Sichtbares Zeichen der Friedensstadt Linz

 

erstellt am
15. 12. 16
11:00 MEZ

Europaweit erstes Mahnmal für aktive Gewaltfreiheit
Linz (stadt) - Nach einem mehrjährigen Prozess, der durch einen Antrag der Gemeinderatsfraktion der Grünen Linz zur Errichtung eines „Denkmals für DeserteurInnen“ initiiert wurde, steht Linz nun vor der Errichtung des europaweit ersten Mahnmals für aktive Gewaltfreiheit. Dieses Mahnmal soll die Vergangenheit dieser Stadt reflektieren und zukunftsweisend auf ein friedliches Zusammenleben und eine konstruktive, gewaltfreie Konfliktkultur wirken. Es soll ein sichtbares Zeichen der Friedensstadt Linz sein, das auch über die Landesgrenzen hinaus Beachtung findet, und unterstreicht mit seiner Platzierung vor dem Neuen Rathaus die Bedeutung von Kunst im öffentlichen Raum für Linz.

Das Mahnmal soll aber auch derjenigen ÖsterreicherInnen gedenken, die sich aktiv und ohne Gewaltanwendung gegen das nationalsozialistische Gewaltregime stellten.

Die aktive Gewaltfreiheit ist ein Prinzip, das jegliche Form der Gewalt ablehnt und versucht, diese zu überwinden. Gewaltfrei aktiv werden heißt, standhaft und öffentlich gegen Unrecht einzutreten, dabei auch im gefährlichen, übermächtig erscheinenden Gegner den Menschen zu sehen und anzusprechen, hartnäckig am Dialog festzuhalten, selbst wenn er unmöglich erscheint, und niemand anderem Leiden zuzufügen, sondern, wenn es denn sein muss, Leiden auf sich zu nehmen. Aktive Gewaltfreiheit ist damit eine politische und gesellschaftliche Kraft, die zur friedlichen Konfliktlösung beitragen kann.

Mit dieser Akzentsetzung des Mahnmals ist keine Verurteilung anderer Widerstandsakte, wie beispielsweise am 20. Juli 1944 oder von Sabotageaktionen zur Behinderung der NS-Kriegsmaschinerie, verbunden. Es geht vielmehr um die Erinnerung an erfolgreichen, strikt gewaltfreien Widerstand gegen öffentliches Unrecht in der Vergangenheit (Gandhi, Martin Luther King, Cesar Chavez, Hildegard und Jean Goss-Mayr im Kampf gegen Diktaturen in Lateinamerika oder Asien), in der Gegenwart (Kampf gegen Naturzerstörung, Atomwaffen und Atomkraft, Ablösung der autoritären Regime in Serbien, Tunesien, Ägypten) und vor allem in der Zukunft unseres eigenen Landes.

Eigener Gestaltungs-Wettbewerb
Im Rahmen eines Wettbewerbs zur räumlich-künstlerischen Gestaltung des Mahnmals wurden von einer siebenköpfigen Jury fünf KünstlerInnen mit Bezug zu Oberösterreich ausgewählt. Die nominierten KünstlerInnen Nicole Six/Paul Petritsch, Renate Herter, Andrea Van der Straeten, Herwig Kempinger und Karl-Heinz Klopf folgten der Einladung und präsentierten im Oktober heurigen Jahres ihre Entwürfe der Jury.

In einer eingehenden Diskussion aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven hat sich die Jury mit den vorgelegten Arbeiten befasst und für den Entwurf von Karl-Heinz Klopf entschieden. Die Idee, die seiner Arbeit zugrunde liegt, sind die elementaren Verhaltensaspekte für aktive Gewaltfreiheit:

  • Versuche den Gegner persönlich zu begegnen!
  • Verhandle!
  • Überzeuge den Gegner!
  • Schenke dem Gegner Vertrauen!
  • Gehe mit dem Gegner respektvoll um!


