenspaltung (Schisma) im Jahr 1054 Teil einer gemeinsamen christlichen Kirche.

Vor 50 Jahren, am 7. Dezember 1965, haben der damalige orthodoxe Patriarch von Konstantinopel, Athenagoras I., und Papst Paul VI. die bei der Kirchentrennung von 1054 ausgesprochene gegenseitige Verdammung für unwirksam erklärt. In einem gemeinsamen Papier hielten sie fest, dass sie die rund 900 Jahre zuvor verkündeten Exkommunikationen, "deren Erinnerung einer Annäherung in der Liebe bis heute hindernd im Wege steht, bedauern, aus dem Gedächtnis und der Mitte der Kirche tilgen und dem Vergessen anheimfallen lassen". Der Schritt, der mit dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965 zusammenfiel, gilt als ökumenischer Meilenstein.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.martinus.at

 

 

 

 

 

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