Milchkrise: Abgeordnete fordern Runden Tisch

 

erstellt am
19. 05. 16
11:00 MEZ

Nationalrat will Wege zur Steigerung der Wertschöpfung für Landwirtschaft finden
Wien (pk) - Die schwierige Situation auf den Agrarmärkten für die österreichischen LandwirtInnen, vor allem der Verfall der Milchpreise, beschäftigte die Abgeordneten am 18.05. im Plenum des Nationalrats. Den Ausgangspunkt der umfassenden Debatte boten drei Anträge der Opposition. Diese wurden zwar mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit abgelehnt. Der Landwirtschaftsausschuss hatte dazu aber zwei Entschließungen gefasst, die nun auch Zustimmung im Plenum fanden – unter anderem wurde damit ein "Milchdialog" mit VertreterInnen aller Stakeholdergruppen ins Leben gerufen.

In einem gemeinsamen Entschließungsantrag hatten zudem FPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach ein 10-Punkte Milchpaket gefordert. Dieses Maßnahmenprogramm für die österreichische Landwirtschaft soll nach ihrer Ansicht die Situation der Milchwirtschaft, die nach dem Ende des EU-Milchquotensystems ab 1. April 2015 eingetreten ist, entschärfen. Zwar wurde dieser Vorstoß ebenfalls abgelehnt, ein darauf basierender gemeinsamer Entschließungsantrag, dem im Landwirtschaftsausschuss alle Fraktionen außer den Freiheitlichen beigetreten waren, fand nun auch im Nationalratsplenum eine Mehrheit. Von der Bundesregierung wird eine Analyse der Marktsituation auf den Agrarmärkte, insbesondere der Nachfragetrends sowie der Entwicklungsmöglichkeiten bei Milch und Schweinefleisch gefordert. Die Abgeordneten sprechen sich für Maßnahmen aus, um die Wertschöpfung agrarischer Produkte zu erhöhen. Dazu gehören für sie der Ausbau der Qualitätsproduktion, geschützte Herkunftsbezeichnungen, Qualitätsprogramm und Förderung der Innovation in Produktion, Verarbeitung und Vermarktung.

Nach Vorstellungen des FPÖ-Abgeordneten Harald Jannach müssten als ein erster Schritt zur Stabilisierung des Milchmarktes in Österreich und Europa wieder Mengenregulierungen eingeführt werden. Er blieb mit seinem Antrag dazu jedoch in der Minderheit, ebenso wie Leopold Steinbichler, der im Rahmen der Diskussion ein gesetzliches Qualitätsgütesiegel für österreichische Lebensmittel beantragte.

Milchdialog soll alle Stakeholder einbinden
Maßnahmen speziell für die milchproduzierende Landwirtschaft fordert der Grüne Landwirtschaftssprecher Wolfgang Pirklhuber. Sein Antrag für einen so genannten "Milchdialog" wurde zwar abgelehnt, war aber die Basis für eine gemeinsame Entschließung der Landwirtschaftssprecher im Landwirtschaftsausschuss. Alle Fraktionen sprechen sich nun gemeinsam für einen Milchdialog aus. Am Runden Tisch dazu sollen VertreterInnen der KonsumentInnen, der Landwirtschaft, der Lebensmittelwirtschaft sowie der Parteien teilnehmen. Sie sollen die Möglichkeiten von politischen Maßnahmen ausloten, um eine kostendeckende Milchproduktion in Zukunft zu gewährleisten.

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter kündigte diesen Milchdialog noch vor Sommer an, schon aus Wertschätzung für die heimischen MilchbäuerInnen, für deren Produkte ein vernünftiger Preis zu finden sei. "Die Situation auf den europäischen Agrarmärkten ist unbestritten kritisch", unterstrich Rupprechter. Das Russlandembargo sei sicherlich einer der Hauptgründe, da etwa der Käseexport eingebrochen sei. Mit dem Wegfall der Milchquote sei der heimische Milchmarkt zudem wegen der Exportwaren aus anderen EU-Mitgliedsländern einem erheblichen Preisdruck ausgesetzt – allerdings in durchaus maßvoller Weise, fügte der Minister an, lägen doch die österreichischen Milchpreise über dem EU-Durchschnitt. Eine Preissteigerung sei zudem bei Produkten wie Biomilch und Heumilch auszumachen.

Rupprechter: Keine Mehrheit für Milchquote in der EU

Konkret zur Milchquote erinnerte der Minister, eine Wiedereinführung sei mangels Mehrheit unter den Mitgliedstaaten und wegen der Weigerung der Kommission nicht möglich. Ebenso widersprächen nationale Quoten dem Unionsrecht. FPÖ und Team Stronach verlangten hingegen dezidiert eine Erneuerung der Quotenregelung. Für Agrarsprecher Harald Jannach (F) ist die Lage nicht nur schwierig, sondern "wirklich eine Katastrophe": derzeit werde die Milchproduktion aus Kostengründen ins EU-Ausland verlagert, was nicht nur die kleinstrukturierte heimische Landwirtschaft gefährde, sondern auch das gesamte gesellschaftliche Leben in den Regionen.

