Medialer Paradigmenwechsel in der Darstellung
 von Menschen mit Behinderung

 

erstellt am
05. 07. 16
11:00 MEZ

NGO-Forum der Volksanwaltschaft im Palais Epstein beschäftigt sich mit Perspektiven des Nationalen Aktionsplans Behinderung
Wien (pk) – Seit Juli 2012 ist die Volksanwaltschaft für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte zuständig. Bei der Erfüllung des verfassungsgesetzlichen Auftrags versteht sich die Volksanwaltschaft als Plattform für die Zivilgesellschaft und veranstaltet jährlich ein NGO-Forum, um aktuelle Fragen zu behandeln. Thema der heurigen Veranstaltung ist "Menschen mit Beeinträchtigungen – Situation und Perspektiven". In ganztägigen Diskussionen und Workshops wird der Stand der Umsetzung der UNO–Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und insbesondere des Nationalen Aktionsplans Behinderung erörtert.

Parlamentspräsident Harald Dossi überbrachte den TeilnehmerInnen die Grüße von Nationalratspräsidentin Doris Bures, unter deren Ehrenschutz die Veranstaltung steht. Das Parlament fungiere gerne als Gastgeber dieser Veranstaltung, denn parlamentarische Arbeit sei heute ohne NGOs und Einbindung der Zivilgesellschaft nicht mehr denkbar.

Kräuter: Neue Impulse für den Nationalen Aktionsplan Behinderung
Das heurige NGO-Forum habe sich eine kritische Bestandsaufnahme des Nationalen Aktionsplan Behinderung vorgenommen, stellte Volksanwalt Günther Kräuter in seiner Begrüßung fest. Als Ziel der Veranstaltung nannte es Kräuter, neue Initiativen zu starten und Impulse zu setzen. Die bisherige Bilanz der Umsetzung des Aktionsplans könne nicht uneingeschränkt positiv sein, doch gebe es auch Erfolge, wie die Dienstrechtsnovelle, die der Nationalrat diese Woche beschließt. Mit ihr werden endlich Diskriminierungen von Menschen mit Behinderung im öffentlichen Dienst beseitigt. Nach einer Diskussion über mediale Strategien werde die Veranstaltung am Nachmittag mit drei Workshops fortgesetzt, kündigte Kräuter an. Darin geht es um grundsätzliche Fragen, mit denen Menschen mit Behinderung im Alltag konfrontiert sind. Behandelt werden die Problematik der Armutsgefährdung sowie der Bereich Wohnen und Arbeiten. Ein weiterer Workshop befasst sich mit den Problemen, mit denen Menschen mit Behinderung als Flüchtlinge konfrontiert sind. Alle erarbeiteten Beiträge werden auf der Homepage der Volksanwaltschaft dokumentiert.

Mediale Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Von Bewunderung über Mitleid und Ignoranz reicht die Bandbreite der Inszenierung von Menschen mit Behinderung in den Massenmedien, so der Befund der Politik- und Medienanalytikerin Maria Pernegger. Sie präsentierte die Ergebnisse einer aktuellen Studie, wie Menschen mit Behinderung und ihr Leben in den österreichischen Massenmedien dargestellt werden. Ausgangspunkt ist dabei die Forderung der UNO-Konvention nach einem Paradigmenwechsel in der öffentlichen Darstellung von Behinderung. Dabei zeige sich ein klarer Unterschied von Qualitäts- und Boulevardmedien. Leider sei gerade in diesen Medien mit starker Öffentlichkeitswirkung der Paradigmenwechsel noch nicht angekommen. Gerade sie hätten aber aufgrund der hohen Reichweite eine hohe Verantwortung, da sie besonders stark zur Bewusstseinsbildung beitragen.

Nach wie vor reduziert ein großer Teil der Berichterstattung Menschen auf ihre Behinderung, macht sie zu Objekten oder zeichnet sie in einer Opferrolle als passive EmpfängerInnen von Wohltätigkeit, sagte Pernegger. Hingegen fehlt es an Berichterstattung über den Alltag. Der Befund sei jedoch nicht nur negativ. Auch in Boulevardmedien finden sich Beispiele, dass Menschen mit Behinderung über ihre Leistungen dargestellt werden. Pernegger richtete in diesem Zusammenhang auch einen Appell an die Politik. Die Anliegen von Menschen mit besonderen Bedürfnissen erhielten derzeit von den politischen Playern nur sehr wenig Aufmerksamkeit, stellte sie fest. Die Umsetzung des Aktionsplans brauche neben der Zivilgesellschaft jedoch unbedingt auch die Politik.

Positive Bilder und Vorstellungen in den Medien herstellen
Die Einleitung des zweiten Referats übernahm Valentin Höber, Präsident des Kiwanis Aktion-Club Leoben. In diesem Verein finden sich Menschen mit Down-Syndrom zusammen und organisieren Hilfsaktionen für Menschen, die in Notsituationen geraten sind, erläuterte er. Damit wird die bisherige Wahrnehmung erfolgreich umgekehrt und der Öffentlichkeit die besondere Empathiefähigkeit von Menschen mit Down-Syndrom vermittelt.

Jürgen Wieser referierte als Präsident des Vereins "Down-Syndrom-Österreich" über seine persönlichen Erfahrungen mit den kommunikativen Strategien, die zu einer verbesserten Medienwahrnehmung von Menschen mit Down-Syndrom in Österreich geführt haben. Als er 1994 Vater einer Tochter mit Down-Syndrom wurde, musste er feststellen, dass Österreich, was die Information und Unterstützung von Eltern in dieser Situation betraf, Schlusslicht in Europa war. Die Reaktion darauf war die Gründung eines Vereins mit dem Ziel, ein spezielles Diagnose- und Kompetenzzentrum zu schaffen. Die Umsetzung des ambitionierten Projekts ist unterdessen gelungen. PädagogInnen aus anderen Ländern kommen nun nach Leoben, um am Kompetenzzentrum Fördermethoden kennenzulernen. Um die mediale Wahrnehmung des Themas zu verändern, setzte der Verein in seiner Pressearbeit auf inspirierende Geschichten, auf positive Bilder, in denen Leistungen und Teilhabe am öffentlichen Leben von Menschen mit Down-Syndrom gezeigt werden, und auf Testimonials. Wichtig war es auch, positiv besetzte Begriffe zu kreieren, um über Menschen mit Down-Syndrom zu sprechen. Dabei habe sich gezeigt, dass mediale Berichterstattung sehr stark über Emotionen gesteuert werden kann. Wesentlich war auch die Unterstützung Prominenter, vor allem in der Anfangsphase konnte so positive Aufmerksamkeit erzielt werden. Eine weitere Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu erreichen, bietet sich über Soziale Medien, sagte Wieser.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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