Diese Aspekte der Verhandlung stellen die Ausgangsidee für den Entwurf dar. Die kreisrunde Plattform , mit einem Durchmesser von drei Metern, stellt den gemeinsamen Aktionsraum dar und symbolisiert das konkrete Verhand-lungsfeld. Auf der Plattform befinden sich eine zylindrische und eine kubische Sockel-Skulptur, welche für die unterschiedlichen Positionen der GesprächspartnerInnen stehen. Sie sind DialogpartnerInnen, neigen sich trotz der Unterschiede zueinander, gehen aktiv aufeinander zu. Hier wird das wesentliche Element der aktiven Gewaltfreiheit verdeutlicht: Unabhängig davon, wer welche Position wie vertritt, wesentlich ist die positive Geste des Aufeinander-Zugehens und das Eintreten in einen gemeinsamen Dialog. Die Skulptur aus weißem Betonguss soll eine Insel für Kommunikation sein und die Essenz der aktiven Gewaltfreiheit für PassantInnen physisch erlebbar und aktiv nachvollziehbar machen.

Das Mahnmal soll beim Brückenkopf der Nibelungenbrücke auf der Seite des Neuen Rathauses zur Aufstellung kommen. Die Errichtung ist (einschließlich Durchführung des Wettbewerbs) mit Kosten in Höhe von rund 50.000 Euro verbunden.

Kunst im öffentlichen Raum
Das „Mahnmal für aktive Gewaltfreiheit“ setzt die Reihe der erfolgreichen Wettbewerbe für Kunst im öffentlichen Raum, die seit dem Kulturhauptstadtjahr 2009 seitens der Kulturdirektion der Stadt Linz ausgelobt worden sind, fort. So wurde etwa 2012 mit Restmitteln der Kulturhauptstadt Linz09 der NORDICO Vorplatz mit der Skulptur „eS“ des KünstlerInnenduos PRINZ-GAU/podgorschek neu gestaltet. Dieses „Stadtmöbel“ hat den Außenraum des Museums völlig neu definiert und ist als multifunktional konzipierte Skulptur eine künstlerisch clevere Lösung für aktive StadtnutzerInnen. Ebenfalls 2012 wurde als Erinnerung an die ehemalige Landesfrauenklinik in der Lederergasse das von Elisabeth Kramer geschaffene Denkmal mit dem Titel „Betrachtungsgerät (gebären, verwehren, genesen)“ errichtet. Die Anregung für das Denkmal kam von den Bauträgern der neuen Siedlung am ehemaligen Areal der Landesfrauenklinik, GWG und LAWOG, welche gemeinsam mit der Stadt Linz und dem Land Oberösterreich dafür den Auftrag vergaben. Mit seinen aktuellen Aktivitäten im Bereich Kunst im öffentlichen Rau schließt Linz an die jahrzehntelange Tradition von Kunst im öffentlichen Raum an, an deren Beginn das „forum metall“ und die heuer wieder nach Linz zurückgekehrte Nike von Haus-Rucker-Co stand.

Jury-Entscheidung
Ihre Entscheidung begründete die Jury folgendermaßen: Der Kommunikationsaspekt der Arbeit und die Visualisierung eines Dialogfeldes sind ein schlüssiger und nachvollziehbarer Zugang zum Themenkomplex „Aktive Gewaltfreiheit“. Die Arbeit ist für den öffentlichen Raum vor dem Neuen Rathaus ausgezeichnet geeignet, da sie das Thema inhaltlich verständlich kommuniziert und für PassantInnen auch auf interaktive Weise nachvollziehbar macht. Die Schaffung eines eigenen Raumes im (öffentlichen) Raum ist eine gelungene formale Lösung für den konkreten Ort. Neben der stark befahrenen Verkehrsstraße und einem normalerweise als Gehweg genutzten Transitraum entsteht hier vor dem Neuen Rathaus eine Einladung zum Dialog in einer dem Dialog eher abträglich gestalteten Umgebung.

