Budgetpfad Österreichs vor dem
 Hintergrund der EU-Fiskalregeln

 

erstellt am
27. 05. 16
11:00 MEZ

Fiskalregeln wurden 2015 eingehalten
Wien (fiskalrat) - Der Rückgang des gesamtstaatlichen Defizits (1) im Jahr 2015 auf 1,2% des BIP (2014: 2,7% des BIP) fiel höher aus, als angesichts der massiven Flüchtlingszuwanderung und steigender Arbeitslosigkeit erwartet wurde. Damit wurde sogar ein strukturell ausgeglichener Haushalt erreicht. Diese Entwicklung resultiert aus der günstigeren Wirtschaftsentwicklung und der konsequenten Umsetzung des moderaten Konsolidierungspfads auch im Jahr 2015, der durch defizitsenkende Sondereffekte unterstützt wurde. So dämpften der Wegfall der außerordentlichen Ausgaben im Zusammenhang mit der HETA-Gründung 2014 in Höhe von 4,7 Mrd EUR und unerwartet hohe Vorzieheffekte auf der Einnahmenseite (etwa 1 Mrd EUR) angesichts der Steuerreform 2015/2016 das Budgetdefizit 2015.

Fiskalrat sieht Zielerreichung für 2016/2017 gefährdet
Für die Jahre 2016 und 2017 besteht dennoch die Möglichkeit, dass die Einhaltung der EU-weiten Fiskalregeln „erheblich“ verfehlt und der Frühwarnmechanismus gemäß präventivem Arm des SWP („Significant Deviation Procedure“) im Frühjahr 2017 ausgelöst wird. Der geschaffene budgetäre Spielraum aus der Unterschreitung des mittelfristigen Budgetziels (MTO) im Jahr 2015, der eine strukturelle Verschlechterung von etwa 0,5% des BIP für das Jahr 2016 erlaubt, wird nach der aktuellen Frühjahrsprognose des Fiskalrates nicht ausreichen, um die strukturelle Budgetregel einzuhalten. Der aktuelle Budgetpfad der Bundesregierung (April 2016) sieht eine Vielzahl von defiziterhöhenden Maßnahmen vor, die in Summe eine Unterbrechung des regelkonformen Budgetkurses der Bundesregierung in den Jahren 2016 und 2017 bewirken dürften. Auch der Umstand, dass temporäre Mehrausgaben aufgrund der Flüchtlingsmigration bei der Evaluierung des Budgetpfads Österreichs durch die EK als außergewöhnliche Belastung angerechnet werden, ändert nichts an dem Ergebnis. Die EK-Berechnungsmethode der Herausrechnung der außergewöhnlichen Belastungen durch die Flüchtlingszuwanderung wird vom Fiskalrat kritisch gesehen (zeitliche und sachliche Abgrenzung der Kosten, Zusatzkosten im Vorjahresvergleich und gegenüber dem Basisjahr 2014). Nach der aktuellen Frühjahrsprognose des Fiskalrates steigt die Maastricht-Defizitquote im Jahr 2016 deutlich an (+0,8 Prozentpunkte auf 2,0% des BIP) und dürfte 2017 beinahe auf diesem Niveau verweilen (2017: 1,9% des BIP). Jene Fiskalregeln, die ein übermäßiges Defizitverfahren auslösen können (Maastricht-Defizitregel von maximal 3% des BIP; Rückführung der Schuldenquote), wird Österreich erfüllen. Im Gegensatz zum aktuellen Stabilitätsprogramm der Bundesregierung vom April 2016 besteht gemäß gegenwärtiger Budgetprognose des Fiskalrates jedoch das Risiko einer „erheblichen“ Verfehlung der strukturellen Budgetregel im Sinne der EU-Regeln in den Jahren 2016 und 2017 (strukturelles Budgetdefizit 2016 und 2017: 1,5% bzw. 1,6% des BIP). Die Überschreitung der „Erheblichkeitsgrenze“ bleibt nach derzeitigen Berechnungen auch unter Herausrechnung von temporären Zusatzkosten für die Flüchtlingszuwanderung bestehen. Im Jahr 2016 beträgt – nach der FISK-Frühjahrsprognose 2016 – die Abweichung 0,7% des BIP, um die strukturelle Fiskalregel (bei Herausrechnung der Flüchtlingszusatzkosten) zur Gänze zu erfüllen, und 0,2% des BIP, um die „Erheblichkeitsgrenze“ zu unterschreiten. Es bestehen allerdings Prognoseunsicherheiten. So liegen gegenwärtig noch keine ausreichenden Informationen über die unterjährige Budgetgebarung 2016 vor.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Fiskalrates
Um die fiskalischen Vorgaben in Zukunft einhalten zu können, muss aus Sicht des Fiskalrates der Weg eines wachstumsschonenden Konsolidierungskurses in Kombination mit Offensivmaßnahmen wieder konsequent fortgesetzt werden, wobei Strukturreformen an Bedeutung gewinnen müssen. Die jüngste Flexibilisierung der EU-Fiskalregeln erleichtert es, wachstumsfördernde staatliche Impulse (Europäischer Fonds für Strategische Investitionen, Investitions- und Strukturreformklausel) zu setzen. So könnte Österreich einen Strukturreformplan z. B. im Bildungsbereich, für weitere öffentliche Infrastrukturinvestitionen oder zur Entlastung des Faktors Arbeit mit anfänglichen budgetären Zusatzmitteln starten, sofern ein nachhaltiger Anstieg des Potenzialwachstums zu erwarten ist (Regel-Abweichungen bis zu drei Jahre möglich). Der Fiskalrat empfiehlt, dass die Bundesregierung die Anrechnung von geplanten Strukturreformen gemäß der Flexibilisierungsbestimmungen des SWP überprüft.

Es ist hervorzuheben, dass Bestrebungen zur möglichst raschen Integration der Asylberechtigten (z. B. durch Schulungen, Erleichterungen des Arbeitsmarktzugangs, verstärkte Anreize zur Integration, österreichweite einheitliche Standards bei der Mindestsicherung und Integrationsoffensiven) die diesbezüglichen Gesamtkosten des Staates senken könnten und ein solches Maßnahmenpaket rasch umgesetzt werden sollte.
Zudem erscheint der Fokus auf Effizienzsteigerung insbesondere in den gebietskörperschaftsübergreifenden Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Pflege, öffentlicher Nahverkehr – neben dem Ziel der Bundesregierung zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Entflechtung der öffentlichen Aufgaben – unerlässlich.
Auch wenn die Treffsicherheit von Fiskalprognosen im Regelfall durch veränderte ökonomische Rahmenbedingungen, Datenrevisionen sowie durch neue, bei der Prognoseerstellung noch unbekannte Maßnahmen der Gebietskörperschaften eingeschränkt wird, zählt es zu den Kernaufgaben des Fiskalrates, auf mögliche budgetäre Fehlentwicklungen hinzuweisen.

(1) Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger laut Europäischem System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG 2010).

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.fiskalrat.at

 

 

 

 

 

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