Österreichs Wirtschaft überwindet Stagnation

 

erstellt am
17. 03. 16
11:00 MEZ

IHS-Prognose der österreichischen Wirtschaft 2015 - 2017
Wien (ihs) - Mit einem Wirtschaftswachstum von 0.8 % hat die Konjunktur im Jahr 2015 etwas an Fahrt gewonnen. Im nächsten Jahr sollte sich das BIP-Wachstum auf
1.6 % beschleunigen, wobei die Steuerreform den privaten Konsum stützt. Für 2017 wird ebenfalls eine Zunahme um 1.6 % erwartet. Aufgrund des starken Arbeitskräfteangebots wird die Arbeitslosenquote auf 9.5 % bzw. 9.8 % ansteigen, ausgehend von 9.1 % in diesem Jahr.

Im bisherigen Jahresverlauf hat die Konjunktur in Österreich Fahrt aufgenommen. Mit Wachstumsraten von 0.3 % gegenüber dem Vorquartal fiel die Erholung moderat aus. Im Vorjahresvergleich hat die österreichische Wirtschaft im Durchschnitt der ersten drei Quartale um 0.8 % zugelegt. Dieser Wert wird auch für den Jahresdurchschnitt 2015 erwartet. In den letzten Monaten hat sich die Investitionsnachfrage im Einklang mit der stabilen Konjunktur im Euroraum etwas belebt. Während die Ausrüstungsinvestitionen merklich zugelegt haben, blieb die Bautätigkeit weiterhin äußerst schwach. Die Vorlaufindikatoren deuten auf eine Fortsetzung des moderaten Wachstums der österreichischen Volkswirtschaft hin. Zusätzlich stützen Sonderfaktoren die Konjunktur im nächsten Jahr. Die Steuerreform sollte über die Erhöhung des verfügbaren Einkommens den privaten Konsum antreiben und auch von den defizitfinanzierten Ausgaben für die Asylwerber gehen zusätzliche Nachfrageimpulse aus. Vor diesem Hintergrund erwartet das Institut weiterhin eine Wachstumsrate der österreichischen Wirtschaft von 1.6 % im Jahr 2016. Im darauf folgenden Jahr wird ein ähnliches Wachstumstempo erwartet. Nach zwei Jahren mit einem negativen Wachstumsdifferenzial von gut einem halben Prozentpunkt sollte die Wirtschaft in Österreich 2016 und 2017 wieder so schnell wie jene des Euroraums wachsen.

Die Weltkonjunktur entwickelt sich gespalten. Während die entwickelten Volkswirtschaften auf einem moderaten Wachstumskurs sind, zeigen sich bei den Schwellenländern gröbere wirtschaftliche Probleme. Brasilien und Russland stecken in einer tiefen Rezession und in China hat sich das Wachstumstempo im Zuge der Transformation zu einer stärker konsumorientierten Volkswirtschaft spürbar verlangsamt. Primär aufgrund dieser Entwicklungen ist der Welthandel eingebrochen. Das Institut geht aber davon aus, dass sich die weltweite Handelsaktivität wieder belebt, allerdings deutlich langsamer als in der Vergangenheit. Träger des Wirtschaftswachstums sind weiterhin die Industriestaaten. So ist die US-Wirtschaft im dritten Quartal um 0.5 % gegenüber dem Vorquartal gewachsen, nach einem starken zweiten Quartal (1.0 %). Mit Wachstumsraten von 0.4 % bzw. 0.3 % entwickelte sich die Konjunktur im Euroraum in den letzten beiden Quartalen robust. Unterstützend wirkten dabei die niedrigen Ölpreise, der schwächere Euro und die expansive Geldpolitik. Ein kräftiges Wachstum verzeichneten weiterhin die früheren Krisenländer Irland und Spanien. Vergleichsweise verhalten fiel die Wirtschaftsdynamik in den großen Ländern Deutschland, Frankreich und Italien aus. Dynamisch entwickelte sich die Konjunktur in den ost- und mitteleuropäischen Mitgliedstaaten der EU und im Vereinigten Königreich. Die Frühindikatoren deuten darauf hin, dass sich der moderate Aufschwung in den Industrieländern fortsetzt. Das Institut erwartet somit das folgende internationale Konjunkturbild. Die US-Wirtschaft bleibt auf einem stabilen Wachstumspfad und wird in den Jahren 2016 und 2017 um 2.6 % bzw. 2.5 % zulegen. Für den Euroraum werden Werte von 1.6 % und 1.7 % erwartet, nach 1.4 % in diesem Jahr. In den OECD-Staaten sollte die Wirtschaftsleistung in beiden Jahren um 2.3 % steigen. Die Entwicklung in den Schwellenländern wird hingegen vergleichsweise verhalten ausfallen, wobei sich das Wachstumstempo in China bis auf 6.0 % im Jahr 2017 abschwächen dürfte.

