27. Volksgruppenkongress in Kärnten

 

erstellt am
18. 11. 16
10:00 MEZ

LH Kaiser und Peter Karpf, Leiter des Volksgruppenbüros, erfreut über positive Entwicklung
Klagenfurt (lpd) - Im neuen Domizil am Standort Bahnhofplatz 5 im ehemaligen „Haus der Volkskultur“ ging am 17.11. der Auftakt zum 27. Europäischen Volksgruppenkongress über die Bühne. Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierten Volksgruppenreferent LH Peter Kaiser und Peter Karpf, Leiter des Volksgruppenbüros, nicht nur die neue Dienst- und Servicestelle, sondern gaben auch einen Ausblick auf die Veranstaltungsreihe im Rahmen des Kongresses. Dem Dialogforum folgten eine Podiumsdiskussion mit dem Thema „Echo eines Jahrhunderts: Perspektiven für Kärnten 2020“, die Eröffnung der „VI. Ars Pannonica – Internationale Ausstellung für bildende Kunst“ sowie die Eröffnung des Kongresses im Konzerthaus Klagenfurt am 18.11.

Das Volksgruppenbüro sei im Jahr 1990 entstanden, um der Volksgruppe einen besseren Zugang zur Landesverwaltung zu ermöglichen. „Ich kann mich noch gut an meinen Besuch als Abgeordneter beim ersten Volksgruppenkongress im Warmbader Hof in Villach erinnern. Damals wäre ich nicht davon ausgegangen, dass ihm eine so lange Geschichte beschieden sein wird“, so Kaiser. Man habe sich aber permanent weiterentwickelt und erfülle heute verschiedenste Aufgaben. Übersetzungs- und Dolmetschdienste, Projekt- und Veranstaltungsmanagement, die Koordination des Menschenrechtspreises sowie der Gedenkkultur in Kärnten und das slowenische Formularwesen sind nur einige Schwerpunkte, mit denen sich das Team des Volksgruppenbüros auseinandersetzt. Mit der Unterzeichnung des Memorandums betreffend zweisprachiger topographischer Aufschriften, die Amtssprache sowie Maßnahmen für die Zusammenarbeit mit der slowenischen-sprachigen Volksgruppe im Jahr 2011 wurde auch die Entwicklung eines Dialogforums für die Entwicklung des gemischtsprachigen Gebietes festgeschrieben.

„Ich orte derzeit, dass Populismus mehr und mehr zu einem Stilelement der Politik wird. Wenn mit einfachen Worten versucht wird, eine Mehrheit zu erreichen, besteht die Gefahr, dass Minderheiten zum Ziel werden“, warnte der Landeshauptmann. Er glaube daher, dass es wichtig sei, wachsam zu sein. „Ich werde nicht zulassen, dass über irgendwelche Wege versucht wird, die Volksgruppe für politische Zwecks zu missbrauchen“, versprach Kaiser. Kärnten stehe vor großen Herausforderungen und man müsse daher den Blick in Richtung Zukunft wenden. „Mir ist wichtig, dass aus dem Geschichtlichen auch immer Zukunftsperspektiven geschaffen werden“, betonte Kaiser.

Dankbar für die gute Zusammenarbeit aller zeigte sich Karpf. Er war von Anfang an im Volksgruppenbüro und sei höchst erfreut nicht nur über die zu behandelnden Inhalte sondern auch über die bisherigen Ergebnisse.

 

 

Kärntner Dialogforum befasste sich mit aktuellen Volksgruppenfragen
Mit der Frage zusätzlicher zweisprachiger Straßenbezeichnungen im Bereich der Gemeinde St. Jakob im Rosental und der Bestellung von Leitungen im Geltungsbereich des Minderheitenschulwesens befasste sich das Kärntner Dialogforum unter Vorsitz von Landeshauptmann Peter Kaiser.

In der Frage, wer über zweisprachige Straßenbezeichnungen im zweisprachigen Gebiet zu entscheiden habe, erläuterte auf Bitte von Kaiser der Leiter der Verfassungsabteilung des Landes, Edmund Primosch, dass die Zuständigkeit dafür bei der Gemeinde selbst und nicht beim Land liege.

Um diese Diskussion rechtsverbindlich und zweifelsfrei zu klären, fasste das Gremium des Dialogforums auf Vorschlag von Kaiser den Beschluss, diese Frage vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes beantworten zu lassen.

