EU-Außenpolitik 2016 im Zeichen der Flüchtlingskrise

 

erstellt am
04. 02. 16
11:00 MEZ

Jahresvorschau informiert über die außenpolitischen Prioritäten der EU
Wien (pk) - Die aktuelle Flüchtlingskrise findet auch ihren Niederschlag im Bericht von Bundesminister Sebastian Kurz über die Jahresvorschau der Europäischen Union im Bereich Außenpolitik (III-241 d.B.), der nun dem Parlament vorliegt. Das Papier unterstreicht vor allem die Notwendigkeit der europäischen Zusammenarbeit bei der Bewältigung des Migrationsdrucks, kündigt aber auch Strategien für die Herkunftsländer zur Eindämmung der Flüchtlingsströme und zur Rückübernahme an. Unverändert prioritär auf der Agenda der EU bleiben daneben die Themen Erweiterung und Nachbarschaftspolitik.

EU sucht Kooperation mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge
Die Bewältigung der Flüchtlingskrise und des Migrationsdrucks an den EU-Außengrenzen zählt im Bereich des Auswärtigen Handelns zu den wichtigsten Herausforderungen im Jahr 2016, stellt der Bericht klar und erinnert an die Europäische Agenda für Migration und die darauf aufbauenden Umsetzungspakete. In diesem Zusammenhang plant die Union auch eine verstärkte Fortsetzung der Aktivitäten, die auf den gezielten Ausbau der Kooperation mit den wesentlichen Herkunfts- und Transitländern der Migrations- und Flüchtlingsströme ausgerichtet sind. Zentrale Punkte bilden dabei humanitäre Hilfe, der Aufbau von tragfähigen Schutzkapazitäten, aber auch die Bekämpfung der Ursachen der Flüchtlingsströme sowie ein wirksames Instrumentarium gegen Schlepperei und Menschenhandel. Nicht ausgespart wird überdies die Sicherung der EU-Außengrenzen. So soll Frontex zu einer "European Border and Coast Agency" weiterentwickelt werden. Geplant sind auch Schritte zu einem von den Mitgliedstaaten und der EU geteilten Management des Außengrenzschutzes.

Schwerpunkt Rückübernahmeabkommen
Besonderes Augenmerk will die Union auch der Rückkehr und Reintegration von Flüchtlingen widmen. Im Visier steht dabei die effektive Umsetzung der insgesamt 17 in Kraft befindlichen Rückübernahmeabkommen (u.a. mit Pakistan und der Türkei) ebenso wie Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen mit Marokko, Tunesien, Jordanien und dem Libanon. Grundlage dafür sind zum Teil bereits bestehende Mobilitätspartnerschaften sowie Verhandlungen über Visaerleichterungen. Offene Verhandlungsmandate für Rückübernahmeabkommen gibt es zudem mit Algerien, China und Belarus, mit Nigeria und Äthiopien wiederum befindet sich Europa in einem so genannten Rückübernahmedialog. Die EU geht jedenfalls davon aus, dass die Rückübernahme eigener Staatsangehöriger eine völkerrechtliche Verpflichtung darstellt, merkt der Bericht zu diesem Thema an.

Einbindung der Türkei zur Lösung der Flüchtlingsproblematik
Zur Eindämmung irregulärer Migration sucht die Union verstärkte Zusammenarbeit mit der Türkei und will im Gegenzug Unterstützung für syrische und irakische Flüchtlinge in der Türkei leisten. Konkrete Maßnahmen umfassen dabei die Forcierung der Überwachungskapazitäten der türkischen Küstenwache sowie die engere Kooperation mit EU-Mitgliedstaaten und Frontex, aber auch schnellere Verfahren zur Rückübernahme nicht schutzbedürftiger Flüchtlinge und die Sicherstellung verpflichtender Registrierung der MigrantInnen. Zur Finanzierung des diesbezüglichen Aktionsplans sollen seitens der EU insgesamt 3 Mrd. € für die Jahre 2016 und 2017 aufgebracht werden, wobei die Umsetzung durch die Türkei einem laufenden Monitoring unterzogen wird. Aus österreichischer Sicht ist die Kontrolle der Umsetzung wesentlich. Der Aktionsplan dürfe nicht dazu führen, dass sich die EU in Abhängigkeit begibt. Der Aktionsplan entbinde keinen EU-Mitgliedstaat von seinen Pflichten, insbesondere nicht vom Schutz der EU-Außengrenzen, heißt es dazu im Bericht.

Österreich setzt auf europäische Perspektive für Westbalkan
Unverändert aktuell bleibt für die Union der Erweiterungsprozess um die Länder des Westbalkans, der auch von Österreich ausdrücklich unterstützt wird. Die Erfahrung zeige, dass die europäische Perspektive nach wie vor der wichtigste Motor für die Stabilisierung und Entwicklung in dieser Region darstellt. Aufgrund der geografischen Nähe, der Herausforderungen durch die Migration, der engen wirtschaftlichen Verflechtung und historischen Verbundenheit sei der Westbalkan für Österreich von besonderer Bedeutung und stelle deshalb auch 2016 eine außen- und europapolitische Priorität der Bundesregierung dar, bekräftigt der Bericht. Konkret verfolgt die Union die Politik der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, dies etwa mit Mazedonien, Albanien und Bosnien-Herzegowina, während bei den bereits aufgenommenen Beitrittsverhandlungen mit Montenegro und Serbien für 2016 die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel vorgesehen ist.

Erweiterungsprozess: Türkei bleibt "Sonderfall"
Als "Sonderfall" bezeichnet der Bericht einmal mehr die Türkei. Hier sollen bereits im Frühjahr 2016 neue Screening-Berichte zu weiteren Verhandlungskapiteln vorgelegt werden. Die Wiederbelebung des Beitrittsprozesses ist jedenfalls einer der Punkte der gemeinsamen Gipfelerklärung vom 29. November 2015 anlässlich des Aktionsplanes EU-Türkei zur Lösung der Migrationskrise. Österreich setzt sich für eine maßgeschneiderte Partnerschaft mit der Türkei ein, unterstreicht der Bericht in diesem Zusammenhang. Einem darüber hinausgehenden Verhandlungsergebnis könne nur mit Einbindung der österreichischen Bevölkerung zugestimmt werden, die dabei in einer Volksabstimmung das letzte Wort hat, heißt es weiter.

Russland-Sanktionen: EU pocht auf Umsetzung der Minsker Vereinbarungen
Was die Beziehungen mit Russland im Lichte des Ukraine-Konflikts betrifft, hält der Bericht fest, dass die Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk vorrangiges Ziel der Union bleibt. Brüssel werde sich für eine nachhaltige politische Lösung der Krise auf Basis der Achtung der Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Ukraine einsetzen. Für Sommer 2016 ist eine neuerliche Überprüfung des Sanktionen-Regimes vorgesehen. Sollten bis dahin Fortschritte erzielt werden, könnte innerhalb der EU über eine teilweise Aufhebung beraten werden. Die Sanktionen im Zusammenhang mit der Annexion der Halbinsel Krim werden allerdings aufgrund der Nichtanerkennungspolitik der EU voraussichtlich noch länger Bestand haben, bremst der Bericht allzu optimistische Erwartungen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
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