Österreichs Wirtschaft gab vor
 der Brexit-Entscheidung Gas

 

erstellt am
15. 07. 16
11:00 MEZ

Bank Austria Konjunkturindikator zeigt Konjunkturbeschleunigung im Juni mit deutlichem Anstieg auf 0,8 Punkte: verbesserte Stimmung in der Industrie und bei den Konsumenten
Wien (bank austria) - Das Konjunkturklima in Österreich hat sich rund um die Jahresmitte spürbar aufgehellt. „Der Bank Austria Konjunkturindikator ist im Juni noch vor der Brexit-Entscheidung auf 0,8 Punkte gestiegen – nach 0,4 Punkten im Vormonat. Damit erreicht der Indikator den höchsten Wert seit zwei Jahren und signalisiert eine Belebung des Wachstums in Österreich zur Jahresmitte 2016“, meint Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. Die Verbesserung des Konjunkturklimas im Juni hat sich auf breiter Basis vollzogen. Alle Komponenten des Bank Austria Konjunkturindikators zeigen eine klare Aufwärtstendenz. „Die lang anhaltende Stimmungsbaisse in Österreich begann sich im Juni aufzulösen und zog den Bank Austria Konjunkturindikator nach oben. Sowohl die Konsumenten als auch die Industriebetriebe sind spürbar optimistischer geworden. Allerdings spiegeln die Stimmungsindikatoren, die der Berechnung zu Grunde liegen, noch nicht die Auswirkungen der Entscheidung der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union von Ende Juni wider“, fasst Bruckbauer zusammen.

Obwohl die Konjunktur jüngst mehr Fahrt aufgenommen hat, ist das Wachstumstempo der österreichischen Wirtschaft im zweiten Quartal insgesamt voraussichtlich etwas hinter jenem zu Jahresbeginn zurückgeblieben. „Die österreichische Wirtschaft hat im ersten Halbjahr einen Anstieg des BIP um fast 1,5 Prozent im Jahresvergleich erreicht und damit den Vorjahreswert von 1 Prozent klar übertreffen können. Im Trend zeigte sich im ersten Halbjahr eine Fortsetzung des Aufwinds der Inlandsnachfrage, die damit wie in den meisten europäischen Ländern zur bestimmenden Kraft der wirtschaftlichen Erholung wurde, während die Auslandsnachfrage netto in einem schwierigen globalen Umfeld keinen Wachstumsbeitrag lieferte“, meint Bruckbauer. Trotz anfangs anhaltend negativer Verbraucherstimmung trug in der ersten Jahreshälfte insbesondere der Konsum zur Belebung bei – begünstigt durch die Stabilisierung am Arbeitsmarkt, die niedrige Inflation und vor allem die Reform der Lohn- und Einkommenssteuer. Die anfängliche Skepsis in der Bevölkerung über die positive Wirkung der Steuerreform scheint sich langsam zu legen. Die Konsumentenstimmung verbesserte sich im Juni immerhin auf den besten Wert seit zwei Jahren. Die Aufhellung der Stimmungslage in fast allen europäischen Ländern und auch in Österreich unterstützte ein Anziehen der Investitionstätigkeit. Insbesondere in Ausrüstungen, vor allem bei Maschinen und Fahrzeugen, wurden vermehrt Erweiterungsinvestitionen getätigt. Die Dynamik der Bauinvestitionen hinkte hier noch hinterher, zeigt aber nach einer fast zweijährigen rückläufigen Phase seit Jahresbeginn wieder nach oben.

„In der zweiten Jahreshälfte wird die Verunsicherung durch die Entscheidung der Briten die EU zu verlassen, das Wachstumstempo der österreichischen Wirtschaft dämpfen. Insgesamt wird die etwas schwächere Dynamik in der zweiten Jahreshälfte durch die besser als von uns erwartete Konjunkturentwicklung in der ersten Jahreshälfte kompensiert, so dass wir unverändert ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent für das Gesamtjahr 2016 erwarten“, prognostiziert Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl.