Die Jury hebt auch die Positivität der Arbeit hervor, die diese einer breiten Gruppe von RezipientInnen zugänglich macht.

Folgende Personen gehörten der Jury an: Dr. Julius Stieber (Kulturdirektor der Stadt Linz), Direktorin Stella Rollig (Künstlerische Direktorin der städtischen Museen), Dr.in Katharina Blaas-Pratscher (Land NÖ, Leitung Kunst im öffentlichen Raum), Direktor Dr. Walter Schuster (Leiter Archiv der Stadt Linz), Dr.in Mag.a Brigitte Kepplinger ((Johannes Kepler Universität, Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik), Dr. Reiner Steinweg (Friedens- und Konfliktforscher, Friedensinitiative der Stadt Linz) und DI Harald Lueger (Abteilungsleiter Bebauungsplanung).

Künstler-Biografie
Karl-Heinz Klopf wurde in Linz geboren, absolvierte ein Studium an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz, lebt und arbeitet in Wien. In seiner künstlerischen Praxis beschäftigt er sich mit der gebauten Umwelt und urbanen Sphären. Er arbeitet mit verschiedenen Medien, wie Zeichnung, Film, Fotografie, Installation und Projekte im Kontext von Architektur und Urbanismus. 1982 gestaltete er in Zusammenarbeit mit Gerhard Knogler die vielen LinzerInnen bekannte Zigarettenschachtel-Skulptur neben der Tabakfabrik.

Auszeichnungen: u.a. OÖ. Landeskulturpreis für Interdisziplinäre Kunstformen (2011), Preis für „They“ Diagonale – Festival des österreichischen Films (2011), Preis für „By Way of Display“ Medien und Architektur Biennale Graz (2003)

Einzel- und Gruppenausstellungen: u.a. Austrian Cultural Institute New York, MAK–Museum für angewandte Kunst, Secession Wien, Landesgalerie Linz, Liverpool Biennale 2010, OK–Centrum für Gegenwartskunst, 9. Internationale Istanbul Biennale, „Cities on the Move“ (Wien, Bordeaux, New York, London, Humblaebeck, Helsinki, Bangkok), LENTOS Linz

Arbeiten im öffentlichen Raum / Kunst am Bau: u.a. Bundesrealgymnasium Kufstein, Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, Landesfrauenklinik Linz, Stadium Wals-Siezenheim Salzburg, Volksschule Engerwitzdorf, Platzgestaltung Hollabrunn, Tabakwerke Linz

30 Jahre Friedensstadt
Mit der Erklärung zur Friedensstadt im Jahr 1986 hat sich Linz zum Ziel gesetzt, das Friedensengagement der Menschen zu fördern und so einen aktiven Beitrag zur Erhaltung des Friedens – im Großen wie im Kleinen – zu leisten. Der Gemeinderat der Stadt Linz bekennt sich damit zur moralischen und politischen Verpflichtung, die Friedenssehnsucht und das Friedensengagement der Menschen dieser Stadt aufzugreifen und verstärkt zu einem Grundprinzip kommunalpolitischen Handelns zu machen. Mit zahlreichen Aktivitäten, wie etwa der jährlichen Friedenserklärung des Gemeinderates oder dem langjährigen ZeitzeugInnen-Programm „Es gärt!“ an Linzer Schulen, setzt die Stadt Linz dieses Bekenntnis um. Dialogbereitschaft, Respekt und die Wahrnehmung von Vielfalt als Chance sind Werte, welche die Grundlage für Frieden bilden. Um diese Werte auch der breiten Bevölkerung ins Bewusstsein zu rufen, sind sichtbare Zeichen im öffentlichen Raum wichtige Impulsgeber für den gesellschaftlichen Diskurs und eine persönliche Auseinandersetzung mit diesen Werten.

 

 

 

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