"Selbstbestimmt leben! Selbstbestimmt sterben?"

 

erstellt am
25. 04. 16
11:00 MEZ

LTP Sonderegger bei Landtagsenquete: "Unterschiedliche Standpunkte zum Leben und Sterben in Würde"
Koblach/Bregenz (vlk) - "Selbstbestimmt leben! Selbstbestimmt sterben?" – diesen komplexen Zwiespalt rückte eine Enquete des Vorarlberger Landtags am 22.04. im Koblacher Gemeindezentrum DorfMitte in den Mittelpunkt. "Dieses facettenreiche Thema ist höchst sensibel und wichtig. Die durch den Fortschritt bedingten Veränderungen des Lebens und Sterbens gehen uns alle an", betonte Landtagspräsident Harald Sonderegger.

Das menschliche Leben ist ein hohes und fundamentales Gut – für den Einzelnen und für die Gemeinschaft. Doch es gibt Situationen der unheilbaren und unerträglichen Krankheit und des Schmerzes, in denen dieses Leben zur Last wird für die Person, die es leben darf bzw. muss.

Landtagspräsident Sonderegger erklärte zum Hintergrund der Enquete: Das Wissen und die Leistungen der Palliativmedizin und -pflege sowie die Erfahrungen von Hospizbewegungen und -zentren schärfen das Bewusstsein für die schwierigen Fragen, mit denen sich Menschen in solchen Lebenslagen konfrontiert sehen. Das verstärkt die öffentliche Diskussion über ein Leben bzw. Sterben in Würde und den Umgang mit dem Wunsch nach Selbstbestimmung. In dieser Diskussion können verschiedene ethische, gesellschaftliche und persönliche Standpunkte vertreten werden und sind legitim, so Sonderegger: "Die diesjährige Enquete setzt sich daher nicht zum Ziel, abschließende Antworten auf ethische Fragen zu geben oder gar Positionen in 'richtig' oder 'falsch' einzustufen. Vielmehr ist sie ein Angebot, fachliche Informationen auszutauschen und möglichst viele Aspekte dieses vielschichtigen Themas zu beleuchten."

Der Graubereich zwischen Leben und Tod konfrontiert auch die Wissenschaften mit komplexen Problemen, wie Sonderegger ausführte: "Rechtswissenschaft, Medizin, Theologie, Ethik wie auch Philosophie setzen sich in diesem Rahmen mit den Fragen auseinander, die sich für viele Menschen am Ende des Lebens stellen. Da Fragen der medizinischen Technologie in der Zukunft zunehmen werden, kommen wir nicht umhin, diese Fragen auch in einem offenen Diskurs unter Beteiligung von Experten, Ärzten, Pflegepersonal, Menschen, die täglich am Krankenbett stehen, zu diskutieren."

Drei Impulsreferate
In Impulsreferaten wurde das Thema der Landtagsenquete aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln behandelt. Gunnar Duttge von der Universität Göttingen beleuchtete die Regulierung der geschäftsmäßigen Suizidvermittlung in Deutschland mit Fokus auf Vorgeschichte, Motive und Resultat. Herbert Watzke von der Medizinischen Universität Wien rückte das Ende des Lebens in Bezug auf die Wünsche der Betroffenen, Positionen der Gesellschaft, Rechtslage und Graubereiche in den Mittelpunkt. Zuletzt referierte Angelika Feichtner von der Universität Klagenfurt über den Wunsch zu sterben und die Verantwortung der Betreuenden.

An der anschließenden Diskussion im Foyer im Koblacher Dorfzentrum nahmen u.a. Landeshauptmann Markus Wallner und weitere Mitglieder der Landesregierung teil, weiters waren die beiden Landtagsvizepräsidenten ebenso anwesend wie sämtliche Klubobleute. Moderiert wurde die Veranstaltung von Kriemhild Büchel-Kapeller und Michael Lederer vom Büro für Zukunftsfragen.

Die Erkenntnisse aus der Enquete werden in die Landtagsarbeit einfließen, so Sonderegger: "Das kann beispielsweise in konkrete Anfragen der Abgeordneten münden oder sich in neuen Konzepten wiederfinden. Als Landtagspräsident wünsche ich mir, dass die aus der Enquete gewonnenen Erkenntnisse für die Meinungsbildung genutzt werden können und uns eine Grundlage bieten, um Entscheidungen zu treffen, wenn sie von uns gefordert sind."

Zu den Referenten:
Professor Gunnar Duttge ist Direktor der Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht an der Georg-August-Universität Göttingen sowie Gründungsdirektor und Vorstandsmitglied des Zentrums für Medizinrecht. Sein Forschungsinteresse gilt u.a. den Grundrechten der Verfassung insbesondere der Menschenwürde, Leben und Sterben sowie dem Lebensbeginn. Er war bis Februar 2014 Mitglied der Ethikkommission der Universitätsmedizin Göttingen und ist Mitglied des dortigen Klinischen Ethik-Komitees. Duttge ist u.a Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin sowie Mitherausgeber der deutschen Zeitschrift "Leben & Tod".

Professor Herbert Watzke ist Leiter der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin am AKH Wien, Professor für Palliativmedizin an der Medizinischen Universität Wien sowie Vorstandsmitglied und ehemaliger Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft. Watzke ist Mitglied der Europäischen Palliativgesellschaft sowie Koordinator der Austrian Palliative Care Study (AUPACS) Group, die Studien zum Thema Palliativmedizin an den österreichischen Palliativstationen durchführt. Er ist verantwortlich für mehr als 100 Publikationen in nationalen und internationalen Zeitschriften auf dem Gebiet der Inneren Medizin und der Palliativmedizin.

Angelika Feichtner ist Pflegefachfrau und freiberufliche Dozentin und Trainerin im Bereich der Palliative Care und der Hospizarbeit. Zudem ist sie freie Mitarbeiterin an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg und am Institut Palliative Care und Organisationsethik / IFF Wien der Alpen-Adria-Universität, wo sie zum Leitungsteam des Internationalen Universitätslehrganges Palliative Care zählt. Feichtner war beratend beim Aufbau der Hospizbewegung Liechtenstein und beim Start des Palliativzentrums Martinsbrunn, Südtirol tätig. Sie ist Mitglied der Ethik-Gruppe der Österreichischen Palliativgesellschaft. Zu ihren Publikationen und Co-Autorenschaften zählen unter anderem zwei Lehrbücher über Palliativpflege und das "Handbuch Sterben und Menschenwürde".

 

 

 

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