Resselpreis 2016: Ein Haus, das in die Zukunft blickt

 

erstellt am
14. 06. 16
11:00 MEZ

Michaela Killian wird mit dem Resselpreis der TU Wien ausgezeichnet. Sie forscht an Regelungsverfahren, die Häuser umweltfreundlicher machen und den Komfort erhöhen.
Wien (tu) - Temperatur und Luftzufuhr werden in großen modernen Häusern zentral gesteuert. So lässt sich nicht nur der Komfort im Gebäude steigern, man kann dadurch auch Energie und Geld sparen und den CO2-Ausstoß reduzieren. Damit das gelingt, braucht man allerdings eine intelligente Regelung, die in die Zukunft blickt.

Michaela Killian hat ein prädiktives nichtlineares Regelungskonzept entwickelt, das voll automatisiert den Komfort steigert und den Energiebedarf senkt. Dieses Konzept ist seit Oktober 2015 im Unipark Nonntal (Salzburg) implementiert, die ersten, vorläufigen Ergebnisse sind bereits sehr vielversprechend. Für die Entwicklung dieser komplexen Gebäudeautomatisierung wird sie nun mit dem Resselpreis der TU Wien ausgezeichnet.

Das Haus, das in die Zukunft blickt
Eigentlich ist Michaela Killian, die aus Stockerau in Niederösterreich stammt, gelernte Mathematikerin. Doch nach ihrem Studium an der TU Wien entschloss sie sich für ein besonders anwendungsnahes Gebiet und wechselte an die Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften. Bei Prof. Martin Kozek schrieb sie ihre Dissertation über nichtlineare modellprädiktive Regelungssysteme für ein Multi-Zonen-Bürogebäude.

„Moderne Gebäude haben heute oft viele verschiedene Sensoren, mit denen man zum Beispiel die Sonneneinstrahlung aus verschiedenen Himmelsrichtungen messen und elektronisch auslesen kann“, erklärt Michaela Killian. Das Gebäude kann dann automatisch Lüftung, Heizung oder Jalousien an diese aktuellen Daten anpassen – aber das alleine genügt nicht, das Haus reagiert nämlich sehr träge. Bis ein mehrstöckiges Gebäude aufgeheizt ist, können viele Stunden vergehen. Viel besser ist es daher, wenn die Regelung selbstständig in die Zukunft blickt. Wetter-, Strahlungs-, und Belegungsprognosen können genutzt werden, um vorausschauend zu heizen oder zu kühlen. Außerdem kann das Gebäude selbst als thermischer Speicher verwendet werden – besonders bei flexiblen Tarifmodellen, bei denen elektrische Energie zu unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedlich viel Geld kostet, bringt diese Möglichkeit großen Nutzen.

„Der Wetterbericht kann über das Internet ganz automatisch in das System eingelesen werden. In diesem Projekt bekommen wir sehr detaillierte Prognosen über die ZAMG direkt in unser System eingespeist“, sagt Michaela Killian. Aufgrund von Erfahrungswerten, Expertenwissen und physikalischen Modellen kann im Computermodell berechnet werden, welche Maßnahmen man angesichts des prognostizierten Wetters ergreifen muss, um die Temperatur im Gebäude mit möglichst geringem Energieaufwand im angenehmen Bereich zwischen 21 und 24 Grad zu halten. Ein solches modellprädikatives System hat Michaela Killian entwickelt. Es wurde in einem Universitätsgebäude in Salzburg umgesetzt, die Grundideen sind aber prinzipiell auf jedes moderne Bürogebäude anwendbar.

„In das Modell müssen natürlich Erfahrungswerte einfließen“, sagt Killian. „Wir hatten die Möglichkeit, direkt am Gebäude open-loop Versuche durchzuführen. Dadurch wissen wir nun genau, welche Maßnahmen sich auf welcher Zeitskala auswirken.“

Das Gebäude ist in vier Zonen eingeteilt – je nach Himmelsrichtung und Tageszeit wirkt sich die Sonneneinstrahlung unterschiedlich aus. In jedem Büro gibt es einen Temperaturregler, die Temperatur in jeder Zone richtet sich nach dem Durchschnittswert der gewählten Temperaturen. Das Projekt war ein Erfolg, berichtet Killian: „Für eine abschließende Evaluierung ist es noch zu früh, aber man sieht jetzt bereits, dass der Energiebedarf deutlich gesunken ist. Wichtig ist auch, dass sich die Leute im Gebäude wohlfühlen.“ Komfort stand im Zuge des Projektes immer an erster Stelle, und das Feedback ist ausgezeichnet. „Auch evon, unser Industriepartner, ist begeistert, daher läuft seit Jahrebeginn ein Nachfolgeprojekt, in dem ich als Post-Doktorandin weiter forschen kann“, sagt Killian.

Resselpreis der TU Wien
Dass Killian als Mathematikerin in diesem anwendungsnahen Bereich forscht, ist durchaus naheliegend, meint sie: „Schließlich sind nichtlineare Regelungskonzepte mathematisch recht kompliziert und aufwändig. Außerdem handelt es sich bei modellprädiktiver Regelung um Optimierungsprobleme, hier sieht man schon die Verbindung zwischen Mathematik und Regelungstechnik.“ Trotzdem war es für sie eine gewisse Umstellung, das Fachgebiet zu wechseln: „In der Mathematik geht es um exakte Beweise, im Maschinenbau ist man da oft etwas pragmatischer und gibt sich mit funktionierenden Lösungen zufrieden, auch wenn der formale Beweis fehlt. Beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung.“

Für ihre Forschung erhält Michaela Killian nun am 17. Juni 2016 den Resselpreis der TU Wien. Dieser Preis wird einmal im Jahr an junge ForscherInnen vergeben, die im Rahmen ihrer Dissertation wissenschaftlich exzellente, interdisziplinäre Arbeit geleistet haben. Der Resselpreis ist mit 13.000 Euro dotiert, zweckgebunden für die wissenschaftliche Forschung. Michaela Killian wird ihre Forschungsarbeit als Postdoc am Institut für Mechanik und Mechatronik der TU Wien fortsetzen.

 

 

 

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