Abschaffung des Amtsgeheimnisses:
 Drozda hofft auf Einigung im Herbst

 

erstellt am
23. 06. 16
11:00 MEZ

Verfassungsausschuss plant Enquete zum Thema Informationsfreiheit, Oppositionsanträge zu direkter Demokratie vertagt
Wien (pk) – Kanzleramtsminister Thomas Drozda hat das Vorhaben der Regierung, das Amtsgeheimnis abzuschaffen und durch eine umfassende Informationspflicht der Behörden zu ersetzen, noch nicht abgeschrieben. Sei Ziel sei eine Beschlussfassung im Herbst, bekräftigte er am 22.06. im Verfassungsausschuss des Nationalrats. Erste Gespräche seien bereits geführt worden. Drozda verlieh vor dem Ausschuss seiner Hoffnung Ausdruck, dass man bald in Detailverhandlungen eintreten könne, um strittige Punkte zu klären.

Der Wille, rasch zu einem Ergebnis zu kommen, wurde auch von den Abgeordneten aller Fraktionen bekräftigt. Dazu soll auch eine Enquete im Herbst beitragen, über deren Abhaltung sich der Verfassungsausschuss heute grundsätzlich einig zeigte. Die NEOS ( 6/A) und die Grünen ( 18/A) haben ihre Vorstellungen für ein Informationsfreiheitsgesetz bereits zu Beginn der Legislaturperiode in Anträge gegossen. Beide Initiativen wurden heute neuerlich vertagt, wobei diese in Hinblick auf die in Aussicht genommene parlamentarische Enquete und die signalisierte Fortsetzung der Verhandlungen einstimmig geschah.

ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl machte geltend, dass das Informationsfreiheitsgesetz längst beschlossen worden wäre, wenn die Koalitionsparteien eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat hätten oder wenn die Opposition zu einer Einigung bereit gewesen wäre. Er würde sich jedenfalls über eine rasche Lösung freuen, befürchte aber, dass die nun in Aussicht genommene Enquete eine neuerliche Verzögerung bringen werde. Angela Lueger (S) wies auf Fortschritte der Verhandlungen mit den Ländern hin, die Enquete im Herbst zum Thema berechtige jedenfalls eine Vertagung der Anträge.

Weiter Druck macht die Opposition. Vor allem Grüne und NEOS sind angesichts des bisherigen Verhandlungsverlaufs skeptisch, das eine Lösung bis Herbst gefunden werden kann. Vertreter beider Fraktionen unterstrichen auch, dass die für Herbst geplante parlamentarische Enquete auf jeden Fall öffentlich sein müsse. Absurd wäre es, beim Thema Transparenz im Parlament nicht transparent vorzugehen, meinten dazu NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak und der Verfassungssprecher der Grünen Albert Steinhauser übereinstimmend. Scherak beklagte einen Stillstand der Regierungsarbeit im letzten Jahr. Steinhauser wies auf das Angebot der Grünen hin, die strittige Frage eines Informationsfreiheitsbeauftragten, der für seine Fraktion eine zentrale Forderung sei, erst einmal auszuklammern, um in den anderen Teilen des Gesetzes die Verhandlungen vorantreiben zu können.

Harald Stefan (F) sah als wesentliche noch offene Punkte die Gestaltung der Informationspflichten von ausgelagerten Unternehmen und der Sozialpartner. Vor allem börsennotierte Unternehmen müssten schließlich Geschäftsgeheimnisse schützen können, meinte er.

Bundesminister Drozda sagte, er sehe in der Enquete kein Hindernis, bereits über den Sommer Detailverhandlungen zu führen. Den Vorschlag der Grünen, den Punkt eines Informationsfreiheitsbeauftragten auszuklammern, nahm er positiv auf. Er bezweifle, dass die Schaffung einer zusätzlichen Institution notwendig sei. Bei ausgelagerten Unternehmen sei zu differenzieren, er könne sich etwa vorstellen, dass Einrichtungen wie die Bundestheater oder Bundesmuseen dem Parlament unter Bedingungen der Vertraulichkeit Auskünfte zur Geschäftsgebarung erteilen. Börsennotierte Unternehmen seien hier eine andere Kategorie. Was die Sozialpartner betreffe, sei es selbstverständlich, dass die Kammern ihren Mitgliedern gegenüber eine Auskunftspflicht haben. Grundsätzliche sei es zu begrüßen, wenn sich der Fokus vom Begriff des Amtsgeheimnisses weg in Richtung Auskunftsverpflichtung an die BürgerInnen verschiebe, betonte der Minister.

Ein Gesetzesvorschlag der Regierung zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses liegt bereits seit Dezember 2014 zur Vorberatung im Nationalrat. Ein knappes Jahr später, im November 2015, hat der Verfassungsausschuss ein dazugehöriges Ausführungsgesetz in Begutachtung geschickt (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1194/2015). Allerdings haben die Verhandlungen mit den Ländern und mit der Opposition bislang zu keinem konkreten Ergebnis geführt. Strittig ist unter anderem die Frage, wie bundesweit einheitliche Regelungen gewährleistet werden können, in welchen Bereichen Ausnahmen unumgänglich sind und welche Rechtsmittel BürgerInnen haben sollen, wenn ihnen die Behörden die gewünschte Auskunft verweigern.

Opposition drängt weiter auf Ausbau der direkten Demokratie
Bewegung von Seiten der Regierungsparteien vermisst die Opposition auch, was den Ausbau der direkten Demokratie und die bessere Einbindung der BürgerInnen in die parlamentarische Arbeit betrifft. Konkret zur Diskussion standen heute Anträge der FPÖ ( 117/A(E)) und der Grünen ( 1327/A(E)). Den beiden Parteien geht es vor allem darum, der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, einen Gesetzesbeschluss durch eine Volksabstimmung zu erzwingen, auch wenn es im Nationalrat für das entsprechende Anliegen keine Mehrheit gibt. Davon ausgenommen sollten nach Meinung der Grünen allerdings Gesetzesvorhaben sein, die gegen Grund- und Menschenrechte, EU-Recht oder gegen völkerrechtliche Verpflichtungen Österreichs verstoßen bzw. die eine Verschlechterung der Rechtsstellung von Minderheiten bewirken würden. Darüber hinaus drängen die Grünen auf eine Aufwertung von Petitionen und Bürgerinitiativen ( 240/A(E)). Alle drei Anträge wurden mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt.

Auffassungsunterschiede traten beim Thema direkte Demokratie zwischen FPÖ und Grünen zutage. Während Albert Steinhauser (G) es für zweckmäßig befand, bestimmte Themen von der Volksgesetzgebung per Volksabstimmung auszunehmen, sah Harald Stefan (F) dafür keinen Grund. Die WählerInnen sollten grundsätzlich über alles abstimmen können, worüber das Parlament Beschlüsse fassen könne. Seit dem Abschluss der Beratungen der Enquete-Kommission zum Thema Demokratiereform sei so gut wie nichts weitergegangen, beklagte Nikolaus Scherak (N). So fehle weiterhin eine zentrale Wählerevidenz und er vermisse Anstrengungen in dieser Richtung.

Zur Frage der Mitwirkung von BürgerInnen am parlamentarischen Gesetzgebungsprozess war Steinhauser der Ansicht, dass es möglich wäre, über den Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen ein niederschwelliges Angebot zu schaffen. Wolfgang Gerstl (V) bedauerte, dass es nicht möglich war, eine Zweidrittel-Mehrheit für die Umsetzung der bereits vorliegenden Gesetzesvorschläge zu finden. Die Koalitionsparteien würden sich aber weiterhin darum bemühen, unterstrich er.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at