Schultes: Neue EU-Agrarpolitik braucht
 Lenkinstrumente für Zuviel und Zuwenig

 

erstellt am
16. 01. 17
13:00 MEZ

Klimaveränderung macht Ernährung unsicherer - GAP muss Sicherheit schaffen
Brüssel/Wien (lk-oe) - "Die kommende Periode der EU-Agrarpolitik (GAP) dauert bis 2027. Bis dahin wird die Klimaveränderung bereits schmerzhafte Folgen haben, nicht zuletzt auch für die sichere Versorgung mit Lebensmitteln. Einer Periode von vier globalen Rekordernten in Serie wie jetzt können rasch Missernten folgen. Dennoch muss die Ernährung der Menschen sichergestellt werden. Daher braucht eine neue EU-Agrarpolitik Lenkinstrumente, die bei einem Zuviel an Produktion ebenso greifen wie bei einem Zuwenig. Hier auf die 'unsichtbaren Kräfte des Marktes' zu vertrauen, wäre verantwortungslos", erklärte LK Österreich-Präsident Hermann Schultes am 16.01. im Rahmen der "Klartext-kompakt"-Veranstaltung zum Thema "Ein neues Lenkrad für die Gemeinsame Agrarpolitik" in Wien.

"Missernten führen zu rasant steigenden Lebensmittelpreisen und in vielen Gegenden der Welt zu Hunger sowie politischen Unruhen, Rekordernten zu Preisabstürzen und zum Verlust der wirtschaftlichen Grundlage für bäuerliche Betriebe. Beides wäre katastrophal. Daher brauchen wir neue, flexible GAP-Instrumente", stellte Schultes klar. "Eingebettet sind diese flexiblen Instrumente in eine stabile GAP mit weiterhin zwei Säulen, die auch in Zukunft die Grundlage der europäischen Land- und Ernährungswirtschaft bilden muss", so der Präsident.

Angebots- und nachfrageseitige Instrumente
"Um wirksam, flexibel und gleichzeitig marktsensibel lenken zu können, müssen solche Instrumente sowohl angebots- als auch nachfrageseitig eingesetzt werden. Auf der Angebotsseite brauchen wir bessere Instrumente, welche die gegenseitigen Verbindlichkeiten in der Versorgungskette stärken: Landwirte und Verarbeiter vereinbaren mittels Lieferverträgen und -verbindungen fixe Produktionsziele. Damit verhindern sie eine Überproduktion mit all ihren negativen Auswirkungen. Auf der Nachfrageseite kann dort gelenkt werden, wo Agrarerzeugnisse zu technischen Produkten, Futtermitteln oder Nahrungsmitteln verarbeitet werden. Im Falle eines knapperen Angebots werden bestimmte Verwendungen reduziert. Fallen größere Mengen an, eröffnet man zusätzliche Verwertungsmöglichkeiten. Konkret geht es dabei um die Verwendung agrarischer Rohstoffe für Bioökonomie und Bioenergie", erläuterte Schultes.

Appell an EU-Kommission: "Winterpaket" kontraproduktiv
"Absoluten Vorrang bei der Verwertung von Agrarerzeugnissen hat die menschliche Ernährung. Danach folgt der Bereich Fütterung und schließlich die technische Verarbeitung von agrarischen Produkten. Damit das auch in Zukunft so bleibt, muss die GAP flexible Instrumente bieten: Wächst weniger, reduziert man die technische Verwertung, sind die Mengen größer, baut man diese aus. Das hat vor allem bei Biotreibstoffen noch einen weiteren Aspekt: Damit wird das Treibhausgas CO2 reduziert und der Klimawandel wirksam bekämpft. Das Ende des Vorjahres von der Europäischen Kommission vorgestellte Winterpaket ist hier jedoch kontraproduktiv. Denn dieses will Biotreibstoffe, die nachweislich dem Klima helfen, zurückfahren. Damit schadet die Kommission nicht nur dem Klima selbst, es schließt auch ein Tor in der GAP, das die klimafreundliche Verwertung größerer Erntemengen erst möglich macht", warnte Schultes und appellierte an ein rasches Umdenken der Kommission.

Milch- und Zuckermarkt als gute Beispiele
"Zwei Beispiele zeigen, wie klug eingesetzte Lenkinstrumente wirken: So sah man bei der Milchlieferrücknahme-Aktion, dass letztlich nicht nur die erreichte Menge, sondern auch das international wahrnehmbare Signal an den Markt für Marktberuhigung und Preisstabilisierung gesorgt hat. Dieses erfolgreich eingesetzte Instrument soll in einer künftigen GAP fix eingebaut werden. Das zweite Beispiel geben die Rübenbauern: Diese haben sich gegenüber den Verarbeitern verpflichtet, eine bestimmte Menge zu erzeugen, um Angebot und Nachfrage in der Waage zu halten. Das Endprodukt Zucker kann darüber hinaus gelagert werden und wirkt auf diese Weise ebenfalls markt- sowie preiswirksam", informierte Schultes und verlangte: "Wir brauchen solche Steuerräder, um im Fall des Falles, also bei Übermengen oder Unterversorgung in allen Produktionssparten, wirkungsvoll eingreifen zu können."

Produktionsrahmen und Nachhaltigkeit
"Ein neues 'Lenkrad' für die GAP wirkt nicht nur auf die produzierten oder verarbeiteten Mengen, es hat auch einen nachhaltigen Aspekt, der die Grundabsicherung der Gesellschaft mit Nahrungsmitteln betrifft. Denn ohne eine ausreichende Anzahl von Produzenten, also Bäuerinnen und Bauern, lässt sich diese Absicherung nicht mehr garantieren", gab Schultes zu bedenken und nannte drei Aspekte, die eine neue EU-Agrarpolitik berücksichtigen müsse: "Die Landwirtschaft erbringt unverzichtbare Leistungen, die der Markt nicht honoriert. Diese Leistungen für die Gesellschaft gibt es nur, wenn sie gesondert abgegolten werden. Das sind beispielsweise der Erhalt von Bergwiesen, die Sicherung exponierter Lebensräume, der Erhalt der Biodiversität sowie die Verstärkung von Erosionsschutz und Wasserspeicherung."

Zum anderen gilt es, die Risikoversicherung als Hilfe zur Selbsthilfe weiter auszubauen, um Antworten auf zunehmende Klimakatastrophen geben zu können. Und drittens verlangen wir eine Stabilisierung der traditionell strukturierten bäuerlichen Höfe in schwierig zu bewirtschaftenden Regionen. Direktzahlungen und besonders ausgewiesene Angebote am Markt, wie Bergerzeugnisse oder Heumilch, müssen ein Überleben der Betriebe möglich machen. Denn die Gesellschaft braucht jene vielfältigen Wirkungen, die weit über die Land- und Forstwirtschaft hinausreichen sowie der gesamten Gesellschaft Nutzen bringen", betonte Schultes.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.lk-oe.at

 

 

 

 

 

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