Die Österreichischen Medientage und
 die neue Lust auf Medien

 

erstellt am
23. 09. 16
10:00 MEZ

Chefredakteure werden zu „Dirigenten der Multimediawelt“, Medienhäuser zu Technologieunternehmen. Chatbots sind die Zukunft
Wien (medientage) - Die 23.Österreichischen Medientage am 20. und 21.09. machten ihrem Motto „Lust auf Medien“ alle Ehre und punkteten an zwei Tagen mit rund 1800 Teilnehmer_innen, spannenden Key Notes und brisanten Diskussionsrunden. Hans-Jörgen Manstein, Gründer der Medientage und Aufsichtsratsvorsitzender des Manstein-Verlags, übt in seiner Eröffnungsrede Kritik an der Inseratenpolitik öffentlicher Stellen, die die Medien in strukturelle Abhängigkeit bringt und hält ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Renaissance der Qualität. Er beendet seine Rede mit der Ankündigung, dass ab dem nächsten Jahr der neue Geschäftsführer des Manstein-Verlags, Oliver Stribl, an seiner Stelle die mittlerweile schon traditionelle Eröffnungsrede halten wird.

Über Demokratie im Netz, Chatbots und Radikalisierung
Die Chefredakteurin der WirtschaftsWoche, Miriam Meckel, verweist in ihrer Key Note darauf, dass vernünftige Diskussionen in sozialen Medien kaum mehr möglich seien und die Radikalisierung erschreckend schnell zunimmt. „Das ist tödlich für die demokratische Auseinandersetzung“, sagt Meckel. Die User halten sich nur noch in ihrer eigenen Filterbubble auf und verstärken damit die eigenen Meinungen. Meckel bringt das Beispiel vom Microsoft Chatbod Tay, um aufzuzeigen, in welcher Realität wir gerade leben.

Die Zukunft von Print und Start-up‘s für mehr Innovation
Print ist nicht tot und wird weiterhin seine Daseinsberechtigung haben. Da herrscht Einigkeit bei den Top-Medien-Experten, die am Panel diskutieren. Doch es braucht neue Geschäftsmodelle, um der sinkenden Reichweite entgegenzuwirken, meint Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur „Digitale Medien“ bei der FAZ. Man sollte innerhalb der Verlage eine „Start-up-Kultur“ etablieren und neue Ideen gegeneinander antreten lassen, um Innovationen zu fördern. Oliver Eckert, Geschäftsführer des deutschen digitalen Publishers BurdaForward meint: „Wer konkurrenzfähig sein will, muss längst radikal digitalisiert haben“. Aus seiner Sicht sollten weit mehr Medienunternehmen in Europa den Weg gehen, Print und Digital voneinander zu trennen – nur so könne man die Qualität wirklich sichern.

Neue Formen der Umsatzgenerierung
Doch woher kommt das Cash? Bei dieser Diskussionsrunde steht mehrheitlich der Konsument im Mittelpunkt. Man orientiert sich verstärkt am Kundennutzen und bietet zusätzliche Tools für den Kunden an, um neue Umsätze zu generieren. So spielen etwa für Veit Dengler, CEO der NZZ Mediengruppe, Werbeeinnahmen künftig eine geringere Rolle. Die wichtigsten Kunden sind die Leser und Nutzer, da biete man auch neuerdings Reisen, Konferenzen und Tagungen an, um den Umsatz anzukurbeln. Dengler verspricht aber auch, jetzt und in der Zukunft keine Autos und Bücher zu verkaufen.

Besteuerung von Google & Co und Presseförderung neu
Thomas Drozda, Bundesminister für Kunst, Kultur, Verfassung und Medien fordert bei dem Panel „Medienpolitik von morgen“ erneut eine Werbeabgabe für Google und Facebook. Der Generaldirektor des ORF, Alexander Wrabetz, stellt sich diesbezüglich die Frage, ob hier nicht eine fünfte Macht im Staat entsteht. Das Thema der Internetgiganten fließt auch mit in die Diskussion um die Presseförderung ein, die Drozda mit heutigem Stand als „anachronistisch“ bezeichnet. Es braucht neben einer gewichtigen Säule der Produktionsförderung von Inhalten, die sich nach der Anzahl der angestellten Journalisten richten sollte, eine Digitalisierungs- und Innovationsförderung sowie als dritte Säule die Förderung von Aus- und Weiterbildung.

