Nationalrat: Kronzeugenregelung
 wird verlängert und präzisiert

 

erstellt am
16. 12. 16
11:00 MEZ

Diskussion über krankenversicherungsrechtlichen Status von Häftlingen
Wien (pk) – Einig waren sich im Nationalratsplenum alle Fraktionen am 15.12., dass die Kronzeugenregelung eine sinnvolle Maßnahme ist. Sie wird deshalb mit einigen Abänderungen der derzeit geltenden Bestimmungen auf weitere fünf Jahre verlängert, vor Ablauf dieser Frist soll eine Evaluierung vorgenommen werden.

Der Grundgedanke, dass der Aufklärungsbeitrag des jeweiligen Kronzeugen die Schwere seiner Tat übersteigen und er bzw. sie von sich aus aktiv an die Staatsanwaltschaft herantreten muss, bleibt weiterhin aufrecht. Gerade durch das ausdrückliche Abstellen des Gesetzgebers auf die Eigeninitiative des potenziellen Kronzeugen soll sichergestellt werden, dass die Regelung keine "Deals" der Strafverfolgungsbehörden in Drucksituationen ermöglicht. Im Übrigen soll der potenzielle Kronzeuge schon in einem möglichst frühen Stadium des Verfahrens erfahren, ob seine Angaben für die Anerkennung des Kronzeugenstatus ausreichen. Neu ist nun das Recht des Kronzeugen, gegen seine Ablehnung Beschwerde einzubringen. Der Status als Kronzeuge kann überdies auch noch während der Hauptverhandlung beantragt werden.

Die Regelung sei auf der Höhe der Zeit, zeigte sich Justizminister Wolfgang Brandstetter überzeugt. Wie die Vorsitzende des Justizausschusses Michaela Steinacker (V) unterstrich, habe man die Kritikpunkte aus dem Begutachtungsverfahren sehr ernst genommen und unter Einbeziehung einer hochrangigen Expertengruppe den nun vorliegenden Gesetzentwurf erarbeitet. Sowohl Steinacker als auch Johannes Jarolim (S) und Albert Steinhauser (G) hoben besonders hervor, dass es in Österreich zu sogenannten Deals mit der Staatsanwaltschaft, wie diese beispielsweise in den USA möglich sind, nicht kommen kann. Das würden die präzisen Regelungen verhindern. Alle drei RednerInnen halten auch die Freiwilligkeit sowie die Verbesserung der Rechtssicherheit für Kronzeugen für wesentliche Aspekte des Gesetzes.

Begrüßt wurde zudem die geplante Evaluierung nach fünf Jahren, da es bisher nur wenig Fälle gegeben hat, wie Harald Stefan (F) anmerkte. Lediglich Steinhauser hält eine solche Evaluierung für nicht unbedingt erforderlich. Er strich hervor, dass es bei der Kronzeugenregelung nicht um Milde gehe, sondern um einen Anreiz, Verbrechen aufzuklären, die sonst nicht aufgeklärt werden könnten. Nikolaus Scherak (N) meinte, die Kronzeugenregelung stehe zwar in einem Spannungsverhältnis zu rechtsstaatlichen Prinzipien, dennoch sei es gut, dass man sie hat.

Die Anregung von Steinhauser (G), über eine zivilrechtliche Ergänzung zur Kronzeugenregelung nachzudenken, wurde vom Justizminister positiv aufgenommen. Jeder Kronzeuge setze sich der Gefahr von Schadenersatzforderungen aus, erklärte Steinhauser, weshalb er es in Einklang mit dem Ressortchef für richtig hielte, im zivilrechtlichen Bereich ein Haftungsprivileg anzudenken.

Die Novelle setzt darüber hinaus die EU-Richtlinie betreffend den Rechtsbeistand in die österreichische Rechtsordnung um. Klargestellt wird damit, dass Beschuldigte die Möglichkeit haben, vor der Vernehmung einen Verteidiger zu verständigen, beizuziehen oder zu bevollmächtigen. Ausdrücklich geregelt ist zudem die Teilnahme eines Verteidigers auch bei der Vernehmung zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft.

