Schwerfälliger Stromfluss könnte Weg zu
 energiesparenden Computern weisen

 

erstellt am
27. 01. 16
11:00 MEZ

Villigen (idw) - Computer und andere elektronische Geräte haben heute einen beträchtlichen Anteil am weltweiten Energieverbrauch. Mit den heute genutzten Technologien lässt sich dieser Verbrauch aber kaum senken, sodass die Chips in den energiesparenden Geräten der Zukunft aus neuartigen Materialien bestehen werden. Neueste Forschungsergebnisse aus dem Paul Scherrer Institut PSI geben Hinweise darauf, wie man zu solchen Materialien kommen könnte.

Dafür haben Forschende ein Material untersucht, das an sich bereits die nötigen Merkmale hat: Es ist magnetisch und kann elektrischen Strom ganz ohne Widerstand leiten. Der Nachteil: Es hat diese Eigenschaften nur bei sehr tiefen Temperaturen, bei denen man keine Computer betreiben könnte. Bei realistischen Temperaturen dagegen fliesst der Strom in dem Material ausgesprochen schwerfällig. Mit Hilfe von Experimenten an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts konnten die Forschenden die Ursachen für den erschwerten Stromfluss bestimmen. Diese Ergebnisse dürften nun helfen, gezielt neue Materialien zu entwickeln, die auch bei höheren Temperaturen die besonderen Eigenschaften behielten und so in zukünftigen Computern zum Einsatz kommen könnten. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forschenden im Fachjournal Nature Communications.

Den Energieverbrauch elektronischer Geräte zu reduzieren ist eine der wesentlichen Herausforderungen bei der Entwicklung der Elektronik der Zukunft. So verbrauchen zum Beispiel die riesigen Rechenzentren, die hinter Internet-Suchmaschinen oder sozialen Medien stehen, so viel Energie wie eine Grossstadt. Energiesparende Computer setzen aber eine fundamentale Wende voraus: neuartige Materialien werden die Halbleiter ersetzen müssen, die in den vergangenen Jahrzenten die Grundlage aller elektronischen Geräte bilden – vom frühen Transistorradio bis zum Smartphone. „Zu den besonders vielversprechenden Kandidaten gehören die Oxide – komplexe Verbindungen von Metallen mit Sauerstoff“, erklärt Vladimir Strocov, leitender Wissenschaftler am Paul Scherrer Institut PSI. „So könnten elektronische Bauelemente aus bestimmten Oxiden die Funktion der heutigen Transistoren übernehmen und würden dabei nur einen kleinen Bruchteil der Energie verbrauchen.“ Transistoren sind auf heutigen Mikrochips milliardenfach vertreten und verantworten einen grossen Teil des Energieverbrauchs der Chips.

Materialverzerrung sorgt für trägen – oder ungehinderten – Stromfluss
Strocovs Forschungsteam hat nun gemeinsam mit Kollegen der ETH Zürich und des japanischen Forschungsinstituts RIKEN ein Material untersucht, das eigentlich die nötigen Eigenschaften für den Einsatz in diesen Bauteilen mitbringt: Es ist magnetisch und supraleitend, kann also elektrischen Strom ganz ohne Widerstand leiten. Der Nachteil: Es hat diese Eigenschaften nur bei sehr tiefen Temperaturen, bei denen sich kein Computer betreiben lässt. Erhöht man die Temperatur, wird der Stromfluss in dem Material hingegen ausgesprochen schwerfällig. Wie sie in einer Studie im Fachjournal Nature Communications berichten, konnten die Forschenden nun die Ursachen für den erschwerten Stromfluss bestimmen. „Für diesen ist offenbar dasselbe Phänomen verantwortlich, das bei tiefen Temperaturen den Strom ungehindert fliessen lässt“, erklärt Strocov. „Unsere Ergebnisse könnten daher helfen, gezielt neue Materialien zu entwickeln, die auch noch bei höheren Temperaturen für die neuartigen Bauteile geeignet wären und so in zukünftigen Computern zum Einsatz kommen könnten.“

Wenn durch ein Material ein elektrischer Strom fliesst, bedeutet das, dass sich Elektronen durch dieses Material bewegen. Das Gerüst solcher Materialien bilden regelmässig angeordnete, wenig bewegliche Ionen. „Die Elektronen, die im Material fliessen, ziehen die Ionen zu sich und verzerren so das Gerüst“, erklärt Claudia Cancellieri, die als PSI-Wissenschaftlerin an der Studie beteiligt war, jedoch mittlerweile an der EMPA tätig ist. „Diese Ionen ziehen dann wiederum die Elektronen an und bremsen sie auf diese Weise aus.“ Offenbar lässt die gleiche Verzerrung das Material aber bei tiefen Temperaturen supraleitend werden. „In einem Supraleiter finden Elektronen zu Paaren zusammen und können sich dann gemeinsam ungehindert durch das Material bewegen. Bei tiefen Temperaturen sorgt die Verzerrung des Materialgerüsts dafür, dass sich die Elektronen paarweise verbinden“, so Cancellieri. Mit diesem Wissen könnten Forschende ähnliche Materialien gezielt so verändern, dass sie auch bei höheren Temperaturen supraleitend bleiben. Ein Ansatz ist dabei, mithilfe spezieller nanotechnolgischer Verfahren einzelne Sauerstoffatome in dem Material durch Atome eines anderen Elements zu ersetzen, die zusätzliche Elektronen mitbringen.

Strom tief im Material beobachtet
Das Material, das die Forschenden in ihren Experimenten untersucht haben, ist nicht ein einzelnes Oxid, sondern die Kombination von den zwei Oxiden mit den chemischen Formeln LaAlO3 und SrTiO3. Dabei leiten die beiden Oxide einzeln keinen Strom, fügt man sie aber zusammen, kann entlang der Grenzfläche Strom fliessen. Allgemein kann die Verbindung von zwei Oxiden neuartige Eigenschaften haben, die in zukünftigen Geräten nützlich sein könnten. Den Stromfluss an der Grenzfläche zwischen den Materialien haben die Forschenden mit hochenergetischem Synchrotronlicht an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts gemessen. Der hiesige Messplatz „ADRESS“ ist weltweit führend, wenn es um solche heraufordernden Experimente geht.


Über das PSI
Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 1900 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 380 Mio.

 

 

 

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