Arbeitslosenquote steigt 2016 geringer als bisher erwartet
Die Belebung der Konjunktur in der ersten Jahreshälfte stützte die Stabilisierung der Lage am Arbeitsmarkt. Mitte des Jahres 2016 lag die saisonbereinigte Arbeitslosenquote dank eines kräftigen Anstiegs der Beschäftigung um 1,5 Prozent im Jahresvergleich und einer etwas verlangsamten Zunahme des Arbeitskräfteangebots unverändert gegenüber dem Jahreswechsel bei 9,1 Prozent. „Das höhere Wachstumstempo hat in der ersten Jahreshälfte den Aufwärtstrend der Arbeitslosenquote unterbrochen. Wir haben daher unsere Erwartung zur Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2016 von 9,5 auf 9,3 Prozent gesenkt“, fasst Pudschedl zusammen. Nach der besseren Wachstumsperformance ist 2016 insgesamt ein höheres Beschäftigungsplus als 2015 zu erwarten, was jedoch aufgrund des in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich wieder stärker steigenden Arbeitskräftepotentials nicht ausreichen wird, um einen Anstieg der Arbeitslosigkeit gegenüber 2015 zu verhindern.

Inflation zieht in zweiter Jahreshälfte an
Seit Mai tendiert die Inflation in Österreich wieder leicht nach oben. Im ersten Halbjahr betrug die durchschnittliche Teuerung dennoch nur 0,8 Prozent im Jahresvergleich. Der Aufwärtstrend der Inflation in Österreich wird sich in den kommenden Monaten noch verstärken, aufgrund eines Basiseffekts durch den starken Ölpreisverfalls im Herbst des Vorjahres. „Für das Gesamtjahr 2016 gehen wir von einer Inflation im Jahresdurchschnitt von 1,1 Prozent aus. Für 2017 haben wir unsere Inflationsprognose um 0,1 Prozentpunkte auf 1,8 Prozent gesenkt, da infolge der Brexit-Entscheidung von einer etwas schwächeren globalen Nachfrage und einem etwas geringeren Aufwärtsdruck der Rohstoffpreise auszugehen ist“, meint Pudschedl.

Brexit dämpft Wachstumsaussichten insbesondere 2017
2017 werden die negativen Einflüsse durch den Brexit auf die Investitionstätigkeit und die Exportnachfrage stärker spürbar werden. Für Österreich ist das Vereinigte Königreich der achtwichtigste Exportpartner – gerechnet nach Wertschöpfung sogar das sechstwichtigste Exportland nach Deutschland, den USA, Italien, Frankreich und China. Rund 1,5 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung hängen am Export ins Vereinigte Königreich. Jedoch sind die indirekten Effekte über unsere wichtigsten Exportpartner, wie Deutschland und Frankreich, aber auch die CEE-Länder, mindestens genauso negativ für Österreichs Wirtschaft wie die direkten Effekte. „Wir haben unsere BIP-Prognose für 2017 von 1,5 auf 1,1 Prozent gesenkt. Die Brexit-Entscheidung im Vereinigten Königreich kostet der österreichischen Wirtschaft nach unseren Berechnungen über die beiden Jahre 2016/17 gerechnet brutto einen halben Prozentpunkt an Wachstum“, so Bruckbauer. Damit wird Österreich im europäischen Vergleich eher unterdurchschnittlich vom Brexit betroffen sein. Dauert allerdings die Unsicherheit länger an, könnte der Rückgang des erwarteten Wachstums auch noch stärker ausfallen. Mittelfristig sind die Folgen des Brexit für die österreichische Wirtschaft jedenfalls überschaubar, bleiben allerdings abhängig von den politischen Folgen einer solchen Entscheidung. Viel wird somit nun vom Umgang der Politik mit der Brexit-Entscheidung abhängen.

Verlängerung von Quantitative Easing der EZB in Sicht
Durch die Brexit-Entscheidung im Vereinigten Königreich könnte die EZB in den kommenden Monaten wieder etwas unter Zugzwang geraten. „Trotz der höheren Abwärtsrisiken für das Wachstum und die Inflation im Euroraum durch den Brexit gehen wir nicht davon aus, dass die EZB die Leitzinsen weiter senken wird. Nach unserer Ansicht wären die Nebenwirkungen schwerwiegender als etwaige positive Auswirkungen“, betont Bruckbauer. Nach Einschätzung der Ökonomen der Bank Austria wird die Kombination aus schwächerem Wachstum, etwas niedrigerer Inflation und höheren Risiken für die Finanzstabilität die Europäische Zentralbank jedoch vermutlich dazu veranlassen, die quantitativen Lockerungsmaßnahmen um sechs Monate mindestens bis September 2017 zu verlängern.

 

 

 

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