Rechnungshofausschuss debattiert
 Kostenrisiken für Brenner Basistunnel

 

erstellt am
24. 03. 17
13:00 MEZ

Leichtfried ist von Engagement der EU für dieses wichtige TEN-Vorzeigeprojekt überzeugt
Brüssel/Brenner/Wien (pk) – Nicht zum ersten Mal befasste sich der Rechnungshofausschuss am 23.03. mit dem Milliardenprojekt Brenner Basistunnel. In einer umfassenden Gebarensüberprüfung ( III-338 d.B.) weist der Rechnungshof auf einen starken Kostenanstieg für das Projekt im Laufe der Planungsphase hin. Er sieht außerdem offene Fragen, die für die Republik noch ein weiteres Finanzierungsrisiko sich ziehen könnten. Laut Rechnungshofbericht besteht auch ein Spannungsfeld zwischen der angekündigten vollen Inbetriebnahme des Tunnels Ende 2026 und dem teilweise schleppenden Ausbau der Zulaufstrecken vor allem auf deutscher Seite. Daraus resultierende Kapazitätsengpässe könnten den verkehrspolitischen Nutzen des Gesamtprojekts insgesamt in Frage stellen, lautet das Fazit der PrüferInnen.

Den kritischen Fragen der Abgeordneten stellte sich Verkehrsminister Jörg Leichtfried, der den Brenner Basistunnel als ein Vorzeigeprojekt der EU für die Transeuropäischen Netze (TEN) im Verkehrsbereich bezeichnete. Detailfragen zum Prüfungsergebnis, zum Projektfortschritt und der weiteren Planung beantworteten Vertreter der Projektgesellschaft Brenner Basistunnel BBT SE: Herbert Kasser (BMVIT), Konrad Bergmeister (Vorstand der BBT SE) und Franz Bauer (ÖBB Infrastruktur). Der Bericht wurde vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen und wird im Plenum noch weiter besprochen werden.

RH dokumentiert Kostenentwicklung und Verzögerungen im Baufortschritt
Die Prüfungsziele des Rechnungshofs zielten auf die begleitenden Kontrolle eines sehr umfangreichen Projekts, erläuterte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Sie umfassten die Frage der nachhaltigen Sicherstellung der Finanzierung durch den Bund ebenso wie die Kofinanzierung durch die EU. Versucht wurde auch eine Einschätzung der Rolle der weiteren Finanzierungsmaßnahmen, also der Querfinanzierung durch die Autobahnmaut und der Kostenbeiträge des Landes Tirol. Überprüft wurde auch die Entwicklung der Kosten und Termine und der organisatorischen Abwicklung der Finanzierung mit zugehörigem Planungs- und Kontrollsystem. Außerdem bewertet der Rechnungshof die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen des Projekts vor dem Hintergrund der Verkehrspolitik der EU, um Aussagen über die Erfolgsaussichten des Projekts treffen zu können. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob sich der beabsichtigte Effekt der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene tatsächlich wie geplant einstellen kann.

Der Rechnungshof zeigt in seinem Bericht die Entwicklung der prognostizierten Gesamtkosten, die sich im Zeitraum von 2002 bis 2013 in mehreren Etappen von etwa 4,4 Mrd. € auf ca. 8,661 Mrd. € erhöhten. Als Grund dafür werden eine fehlende Vorausvalorisierung und unterschiedliche Kostenberechnungsgrundlagen genannt. Außerdem sieht der Rechnungshof offene Fragen beim Projektabschluss mit einer geplanten Inbetriebnahme Ende 2026 in Anbetracht des bisherigen Baufortschritts mit Verzögerungen in allen Baulosen.

Die Europäische Kommission beteiligte sich an der Finanzierung bis 2019 mit etwa 1,7 Mrd. €. Sie nahm jedoch aus budgetären Gründen eine Kürzung um die Jahrestranche 2020 vor (etwa 411,42 Mio. €). Für die Jahre nach 2020 liegt noch keine Entscheidung über eine mögliche EU-Kofinanzierung vor, weshalb insgesamt das Risiko bestehe, dass die Italienische Republik und die Republik Österreich die Errichtung des Brenner Basistunnels ohne weitere EU-Zuschüsse finanzieren müssen, hält der Bericht fest. Für Österreich wären das Mehrkosten von rund 757 Mio. €. Einen weiteren Kostenfaktor für die Republik Österreich sieht der Rechnungshof neben den Kosten für die Errichtung des Brenner Basistunnels selbst noch in den zusätzlichen Investitionskosten für den Nordzulauf in geschätzter Höhe von über 1,8 Mrd. €.

Diesen Fragen der Finanzierung des Großprojekts widmeten sich in einer ersten Fragerunde die Abgeordneten Hermann Gahr (V), Martina Schenk (T), Andrea Gessl-Ranftl (S), Erwin Angerer (F) und Georg Willi (G). Thematisiert wurde die Frage, inwieweit der Kostenanstieg seit den ersten Planungsphasen schlüssig erklärt werden kann, und weiter, ob unter den vom Rechnungshof aufgezeigten Voraussetzungen der weitere Finanzierungspfad gesichert ist.

Verkehrsminister Jörg Leichtfried hob hervor, dass der Südzulauf zur Gänze von der Italienischen Republik abgewickelt werde und für die Republik Österreich keinen weiteren Aufwand bringe. Er sehe auch die Äußerungen der deutschen Seite zur dortigen Zulaufstrecke nicht so dramatisch, wie sie teilweise medial dargestellt wurden, sondern sehe sie als gutes Zeichen, dass man nun in die Phase der konkreten Überlegungen eintrete. Auch was die EU-Kofinanzierung angehe, so sehe er keinen Grund zur Sorge. Die Zurückstellung der Budgettranche 2020 erkläre sich budgettechnisch, da im letzten Jahr des Finanzrahmens der EU ermittelt werden müsse, wieviel Geld nicht abgeholt wurde. Da erfahrungsgemäß eine Reihe von Projekten nicht umgesetzt werde, rechne er mit ausreichenden EU-Mitteln bis 2020. Für Leichtfried sprechen pragmatische Gründe dafür, dass die Finanzierung auch über 2020 hinaus gesichert ist. Hier handle es sich schließlich um ein Vorzeigeprojekt der EU-Verkehrspolitik, das man nicht aufgeben werde.

Die Vertreter der Projektgesellschaft Brenner Basistunnel BBT Herbert Kasser, Konrad Bergmeister und Franz Bauer erläuterten die Kostenentwicklung. