Erstes Wasserstoff-Plasma in Wendelstein 7-X

 

erstellt am
04. 02. 16
11:00 MEZ

Jülicher Fusionsforscher entwickeln Diagnostiken und Simulationsmethoden
Greifswald/Jülich (fz) - In einem Festakt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel heute das erste Wasserstoff-Plasma an Wendelstein 7-X eingeschaltet. Damit startet zehn Jahre nach dem Beginn der Montage der wissenschaftliche Experimentier­betrieb an der weltweit größten Fusionsanlage vom Typ Stellarator, die am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald steht. Das Forschungszentrum Jülich – von Beginn an maßgeblich an dem Projekt beteiligt – setzt nun seine wissenschaftliche Arbeit mit der Erforschung der Plasma-Wand-Wechselwirkung fort.

Um Energie aus Fusion zu gewinnen, benötigt man ein 100 Millionen Grad heißes Plasma. Starke Magnetfelder sollen die Gefäßwände der Fusionsanlage vor direktem Kontakt mit dem heißen Plasma schützen, doch ganz sind Wechselwirkungen nicht vermeidbar. Energiereiche Teilchen können dem magnetischen Einschluss entkommen und auf die umgebenden Wände des Reaktors prallen. Die hohen Ionen- und Elektronen-Flüsse können nicht nur zu starker Wärmebelastung führen, sondern auch zu einer deutlichen Erosion der Reaktorwand. Es ist deshalb essenziell für den erfolgreichen Betrieb künftiger Fusionsanlagen, genau zu verstehen, wie das Plasma mit der Wand interagiert.
Supraleitender "Kabelbaum"

Die Wissenschaftler des Jülicher Instituts für Energie- und Klimaforschung, Bereich Plasmaphysik (IEK-4) waren schon am Bau von Wendelstein 7-X wesentlich beteiligt. Mit jahrzehntelangen Erfahrungen aus dem eigenen Fusionsexperiment TEXTOR (Tokamak EXperiment for Technology Oriented Research) entwickelten sie ein System von elektrischen Versorgungsleitungen. Insgesamt 140 supraleitende elektrische Verbindungelemente – sogenannte Bus Bars – leiten widerstandslos Strom und versorgen die komplex geformten Spulen der Fusionsanlage, die das schützende Magnetfeld erzeugen. Die speziellen Stromkabel transportieren bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt bis zu 20.000 Ampere, und halten dauerhaft Spannungen von bis zu 13.000 Volt aus. Das Bussystem wurde in einer speziell dafür gebauten rechnergesteuerten Produktionsstraße hergestellt, und an einem Teilmodell von Wendelstein 7-X unter realistischen Bedingungen getestet.
Spektroskopie und Simulationen

Seit dreißig Jahren beschäftigen sich Jülicher Plasmaforscher mit der sogenannten Plasma-Wand-Wechselwirkung. Für die Untersuchung der zugrunde liegenden Physik entwickelten sie eine Reihe spezieller Systeme zur Spektroskopie und Mikrowellenmessung. Laserinduzierte Ablations-spektroskopie nennt sich eine Messmethode mit der die Gefäßwand der Anlage während des laufenden Betriebs untersucht wird. Dabei wird mithilfe eines Lasers an einer kleinen Stelle Material abgetragen – nur einige hundert Atome – und zum Leuchten gebracht. Dieses Licht wird gemessen und verrät damit die Eigenschaften des Wandmaterials.

Dieses und andere Messverfahren wurde von den Jülicher Plasmaforschern bereits an anderen Fusionsexperimenten – unter anderem an TEXTOR und der Tokamak-Versuchsanlage JET (Joint European Torus) im britischen Culham – erprobt und verfeinert. An Wendelstein 7-X finden seit Dezember letzten Jahres Experimente mit dem leichter zu erzeugenden Heliumplasma statt. In diesen wurden Jülicher Messsysteme getestet, die jetzt für das Wasserstoffplasma eingesetzt werden.

Um zuverlässige Berechnungen und Vorhersagen möglich zu machen, ist zusätzlich eine genaue theoretische Beschreibung des Systems aus Plasma und Reaktorwand nötig. Dies ist ein wesentliches Ziel der theoretischen Fusionsphysik, dem sich die Jülicher Forscher durch rechnergestützte Simulationen des Plasmas annähern. Dazu werden unter anderem einzelne Teilchenbahnen betrachtet, und deren Eigenschaften statistisch gemittelt. Dieses Verfahren wird mit speziell dafür geschriebenen Computercodes realisiert, deren erste Versionen bereits in den achtziger Jahren von Spezialisten des IEK-4 entwickelt wurden.

Wendelstein 7-X ist nicht darauf angelegt, Energie zu gewinnen. Dieses wird erst ein für Mitte des Jahrhunderts gemeinsam mit den europäischen Partnern angestrebter Testreaktor erfüllen. Ziel der Forscher ist zunächst, die Dauer der Plasmaentladungen zu verlängern und – eine Spezialität des Stellarators – möglichst kontinuierlich aufrechtzuerhalten.

 

 

 

Weitere Informationen zum Forschungzentrum Wendelstein finden Sie hier >

 

 

 

 

 

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