Anzeichen für eine Abschwächung der
 Konjunktur in Österreich mehren sich

 

erstellt am
10. 03. 16
11:00 MEZ

Wien (wifo) - Die Eintrübung des internationalen Umfeldes dämpft die Konjunktur in Österreich, die Entwicklung der Ausfuhr verlor im IV. Quartal 2015 an Kraft. Hingegen blieb die Investitionsbereitschaft der Unternehmen robust. Die Ausgaben für die Grundversorgung der Flüchtlinge schlugen sich in einer Zunahme der Konsumausgaben nieder. Der WIFO-Konjunkturtest zeigt eine Verschlechterung der Unternehmens- einschätzungen. Daher dürfte die Wirtschaftsleistung auch in den nächsten Monaten nur verhalten zunehmen.

In Österreich hält die träge, aber kontinuierliche Aufwärtstendenz der Konjunktur bislang an. Das Bruttoinlandsprodukt nahm im IV. Quartal 2015 mit +0,3% gegenüber dem Vorquartal gleich stark zu wie in den zwei Quartalen davor. Die Anzeichen für eine Abschwächung mehren sich allerdings.

Die Expansion der Weltwirtschaft verlor gegen Ende 2015 an Schwung. Insbesondere in den USA und den asiatischen Schwellenländern schwächte sich die Konjunktur ab. Dies macht sich umso stärker bemerkbar, als die Konjunktur im Euro-Raum weiterhin nicht an Kraft gewinnt und die Wirtschaft vieler exportorientierter Schwellenländer unter den niedrigen Rohstoffpreisen leidet.

Diese Entwicklungen spiegeln sich im IV. Quartal 2015 bereits in einer Verlangsamung des Wachstums der österreichischen Exporte. Die Ausfuhr in die USA, mittlerweile der zweitwichtigste Handelspartner Österreichs, wurde 2015 kräftig ausgeweitet, verlor aber im Jahresverlauf deutlich an Schwung. Verhältnismäßig robust blieb dagegen das Wachstum der Exporte nach Deutschland. Trotz der Abschwächung des internationalen Umfelds hielt die Investitionsdynamik bis Jahresende an: Im IV. Quartal nahmen die Bruttoanlageinvestitionen gegenüber dem Vorquartal etwa gleich stark zu wie in den zwei Quartalen davor. Dazu trug insbesondere die Nachfrage nach Ausrüstungen und sonstigen Anlagen bei, die Bauinvestitionen stagnierten hingegen.

Die Konsumausgaben nahmen im IV. Quartal geringfügig stärker zu als in den ersten neun Monaten des Jahres, weil der Konsum der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck und des Staates durch die Ausgaben für die Grundversorgung der seit dem Sommer deutlich erhöhten Zahl von Flüchtlingen stieg. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte im engeren Sinne entwickelten sich hingegen weiterhin schwach, obwohl die Energiepreise niedrig sind und ab Anfang Jänner 2016 positive Einkommenseffekte der Steuerreform zum Tragen kamen.

Die Reiseverkehrsexporte verzeichneten im IV. Quartal einen Rückgang gegenüber dem Vorquartal, der auf den überdurchschnittlich warmen Winterbeginn und den Schneemangel in der ersten Saisonhälfte zurückzuführen war. Mit den Schneefällen im Jänner verbesserten sich die Nächtigungszahlen in den alpinen Regionen aber merklich. Bundesländer mit Tourismusangeboten abseits des Wintersports profitierten sogar vom milden Wetter in den Bergen und waren vor allem im ersten Saisondrittel relativ erfolgreich.

Die Lage auf dem österreichischen Arbeitsmarkt bleibt aufgrund der trägen Konjunktur schwierig. Zwar stieg die Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten im Februar 2016 nach vorläufiger Schätzung gegenüber dem Vorjahr deutlich, und auch die Zahl der offenen Stellen nahm merklich zu. Die Zahl der beim AMS registrierten Arbeitslosen erhöhte sich jedoch ebenso. Saisonbereinigt nahm die Arbeitslosigkeit allerdings wie schon in den Monaten davor nicht mehr zu; die Arbeitslosenquote verharrte auf 9,0%.

Im Vergleich zum Dezember zog die Inflation im Jänner wieder etwas an, die Verbraucherpreise waren um 1,2% höher als im Vorjahr. Preisdämpfend wirkte wie schon in den Vormonaten der starke Rückgang der Rohölpreise, der sich in einer Verbilligung von Heizöl und Treibstoffen niederschlug. Preistreiber waren einmal mehr Bewirtungs-und Beherbergungsdienstleistungen, Bekleidung, Versicherungsdienstleistungen und Mieten. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) lag im Jänner um 1,4% über dem Vorjahreswert.

Die Aussichten für die österreichische Wirtschaft bleiben gedämpft. Der WIFO-Konjunkturtest vom Februar 2016 zeigt eine weitere Verschlechterung der Einschätzungen der Unternehmen. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen für die kommenden Monate wurden im Februar ungünstiger beurteilt als im Vormonat und im langfristigen Durchschnitt. Beide Indizes liegen jedoch weiterhin im positiven Bereich. Die Unternehmen beurteilen das gesamtwirtschaftliche Umfeld somit zwar weiterhin überwiegend günstig, aber nicht mehr als Normalsituation. Insbesondere in der Sachgütererzeugung macht sich die Abschwächung des internationalen Umfeldes in den Unternehmenseinschätzungen bemerkbar. Etwas besser als die Sachgütererzeugung schätzen hingegen die Bauwirtschaft und der Dienstleistungsbereich die Situation ein. Auch der WIFO-Frühindikator ging in der aktuellen Auswertung deutlicher zurück als zuvor und liegt auf einem ähnlichen Niveau wie im März 2015.



Methodische Hinweise und Kurzglossar

Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Gegensatz zu den an Eurostat gelieferten und auch von Statistik Austria veröffentlichten "saison- und arbeitstägig bereinigten Veränderungen" der vierteljährlichen BIP-Daten bereinigt das WIFO diese zusätzlich um irreguläre Schwankungen. Diese als Trend-Konjunktur-Komponente bezeichneten Werte weisen einen ruhigeren Verlauf auf und machen Veränderungen des Konjunkturverlaufes besser interpretierbar.

Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.

Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.

Wachstumsüberhang

Der Wachstumsüberhang bezeichnet den Effekt der Dynamik im unterjährigen Verlauf (in saisonbereinigten Zahlen) des vorangegangenen Jahres (t0) auf die Veränderungsrate des Folgejahres (t1). Er ist definiert als die Jahresveränderungsrate des Jahres t1, wenn das BIP im Jahr t1 auf dem Niveau des IV. Quartals des Jahres t0 (in saisonbereinigten Zahlen) bleibt.

Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.

Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.

Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.

Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität innerhalb der Euro-Zone.

Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex (VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.

WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at/ ). Die Indikatoren sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten Unternehmen.

Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis:
Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).

Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.

Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenzdiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis. Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".

 

 

 

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