In den letzten Jahren hat der private Konsum in Österreich nahezu stagniert. Für das heurige Jahr geht das Institut von einem Konsumwachstum von 0.4 % aus. Die Steuerreform stärkt im nächsten Jahr das verfügbare Einkommen der Haushalte. Daher wird für 2016 ein Zuwachs der privaten Konsumausgaben von 1.5 % erwartet. Ausgehend von den Erfahrungen früherer Steuerreformen wird unterstellt, dass ein Teil des zusätzlichen Einkommens in die Ersparnis fließt, sodass die Sparquote 2016 um einen Prozentpunkt auf 8.7 % ansteigt. Im Einklang mit der Einkommensentwicklung wird für 2017 ein Konsumwachstum von 1.3 % erwartet.

Das geringe Unternehmervertrauen und die Unsicherheit bezüglich der weiteren Wirtschaftsentwicklung drücken weiterhin auf die Investitionsnachfrage. Allerdings hat sich laut der Quartalsrechnung die Nachfrage nach Ausrüstungsinvestitionen im Jahresverlauf deutlich belebt, die Bauinvestitionen blieben hingegen rückläufig. Im Jahresdurchschnitt 2015 sollten die Investitionen in Ausrüstungen um 2.0 % gewachsen sein. Jene in Bauten sind hingegen das dritte Jahr in Folge geschrumpft (-1.5 %). Unter Berücksichtigung der Lagerveränderungen blieben die Bruttoinvestitionen gegenüber dem Vorjahr unverändert. Mit der weiteren Festigung der Konjunktur im Euroraum sollte sich die Investitionsdynamik im Prognosezeitraum verstärken. Für die Anlageinvestitionen wird in den nächsten beiden Jahren ein Wachstum von jeweils rund 2 % erwartet. Unterstützend wirken die günstigen Finanzierungskonditionen, der steigende Bedarf an Ersatzinvestitionen und wohl auch die Wohnbauinitiative des Bundes. Erstmals seit drei Jahren sollten sich auch die Bauinvestitionen wieder ausweiten, das Wachstum wird aber weiterhin hinter dem der Ausrüstungen zurückbleiben.

Die Ausweitung des Welthandels hat sich im Jahresverlauf verlangsamt und ist im dritten Quartal fast zum Erliegen gekommen. Die äußerst schwache Handelsintensität geht primär auf die Entwicklung in den Schwellenländern zurück. Es finden sich auch Hinweise darauf, dass das Wachstum der globalen Wertschöpfungsketten in den letzten Jahren zum Stillstand gekommen ist. In den vergangen Jahren kam es aufgrund der mittelfristig stärkeren Lohndynamik zu einer Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft gegenüber den anderen Staaten im Euroraum. Die österreichische Exportwirtschaft verzeichnete nicht zuletzt deshalb in den letzten Jahren Marktanteilsverluste. Im Jahresdurchschnitt 2015 dürften die realen Exporte um 2.0 % zugelegt haben. Besonders positiv entwickelte sich dabei der Reiseverkehr. Von der Festigung der Konjunktur im Euroraum, einer allmählich stärker werdenden internationalen Investitionsgüternachfrage sowie dem schwächeren Euro sollte die österreichische Exportwirtschaft profitieren. Vor diesem Hintergrund erwartet das Institut für die kommenden beiden Jahre Zuwächse der Warenexporte von jeweils 4.5 %. Damit bleibt der Anstieg aber hinter dem langjährigen Durchschnitt zurück. Die gesamten Exporte laut VGR legen um 4.1 % bzw. 4.3 % zu. Im ablaufenden Jahr sind die Importe laut VGR mit 1.4 % etwas langsamer als die Exporte gewachsen. Mit der verbesserten Binnennachfrage und der höheren Exportdynamik belebt sich auch die Importtätigkeit (jeweils
4.3 %). Insgesamt liefern die Nettoexporte somit einen geringen positiven Wachstumsbeitrag.

Der Verfall der Energiepreise dämpft gegenwärtig den Preisauftrieb stärker als bisher erwartet. Für den Durchschnitt dieses Jahres geht das Institut nunmehr von einer Inflationsrate von 0.9 % aus. Mit dem Wegfall des Basiseffekts bei den Energiepreisen wird die Inflation im Verlauf des nächsten Jahres aber wieder etwas anziehen. Darüber hinaus dürften von der Steuerreform in geringem Umfang preistreibende Impulse (Mehrwertsteuererhöhung) ausgehen, die auf knapp 0.2 Prozentpunkte geschätzt werden. Von der Lohnstückkostenentwicklung geht hingegen kaum Preisdruck aus, sodass für den Jahresdurchschnitt 2016 nunmehr eine Inflationsrate von 1.5 % erwartet wird. 2017 könnte sich die Inflationsdynamik leicht verstärken (1.8 %). Diese Prognose impliziert eine merkliche Verringerung des Inflationsdifferenzials zum Euroraum.