In der Diskussion um die Besetzung von Leitungsfunktionen im Geltungsbereich des Minderheitenschulwesens - Auslöser dafür war das Verfahren zur Besetzung der Volksschulen Völkermarkt und Eberndorf - machte der Landeshauptmann einmal mehr darauf aufmerksam, dass es keine, wie fälschlich dargestellt, diesbezügliche Verordnung seinerseits gäbe. Richtig sei vielmehr, dass es entsprechend dem neuen, auf Bundesebene beschlossenen Lehrerdienstrechts, in den entsprechenden Ausschreibungen, ein Kriterium festgeschrieben war, wonach für die Bestellung von Direktoren in zweisprachigen Schulen, Bewerberinnen und Bewerber mit entsprechenden Slowenischkenntnissen (auf Niveau B1) zu bevorzugen seien. Zudem erklärte Kaiser, dass Stand jetzt, noch keine offizielle Reihung vorliege. “Nach dem Objektivierungsverfahren hat der Landesschulrat zu befinden, ob das Auswahlverfahren rechts- und gesetzeskonform abgeführt wurde. Danach hat er eine Reihung vorzulegen und erst dann hat der Landeshauptmann zu entscheiden.”

Der Leiter der Verfassungsabteilung zitierte auf Nachfrage zu den gesetzlichen Bestimmungen über die Besetzung von Leitungsfunktionen den Paragraph 26 des Kärntner Landeslehrergesetz: “Die Landesregierung darf aus dem Vorschlag nach § 6 Abs. 1 nur denjenigen zum Schulleiter ernennen, von dem auf Grund seiner pädagogischen Eignung, aber auch auf Grund seiner persönlichen Qualifikation und hiebei insbesondere auf Grund seiner Führungs- und Kommunikationsqualifikation anzunehmen ist, dass er von allen Bewerbern um die Leiterstelle die Aufgaben als Schulleiter in bestmöglicher Weise erfüllt.”

Aufgrund der aktuellen Diskussion kündigte Kaiser an, die vom Landesschulrat vorzubereitende Entscheidungsgrundlage, wie immer sie letzten Endes aussehen werde, juristisch bis ins letzte Detail prüfen zu lassen, um jedenfalls einer politisch konstruierten Volksgruppendiskussion und jedem Zweifel der Diskriminierung von Anfang an Einhalt zu gebieten.

Der Landeshauptmann machte dazu unmissverständlich klar, dass er es nicht zulassen werde, dass Volksgruppenfragen und Fragen der Zwei- und Mehrsprachigkeit wieder für politische Zwecke missbraucht werden. “Kärnten hat sich in dieser Frage insbesondere seit der Ortstafellösung sehr positiv weiterentwickelt. Das gegenseitige Verständnis und der gegenseitige Respekt zwischen den Kärntnerinnen und Kärntner beider Muttersprachen, haben sich spürbar verbessert und damit auch das gesamte Ansehen Kärntens. Ich werde alles tun, damit es keinen Rückfall in eine eigentlich überwunden geglaubte Vergangenheit gibt.”

 

 

Podiumsdiskussion und Ausstellung
„Echo eines Jahrhunderts: Perspektiven für Kärnten 2020“ – unter diesem Titel fand fand am Abend des 17.11. eine Podiumsdiskussion im Landesregierungsgebäude in Klagenfurt statt. Es handelte sich um die Auftaktveranstaltung zum „XXVII. Europäischen Volksgruppenkongress“. Vor dem Hintergrund des 100-jährigen Jubiläums der Kärntner Volksabstimmung im Jahr 2020 wurden u.a. die Bereiche Wirtschaft, Bildung, Sprache, Identität, Migration, aber auch Industrie bzw. Gesellschaft 4.0 angesprochen. Berichtet wurde zudem vom bereits gestarteten Prozess hin zur Landesausstellung 2020 – sie soll einen Dreiklang aus Vergangenheit, Gegenwart und vor allem Zukunft erzeugen. Im Anschluss an die Diskussion wurde im Verwaltungszentrum des Landes die Ausstellung „Ars Pannonica“ mit Kunst aus Ungarn und Kärnten eröffnet.

Landeshauptmann Peter Kaiser will zum Jubiläum der Volksabstimmung würdigen was passiert ist und einen vergleichenden Querschnitt durch die Jahrhunderte ziehen. Vor allem aber wolle man Erlebtes/Erfahrenes vermitteln und daraus Weichenstellungen für die Zukunft ableiten „Geschichte soll nicht Verklärung sein, sondern ein Erfahrungsreservoir, aus dem heraus wir gestalten wollen“, meinte er. Zudem sollten die Menschen mit dem Gefühl aus der Ausstellung hinausgehen, andere zu verstehen. Sprachen, Kulturen, Internationalität sieht Kaiser als ganz wesentlich an für ein exportorientiertes Land wie Kärnten. Gerade Volksgruppen könnten in diesem Sinne Türen öffnen, dies müsse man noch stärker nutzen.