Die globale Revolte des TV
In seiner Key Note skizziert Yaser Bishr, Executive Director of Strategy and Development des Al Jazeera Media Networks am Beispiel von AJ+, wie sich die globale Revolte des TV gestaltet und welche Herausforderungen es „im Zeitalter von LOL, WTF und Emojis“ zu bewältigen gibt. „Viele denken, dass Millenials kein Interesse an Nachrichten haben, aber das ist absolut falsch“, sagtt Bishr. Medienunternehmen müssten sich zunächst fragen, warum sie tun, was sie tun. Bishr erwähnt fünf Schlüsselwörter „empower“ (ermächtigen), „defy“ (sich widersetzen), „engage“ (sich beteiligen), „experience“ (erfahren) und „inspire“ (inspirieren). Weiters betont Bishr die Wichtigkeit der Vielfalt der Nationalitäten innerhalb der Redaktion, diese müsse man wahren, denn Veränderung beginnt immer zuerst intern bei sich selbst.

Klassisches TV, Multimediachannels und die Digitalisierung als Chance
Das digitale Zeitalter, ob für private oder öffentliche Unternehmen, bietet enorm viele Chancen, meint Roger de Weck, Generaldirektor der schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, in seiner Key Note. Allerdings sollte man sich einer der wichtigsten Strategien bedienen: Allianzen zu suchen, etwa mit den Vermarktungsplattformen: Ein Alleingang gegen die Global Players sei nicht möglich, "man muss sich zusammentun". Und im Redaktionsbereich müsse die Mischung genauso stimmen wie die Qualität.

Die Teilnehmer_innen der TV Runde „TV over all“ sehen in den Streamingdiensten wie Netflix und Amazon Prime keine große Konkurrenz. Katja Hofem, COO der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH ist davon überzeugt, dass Netflix & Co als Nischen bei Special-Interest-Serien sehr erfolgreich sind und sich dafür im klassischen TV nicht so etablieren könnten. Ein Massenprogramm sei Video-on-Demand jedenfalls nicht.

YouTube will indessen keine eigenen Inhalte einbringen, sondern konzentriert sich auf die Creator Community. „Auf der ganzen Welt investieren wir in die Macher, bieten Tools, Technologien und Bildungsressourcen an“, erklärt Ben McOwen Wilson, der Director of Content Partnerships Europe in seinem Impulsreferat. In London, Berlin, Paris und anderen Städten hat YouTube eigene Studio-Spaces eingerichtet, in denen YouTuber sich untereinander und mit Experten austauschen können.

Programmatic Advertising - Die Zukunft der Werbung
Alex Stil von der GroupM Connect zählt in seinem Impulsreferat die Trends und Herausforderungen im Programmatic Advertising auf. Er nennt die Transparenz als einen essentiellen Punkt, der vor allem eines beinhalten soll: Die Beantwortung der Frage der Monetarisierung. Wer macht mit dem automatisierten Einkauf von Werbung wirklich Geld? Es ist notwendig, die Technologie hinter der automatisierten Welt zu verstehen. Dabei fällt der Begriff der „walled gardens“ - ein Großteil der digitalen Ausgaben landen bei Internetriesen wie Google und Facebook. Die Problematik liegt auf der Hand: Nicht alle haben Zugriff auf jegliches Inventar, das programmatisch zur Verfügung gestellt wird.

Beim nachfolgenden Panel sind sich die Teilnehmer_innen einig: Bei Programmatic geht es darum, den Kunden dort zu erreichen, wo er auch unterwegs ist, egal ob mobile oder am Desktop. Torben Heimann, Managing Director DACH von Improve Digital: „Wir sollten den Kunden dort abholen, wo er sich auch wirklich mit dem Produkt auseinandersetzt.“ Schließlich ist das eines der viel zitierten Qualitätskriterien von programmatisch gebuchter Werbung. Heimann ist überzeugt, dass „wir in nicht allzu ferner Zeit eine 100-prozentige Vermarktung von Werbung auf programmatische Weise sehen werden“.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://medientage.at

 

 

 

 

 

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