Schuld an dieser Entwicklung tragen seiner Meinung nach die EU aufgrund der Abschaffung der Milchquote sowie der Landwirtschaftsminister und der Bauernbund, die dieses Vorgehen befürwortet hätten. "Jetzt brennt der Hut – wir fordern eine Wiedereinführung der Milchquote", sagte der Freiheitliche und nannte dazu auch die Wirtschaftssanktionen gegen Russland ein völlig falsches Signal. Leopold Steinbichler (T) macht ebenfalls die Abkehr vom Milchkontingent als Hauptgrund der Misere aus, die er anhand diverser Milchprodukte verdeutlichte, sowie die Globalisierung am Agrarmarkt. Er fordert darüber hinaus ein rechtlich verbindliches, einheitliches Qualitätssiegel für alle in Österreich angebotenen Lebensmittel. Damit wäre eindeutig erkennbar, woher die Nahrungsmittel tatsächlich stammten beziehungsweise wie sie verarbeitet wurden, und man käme auch der "Kennzeichnungsinflation" bei, wie er mit Hinweis auf die vielen Qualitätshinweise am Markt in seinem eigens eingebrachten Antrag meint. Seine Forderung fand jedoch keine ausreichende Zustimmung im Plenum

Jannachs Bereichskollege von der ÖVP, Jakob Auer (V), gestand ein, Österreich habe tatsächlich nicht zuletzt wegen der Russland-Sanktionen Probleme im Milchbereich. Zu kurz gegriffen ist für ihn aber der Vorwurf des Freiheitlichen, der Bauernbund trage Mitschuld am Milchpreisverfall – dieser sei vielmehr auf die trotz sinkenden Konsums steigende Produktion zurückzuführen, auch hätten die Handelsketten gegenüber der Milchwirtschaft zu viel Marktmacht. "Mir wäre es auch lieber, gäbe es die Milchquote noch", so Auer, aber Allheilmittel sei sie keines, das habe die Krise 2008 gezeigt. Die Politik könne nur die Rahmenbedingungen stellen, nicht den Preis bestimmen. Einen Lösungsansatz sieht der Bauernbundpräsident in der Ankurbelung des Exports.

Kleinstrukturierte Milchwirtschaft als Lösungsansatz
"Die Europäische Agrarpolitik ist am Milchsektor gescheitert", konstatierte auch Wolfgang Pirklhuber (G). Der Grünen-Landwirtschaftssprecher schloss aber anders als FPÖ und Team Stronach daraus, es brauche eine europäische Lösung, in Form einer ökologischen und sozialen Wende. Die Produktion müsse angepasst werden an die Nachfrage in der EU, etwa durch mehr Grasfütterung, um die Überschussproduktion zu minimieren. Das würde wiederum den Milchpreis positiv beeinflussen. Kleine Betriebe kämen leichter durch die Krise, befand Fritz Grillitsch (V) ebenfalls, und er verteidigte angesichts dessen die heimische Agrarpolitik, auch wenn er Probleme wie den stockenden Export und die fehlende Mengenregulierung nicht verschweigen wollte.

Die sozialwirtschaftliche Dimension des Problems warfen die Regierungsfraktionen – namentlich Cornelia Ecker, Walter Schopf (beide S), Franz Leonhard Eßl und Norbert Sieber (beide V) - auf, als sie von einer dramatischen, ja existenzbedrohenden Krise für die Landwirtschaft sprachen. Überproduktion, Wegfall der Milchquote und Russlandsanktionen wurden als Gründe dafür genannt – eine Besserung der Lage sei aber nur mit einem Bündel an Lösungen möglich, gab Maximilian Unterrainer (S) zu bedenken. Keine Lösung ist es seiner Ansicht nach, überschüssige Milch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zu exportieren und beispielsweise in Afrika die lokale Landwirtschaft damit zu schädigen. Ecker betonte, die Bäuerinnen und Bauern hätten rasche, zielorientierte Hilfe nach jahrelangem Einkommensrückgang verdient. Bio-Landwirtschaft solle deswegen unterstützt werden, auch im Rahmen des Schulunterrichts. Schnelle Lösungen seien jetzt gefragt, langfristig müssten die BäuerInnen allerdings ihre Betriebe noch stärker nach marktkonformen Gesichtspunkten ausrichten, hielt Sieber fest; dazu gehöre eben auch die Minderung der Produktion zugunsten von Bio-Milch. Schopf berichtete über die "Ursachenforschung" für die Milchkrise im Unterausschuss des Landwirtschaftsausschusses und forderte nun innovative Lösungen, die auf Qualität bauen. Hermann Gahr (V) ergänzte: ein überparteilicher Schulterschluss sei unabdingbar, um regionale Qualität besser zu bewerben.

Für die NEOS äußerte sich Josef Schellhorn (N) positiv in Bezug auf die Vorschläge zur Steigerung des Milchpreises abseits der Quote. Preisregulierung ist für ihn keine gangbare Lösung, nicht zuletzt weil dies mehr Bürokratisierung bedeute.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at