Als zählbaren und zukunftsorientierten Erfolg bezeichnete der Landeshauptmann die Umwandlung des Kontaktkomitees in ein Gemeinsames Komitee Slowenien-Kärnten. Er hob Kärntens vorhandene Chancen hervor, von Natur, Wasserkraft, der zentralen Lage im Alpen-Adria-Raum, der Kooperation mit den Nachbarn, der Südachse mit der Steiermark, bis hin zum künftigen Anschluss an die Baltisch-Adriatische Achse und Initiativen in der Startup-Szene. Er betonte außerdem die Wichtigkeit, auf Digitalisierung und Industrie 4.0 bereits jetzt entsprechend zu reagieren – Stichwort Gesellschaft 4.0. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung sei wichtiges Auffangnetz bei diesen revolutionären Veränderungen in Produktion und Dienstleistung an. Die Mindestsicherung diene auch zur Reintegration in den Arbeitsmarkt.

„Wie kann man Zukunft ausstellen?“, warf Peter Fritz als Kurator der Landesausstellung 2020 in den Raum. Sein Ansatz sei es, die Besucherinnen und Besucher nach ihren Wünschen für die Zukunft zu fragen. „Und dann wollen wir die Menschen in die Verantwortung nehmen, indem wir fragen: Was ist dein Beitrag dazu?“, erklärte Fritz. Für ihn ist die Landesausstellung schon jetzt geöffnet und nicht erst 2020. Es sei bereits viel Energie da, die Menschen würden dabei sein wollen. Die Ausstellung versteht der Kurator als Kommunikationsplattform. Themen seien u.a. Identität, Erinnerungskultur, Nachbarschaft, Dialog, Vernetzung, aber auch Migration, Demokratieentwicklung. „Es soll mehr als eine Landesausstellung sein, es muss ein Paket sein“, betonte Fritz, der Vereine und Gemeinden dabei haben will: „Wir wollen einen Zug starten, der über 2020 hinausfährt.“

Europaabgeordnete Angelika Mlinar und Verleger Lojze Wieser hoben beide die große Bedeutung von Sprache für Volksgruppen hervor. „In den 49 Staaten Europas werden ohne die Dialekte 400 lebende Sprachen gesprochen, das sind im Schnitt acht pro Staat“, sagte Wieser. In der Vergangenheit sei das Slowenische in Kärnten zum Schweigen gebracht worden, viele Menschen seien verstummt. Aber Kärnten habe ein „Öffnen hin zur Verständigung“ geschafft, das sei eine Lehre, die man aus Kärnten in die Welt tragen könne. Mlinar wünscht sich mehr Mehrsprachigkeit auch im öffentlichen Raum. Die Wertegemeinschaft Europa betrachtet sie als fördernd für die Entwicklung der Volksgruppen.

Volkswirt Bernhard Felderer bezeichnete Internationalisierung als essentiell, es sei eine wirtschaftliche Notwendigkeit, mit allen gut auszukommen. Er meinte auch, dass jede Mehrheit froh sein müsse, Minderheiten zu haben. Sorgen bereiten ihm aktuelle Entwicklungen in der Welt. Er befürchte die Zunahme von Nationalismus und dass die Demokratie an Ansehen verliere. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von NEWS-Chefredakteurin Eva Weissenberger.

Die danach eröffnete „Ars Pannonica“ ist das kulturelle Rahmenprogramm zum Volksgruppenkongress. In ihrem Rahmen präsentieren 30 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler – fünf aus Kärnten und 25 aus Ungarn –bis zum 1. Dezember gemeinsam ihre Werke. Organisiert wird die Ausstellung vom ungarischen Komitat Vas, wie Kärnten eine Mitgliedsregion der 2013 in Klagenfurt gegründeten Alpen-Adria-Allianz. Ihr gehören derzeit elf Mitglieder aus Kroatien, Österreich, Slowenien und Ungarn an.

„Kunst ist eine internationale Sprache, die Menschen zusammenbringt und Vielfalt ausdrückt“, sagte Kaiser. Er verwies auf die seit genau 30 Jahren bestehende Verbindung zwischen Kärnten und dem Komitat Vas – unterschiedlichste politische Systeme seien in diesem Rahmen überwunden worden. „Das Gemeinsame haben wir immer als das Verbindende gesehen, insbesondere durch Kultur und Sport“, meinte der Landeshauptmann. Allgemein gelte es, die gemeinsame Idee Europa weiter zu forcieren. Die Alpen-Adria-Allianz mache es vor, sei direkt bei den Menschen und in den Regionen.

