Prognose der österreichischen Wirtschaft 2016 - 2017

 

erstellt am
30. 09. 16
11:00 MEZ

Konjunkturdynamik bleibt moderat
Wien (ihs) - Die internationale Konjunktur belebt sich nur äußerst zögerlich. Belastend wirken die hohen Unsicherheiten (unter anderem wegen des Brexit, protektionistischer Tendenzen und geopolitischer Risiken). Vor diesem Hintergrund erwartet das Institut für den Jahresdurchschnitt 2016 weiterhin ein Wachstum von 1.5 % für die österreichische Wirtschaft. Im Einklang mit der leichten Abkühlung im Euroraum und den schwächer werdenden positiven Effekten der Steuerreform sollte sich das BIP-Wachstum im nächsten Jahr etwas auf 1.3 % verlangsamen.

In der ersten Jahreshälfte expandierte die Weltwirtschaft weiterhin nur in verhaltenem Tempo. Im Jahresverlauf hat sich dabei das Wachstum in den Industriestaaten etwas verlangsamt, in den Schwellenländern hingegen stabilisierte sich die Konjunktur. Mit einem Wachstum von 0.3 % gegenüber dem Vorquartal blieb die Expansionsdynamik in den USA im zweiten Quartal gering. Nach 0.5 % zu Jahresbeginn betrug im Euroraum die Wachstumsrate gegenüber dem Vorquartal im zweiten Quartal 0.3 %. Äußerst schwach entwickelte sich der Welthandel, im Vorjahresvergleich stagnierte er im ersten Halbjahr. Trotz der weiterhin bestehenden strukturellen Probleme zeigen sich deutliche Hinweise auf eine Stabilisierung der Wirtschaftslage in den Schwellenländern. Diese profitieren von den gestiegenen Rohstoffpreisen und der konjunkturellen Festigung in China. Hingegen hat die Entscheidung der Briten für den Austritt aus der EU die politischen Unsicherheiten erhöht. Das Institut geht davon aus, dass der Brexit die konjunkturelle Entwicklung primär im Vereinigten Königreich dämpft, die über den Handelskanal auf die Weltwirtschaft ausgehenden Impulse werden gegenwärtig als gering eingeschätzt. Im weiteren Prognosezeitraum sollte sich das Wachstum der Weltwirtschaft etwas beschleunigen, insbesondere in den USA dürfte die Konjunktur anziehen. In Euroraum dürfte das Wachstumstempo verhalten bleiben. Aufgrund des Brexit sollte sich das Wirtschaftswachstum im Vereinigten Königreich stark abschwächen.

Im ersten Halbjahr ist die österreichische Wirtschaft um knapp 1.4 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gewachsen. Gemessen an der Trend-Konjunktur- Komponente betrugen die Wachstumsraten gegenüber dem jeweiligen Vorquartal in den ersten beiden Quartalen 0.4 % und 0.3 %. Im zweiten Quartal kamen die stärksten Impulse von der Binnennachfrage. Getrieben von der Steuerreform legte der private Konsum im Vergleich zur Stagnation in den Vorjahren merklich zu (0.3 %), positiv entwickelten sich auch die Bruttoanlageinvestitionen (1.0 %). Aufgrund der kräftigen Binnennachfrage stiegen die Importe (0.9 %) stärker als die Exporte (0.7 %). Die Industriekonjunktur blieb aber nur verhalten. Insgesamt gesehen erwartet das Institut weiterhin ein Wachstum der österreichischen Wirtschaft von 1.5 % im heurigen Jahr. Vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung und des sich abschwächenden Effekts der Steuerreform sollte das Wachstum im kommenden Jahr 1.3 % betragen.

Der Prognose liegt das folgende internationale Konjunkturbild zugrunde. Nach einem verhaltenden Wachstum von 1.6 % in diesem Jahr sollte sich das Wirtschaftswachstum in den USA im nächsten Jahr auf 2.3 % beschleunigen. Mit BIP-Wachstumsraten von 1.6 % bzw. 1.4 % bleibt die Wirtschaft des Euroraums auf einem moderaten Wachstumspfad. In den OECD-Staaten sollte die Wirtschaftsleistung um 1.7 % bzw. 2.0 % zulegen. In den Schwellenländern stabilisiert sich die Entwicklung, wobei für China ein Wachstum von 6.6 % bzw. 6.3 % erwartet wird. Die Weltwirtschaft wird mit Raten von 2.9 % bzw. 3.2 % expandieren.