Die verhaltende Konjunktur und das steigende Arbeitskräfteangebot waren 2015 die bestimmenden Faktoren am Arbeitsmarkt. Die Zunahme der Beschäftigung (0.9 %) reichte nicht aus, um das steigende Arbeitskräfteangebot zu absorbieren. Folglich ist die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt von 8.4 % auf 9.1 % gestiegen. Mit dem Anziehen der Konjunktur beschleunigt sich zwar die Beschäftigungsnachfrage (1.1 % bzw. 1.3 %), das Arbeitskräfteangebot wird sich aber deutlich stärker ausweiten als in der September-Prognose erwartet. Der ohnehin starke Zuwachs des Arbeitskräfteangebots aus dem Ausland wird durch den aktuellen Zustrom der Asylwerber verstärkt. Zusätzlich wirken die höhere Erwerbsneigung der Frauen und der Älteren expansiv, sodass auch die Zahl der heimischen Erwerbspersonen ansteigt. Vor diesem Hintergrund erwartet das Institut eine Arbeitslosenquote laut nationaler Definition von 9.5 % bzw. 9.8 % in den kommenden beiden Jahren. Die Arbeitslosenquote laut Eurostat-Definition wird bis auf 6.0 % im Jahr 2017 klettern, ausgehend von 5.6 % im Vorjahr. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Einschätzung der Arbeitsmarktintegration der Asylwerber große Unsicherheiten bestehen. Jedenfalls ist es Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik, die Integration der Asylberechtigten zu fördern, was aber nicht zu Lasten der Bekämpfung der zunehmenden Langzeitarbeitslosigkeit gehen sollte.

Die Lage der öffentlichen Haushalte wird von der Budgetkonsolidierung, der Konjunktur und der im nächsten Jahr in Kraft tretenden Steuerreform geprägt. Zusätzlich führt der kräftige Zustrom von Asylwerbern zu höheren Ausgaben. Für das heurige Jahr wird weiterhin ein Defizit von 1.7 % erwartet. Im nächsten Jahr sollte die Defizitquote auf 2.1 % ansteigen. Neben den zusätzlichen Kosten aufgrund des starken Zustroms von Flüchtlingen ist aus Sicht des Instituts vor allem die zumindest kurzfristig nicht vollständig gegenfinanzierte Steuerreform für das höhere Defizit verantwortlich. 2017 sollte die Defizitquote wieder auf 1.7 % zurückgehen. In den Jahren 2016 und 2017 wird somit ohne zusätzliche Maßnahmen das Ziel eines strukturellen Nulldefizits nicht ganz erreicht. Die zusätzlichen Ausgaben für die Asylwerber und die nicht vollständig gegenfinanzierte Steuerreform liefern zwar kurzfristig positive Konjunkturimpulse, erhöhen aber die Staatsverschuldung. Mittelfristig sind daher verstärkte Anstrengungen notwendig, um die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist auch die Schaffung eines budgetären Spielraums für eine merkliche Senkung der gesamtwirtschaftlichen Steuerquote und insbesondere der Lohnnebenkosten erforderlich. Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität des Wirtschaftsstandorts sind essenziell. Hierzu ist eine stärkere Gewichtung der produktiven staatlichen Investitionsausgaben (etwa für Bildung, Forschung und Entwicklung, Innovationsförderung) im Budget notwendig. Weitere Reformen sind angezeigt, um Effizienzpotenziale in der öffentlichen Verwaltung zu heben. Beispielsweise sollte die aktuell laufende Neuverhandlung des Finanzausgleichs dazu genutzt werden, durch Kompetenzentflechtungen und mehr Transparenz in den Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden Einsparungen zu erzielen. Derzeit zeigen sich von den Reformen im Pensionsbereich erste positive Auswirkungen für die budgetäre Entwicklung, allerdings sind auch hier weitere Reformschritte notwendig.

Die Prognoserisiken bleiben hoch und sind vermehrt abwärts gerichtet. Das größte weltwirtschaftliche Risiko geht weiterhin von einer deutlich stärker als erwarteten Abschwächung der chinesischen Wirtschaft aus. Die erwartete Zinswende in den USA könnte Turbulenzen in den Schwellenländern auslösen. Die geopolitischen Spannungen (Ukraine, Syrien, Irak) und der globale Terrorismus halten die Unsicherheit der Wirtschaftsakteure hoch. Hinsichtlich der österreichischen Wirtschaftsentwicklung ist auch die Abschätzung der Effekte der Steuerreform mit beträchtlichen Unsicherheiten verbunden. Gegenwärtig ist das Konsumentenvertrauen sehr niedrig. Die Sparquote könnte daher stärker steigen als erwartet und damit die Konsumflaute prolongiert werden. Trotz positiver Anzeichen für eine Belebung der Investitionstätigkeit besteht immer noch das Risiko, dass das Unternehmervertrauen gering bleibt, lediglich Ersatzinvestitionen getätigt werden und die Bauinvestitionen nicht anziehen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.ihs.ac.at

 

 

 

 

 

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