Auch Gesandter Gábor Hajas von der ungarischen Botschaft hob die starke Freundschaft zwischen Kärnten und dem Komitat Vas hervor. Bálint Kondora, der Vizepräsident der Generalsversammlung des Komitates Vas, dankte allen an der Ausstellung Beteiligten sowie den Unterstützern dieser Biennale. Eine Einführung in die Ausstellung gab es vom Kunsthistoriker Erno Szabó, moderiert wurde die Eröffnung vom Generalsekretär der Alpen-Adria-Allianz, Thomas Pseiner. Die fünf Ausstellenden aus Kärnten sind Birgit Bachmann, Rudi Benétik, Uwe Bressnik, Martin Steiner und Robert Trsek. Für ihr Schaffen geehrt wurden Rudi Benétik und der ungarische Künstler Péter Baky – für ihn nahm Judit Banovits die Auszeichnung entgegen.

     

Eröffnung im Klagenfurter Konzerthaus
Im Klagenfurter Konzerthaus wurde von Landeshauptmann Peter Kaiser am 18.11. der XXVII. Europäische Volksgruppenkongress offiziell eröffnet. Er steht im heurigen Jahr unter dem Motto „Globalisierung - Fairplay für Volksgruppen?“

Der Landeshauptmann beleuchtete in seiner Rede die Volksgruppendynamik der letzten Jahre sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch in Kärnten. „Sie ist in der EU, die viel für Volksgruppen getan hat, ein neues Wesensmerkmal und relevant. Alle haben dadurch die Chance, eine weitere zusätzliche Identität zu bekommen“, lautete seine Analyse. In Bezug auf Kärnten hob Kaiser hervor, dass es im Verhältnis zur Volksgruppe viele Fortschritte gegeben habe und dass sich einiges durch dialog- und vertrauensstiftende Maßnahmen und Projekte verändert habe. „Die politisch Verantwortlichen werden alles tun, dass diese positive Entwicklung auch künftig fortgesetzt wird“, betonte Kaiser.

Das heurige Kongressthema spiegelt für den Landeshauptmann wider, dass sich die Rolle der Volksgruppen in der digitalisierten Welt und des Internets gewandelt habe. „Was früher anonym und regional beschränkt war, wie beispielsweise das Eintreten für Minderheitenrechte und die Sprache, kann nun im Internet an allen Orten abgerufen werden“, so Kaiser. Trotz dieser rasanten technischen Entwicklung müssten künftig das Miteinander, das Fairplay und der Respekt aufh gleicher Augenhöhe stattfinden.

Erfreut stellte der Landeshauptmann fest, dass der Kongress immer mehr an internationaler Breite gewinne. Neben den internationalen und nationalen Kongressreferenten begrüßte er ganz herzlich ukrainische Delegationsteilnehmer aus Czernowitz und Kiew, aus den rumänischen Städten Sibiu, Reschitz und Bistritz und Schülerinnen und Schüler des BG/BRG für Slowenen und des Europagymnasiums Klagenfurt.

Der Kongress des Landes Kärnten wird seit über 25 Jahren vom Volksgruppenbüro organisiert und durchgeführt. Sein Ziel und Bestreben ist es, aktuelle europäische Volksgruppenthemen mit Fachbeiträgen zu beleuchten. Seither haben rund 300 nationale und internationale Experten Vorträge gehalten.

Im heurigen Jahr referierten Politikwissenschaftsprofessor Alexander Mirescu von der St. Peter University Jersey City (USA), Ursula Plassnik, österreichische Botschafterin in Bern, der hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Valentin Inzko, Univ. Prof. Gudrun Biffl von der Donau Universität Krems, die Leiterin des Referats „Interkultureller und interreligiöser Dialog“ des österreichischen Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres, Aloisia Wörgetter, der Präsident der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten, Loránt Vincze, aus Flensburg, der Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Benjamin Józsa, und der Generalsekretär des Zentrums für globale Herausforderungen und Innovationen der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Miroslav Polzer.

Von Landesamtsdirektor Stellvertreter Markus Matschek wurden die Vertreter der Politik, der Kirche, des diplomatischen Korps, der Volksgruppe und der Konsensgruppe, des Militärs und der Verwaltung begrüßt.

 

 

 

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