Nachdem der reale private Konsum in Österreich in den Vorjahren stagnierte, legte dieses Aggregat im ersten Halbjahr um 1.2 % gegenüber dem Vorjahr zu. Dabei stärken die Steuerreform und die geringe Inflation das verfügbare Realeinkommen der privaten Haushalte. Für den Jahresdurchschnitt 2016 wird weiterhin ein Wachstum der privaten Konsumausgaben um 1.5 % erwartet. Ausgehend von den Erfahrungen früherer Steuerreformen wird unterstellt, dass die Sparquote um gut ¾ Prozentpunkte ansteigt. Im nächsten Jahr sollte die Sparquote wieder leicht zurückgehen und das Konsumwachstum 1.1 % betragen.

Nach einer längeren Phase schwacher Investitionstätigkeit beleben sich die Anlageinvestitionen im Prognosezeitraum. Während die Ausrüstungsinvestitionen bereits im Laufe des Vorjahres anzogen, wurden heuer auch die Bauinvestitionen nach langdauernder Schrumpfung wieder ausgeweitet. Die günstigen Finanzierungskonditionen und der Bedarf an Ersatzinvestitionen stützen dabei die Investitionstätigkeit. Bei den Ausrüstungsinvestitionen sollte sich die positive Dynamik des Vorjahres mit Raten von 3.5 % bzw. 2.8 % fortsetzen. Für die Bauten werden Zuwächse von 1.8 % und 1.5 % erwartet. Für die Anlageinvestitionen ergibt sich somit ein Wachstum von 2.7 % bzw. 2.2 %.

Im ersten Halbjahr hat sich der Welthandel äußerst schwach entwickelt. Im Prognosezeitraum werden die österreichischen Exportmärkte nur verhalten zulegen und vom Wechselkurs kommen keine zusätzlichen Impulse. Vor diesem Hintergrund wird ein Wachstum der österreichischen Warenexporte von 2.8 % erwartet, nächstes Jahr könnte die Wachstumsrate 3.3 % betragen. Mit 2.7 % bzw. 3.2 % wachsen die Gesamtexporte laut VGR im gleichen Tempo. Aufgrund der kräftigen Binnennachfrage legen die Warenimporte in diesem Jahr deutlich zu (4.0 %). Nächstes Jahr sollte sich die Dynamik der Importnachfrage etwas abschwächen (3.4 %). Insgesamt liefern die Nettoexporte im Prognosezeitraum keinen Wachstumsbeitrag.

Ausgehend von rund 1 % zu Jahresbeginn betrug die Inflationsrate in den letzten Monaten 0.6 %. Die geringe Preissteigerung geht primär auf die gefallenen Energiepreise zurück, aber auch die Kerninflation liegt nur bei rund 1 ¼ %. Nachdem der Basiseffekt der Rohölverbilligung in den nächsten Monaten auslaufen wird, zieht die Inflationsrate wieder etwas an. Im Jahresdurchschnitt sollte sich die Preissteigerung damit auf 0.9 % belaufen. Für nächstes Jahr wird eine Inflationsrate von 1.6 % erwartet. Das Institut geht davon aus, dass weder von den internationalen Rohstoff- und Energiepreisen noch von der heimischen Lohnstückkostenentwicklung ein spürbarer Preisdruck ausgehen wird. Die Prognose impliziert eine merkliche Verringerung des Inflationsdifferenzials zum Euroraum im nächsten Jahr. Dies ist auch notwendig, da längerfristig die höhere Inflation zu heimischen Lohndruck führt, welcher die preisliche Wettbewerbsfähigkeit belastet.