Änderungen bringt die Vorlage aber auch bei der Diversion, die nun im Erwachsenenstrafrecht unter bestimmten Umständen auch bei Todesfolge zulässig sein soll. Das gilt dann, wenn nahe Angehörige fahrlässig getötet werden. Die Schuldigen seien hier ohnehin gestraft genug, wie Michaela Steinacker (V) anmerkte. In diesen Fällen gibt es keinen generalpräventiven Grund zu strafen, meinte auch Nikolaus Scherak (N). Er unterstützte die Neuerung ebenso wie Albert Steinhauser (G) explizit.

Ruth Becher (S) thematisierte in dieser Debatte die Auslieferung von Häftlingen und meinte unter Anführung von in der Öffentlichkeit viel diskutierter Fälle wie jenem von Edward Snowden, dass hier nicht nur Justiz- sondern auch Wertesysteme aufeinandertreffen. Der Europäische Haftbefehl habe sich bewährt, so Becher, weshalb sie hoffe, dass dieser zum Vorbild für andere Länder wird.

Der von Harald Stefan (F) eingebrachte Entschließungsantrag, in dem die Freiheitlichen den Bundeskanzler auffordern, darauf hinzuwirken, dass die EU Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beendet werden, um unter anderem die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten nicht zu gefährden, fand keine Mehrheit.

Ausgleichszahlung für Krankenversicherung von Häftlingen wird erhöht
Gemeinsam mit der Kronzeugenregelung diskutierten die Abgeordneten auch über die Änderung einer Vereinbarung nach Art. 15a B-VG, die die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten betrifft. Da Insassen von Strafanstalten nicht krankenversichert sind, müssen für sie bei stationärem Aufenthalt in Krankenhäusern die Tarife für PrivatpatientInnen bezahlt werden. Daher wurde erstmalig im Jahr 2003 eine Vereinbarung mit den Ländern abgeschlossen, um im Ergebnis eine Gleichstellung des Bundes mit den Krankenversicherungsträgern herzustellen. Berechnungsbasis dieser Vereinbarung waren die vergleichsweise ermittelten Krankenhauskosten der Strafvollzugsverwaltung des Jahres 2000. In weiterer Folge wurde diese Vereinbarung immer für die jeweilige Dauer der Finanzausgleichsperiode ohne Valorisierung verlängert. In diesem Zeitraum haben sich aber die Krankenhauskosten der Strafvollzugsverwaltung kontinuierlich gesteigert. Konkret soll nun durch die Anhebung des jährlichen Pauschalbetrags der Länder von 8,5 Mio. € auf 12,7 Mio. € die ursprünglich gegebene Gleichstellung mit den Krankenversicherungsträgern teilweise wieder hergestellt werden.

Diese Vereinbarung bzw. deren Verlängerung stieß bei den Freiheitlichen auf heftigen Widerstand. Harald Stefan, Christian Lausch und Philipp Schrangl halten es genauso wie Rupert Doppler (o.F.) nicht in Ordnung, dass für Häftlinge beim Spitalsaufenthalt Tarife von PrivatpatientInnen bezahlt werden. Der Rechnungshof hätte bereits 2012 diesen Zustand kritisiert, die Verlängerung der geltenden Regelung bringe dem Bund enorm hohe Kosten, da die Tarife das dreifache von jenen der Gebietskrankenkasse ausmachen. In einem Entschließungsantrag treten die Freiheitlichen daher dafür ein, die Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung einzubeziehen.

Sie kamen jedoch damit nicht durch, obwohl grundsätzlich alle diesen Weg für den richtigen halten. Da es darüber jedoch noch keine Einigung gibt, sei die Fortführung der Vereinbarung notwendig. Justizminister Wolfgang Brandstetter erläuterte, dass er mit seinen bisherigen Initiativen beim Hauptverband noch nicht ans Ziel gekommen sei. Der Minister machte jedoch darauf aufmerksam, dass es sich in jedem Fall um öffentliche Gelder handle und hier wohl das psychologische Moment eine Rolle spiele. Wie Harald Troch von der SPÖ ausführte, sei jedenfalls eine konkrete und zeitgemäße Lösung anzustreben, an der Krankenversicherung führt ihm zufolge kein Weg vorbei. Als Alternatividee brachte er ein eigenes Justizspital wie in Deutschland in die Diskussion ein. Hier müsste man sich aber die Kosten anschauen und auch die Sicherheitsfrage mitberücksichtigen, sagte Troch. Die Vereinbarung passierte den Nationalrat mehrheitlich gegen die Stimmen der FPÖ.

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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