Die verbesserte Konjunkturlage und das weiterhin kräftig steigende Arbeitskräfteangebot sind im Prognosezeitraum die bestimmenden Faktoren am Arbeitsmarkt. Aufgrund des stärkeren Wachstums fällt die Beschäftigungsnachfrage kräftig aus. Im laufenden Jahr wird für die Zahl der Aktiv-Beschäftigten weiterhin ein Zuwachs um 1.5 % erwartet, nächstes Jahr sollte die Wachstumsrate 1.1 % betragen. Dies reicht aber nicht aus, um den Anstieg des Arbeitskräftepotenzials vollständig aufzunehmen. Dabei steigt insbesondere die Zahl der Erwerbspersonen aus dem Ausland, vor allem aus den ost- und mitteleuropäischen EU-Mitgliedstaaten. Aufgrund der höheren Erwerbsneigung von Frauen und Älteren erhöht sich auch die Zahl der inländischen Erwerbspersonen. Zusätzlich ist noch die starke Zuwanderung von Asylwerbern zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund erwartet das Institut eine Arbeitslosenquote laut nationaler Definition von 9.2 % bzw. 9.5 %. Die Arbeitslosenquote laut Eurostat-Definition wird 6.1 % bzw. 6.2 % betragen.

Die Lage der öffentlichen Haushalte wird im Prognosezeitraum insbesondere von der Steuerreform geprägt. Nachdem im Vorjahr ein strukturelles Nulldefizit erreicht wurde, dürfte heuer die Defizitquote auf 1.8 % steigen, wofür primär die zumindest kurzfristig nicht vollständig gegenfinanzierte Steuerreform verantwortlich ist. Im Jahr 2017 sollte die Defizitquote auf 1.4 % zurückgehen. Für eine Stärkung der Wachstumskräfte wäre es notwendig, durch Reformen alle Effizienzpotenziale im öffentlichen Bereich zu heben, sodass die erforderlichen zukunftsorientierten öffentlichen Investitionen (insbesondere in den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung) finanziert werden können. Vor dem Hintergrund der weiterhin hohen Abgabenlast bei gleichzeitig hoher Staatsverschuldung sollten die derzeitigen Neuverhandlungen des Finanzausgleichs auch dazu genutzt werden, die Finanzbeziehungen zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften zu entflechten. Durch eine anreizkompatiblere Verteilung der Kompetenzen und Beseitigung von Mehrfachzuständigkeiten können die Transparenz erhöht und die Weichen für eine effizientere öffentliche Verwaltung gestellt werden. Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich sind zu begrüßen (etwa im Bereich der Neugründungen), es bestehen aber weitere Reformnotwendigkeiten, etwa bei den Lohnnebenkosten. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass protektionistische Tendenzen in der Handelspolitik insbesondere für eine Exportnation wie Österreich wachstumshemmend wirken.

Weiterhin belasten Unsicherheiten die Konjunktur. Die Prognoserisiken sind eher abwärts gerichtet. Das größte Risiko für die europäische Konjunktur betrifft die wirtschaftlichen Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU. Eine ausgeprägte und langandauernde Rezession im Vereinigten Königreich hätte merkliche negative Auswirkungen auf die Haupthandelspartner. Starke und anhaltendende Turbulenzen an den Finanzmärkten sowie protektionistische Tendenzen im internationalen Handel würden die Wirtschaftsentwicklung spürbar verlangsamen. Eine Ausweitung der Konflikte im Nahen Osten und in Nordafrika (IS-Terrorismus und Flüchtlingskrise) könnte die Wirtschaftsstimmung weiter trüben und wohl auch zu einer Erhöhung der Energiepreise führen. Die polit-ökonomischen Probleme in der EU (Aufteilung der Flüchtlinge, Vollendung der Bankenunion, Schuldenkrise, Ausgestaltung der europäischen Institutionen) halten die Unsicherheit der Wirtschaftsakteure hoch. Je länger die weltweit expansive Geldpolitik fortgesetzt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Blasen auf den Aktien- und Immobilienmärkten auftreten. Gegenwärtig belebt sich die Industriekonjunktur in Österreich nur wenig, allerdings könnte eine Initiative zur Verbesserung des Wirtschaftsstandorts Österreichs die Stimmung bei den Unternehmen heben und zusätzliche Investitionen anregen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.ihs.ac.at

 

 

 

 

 

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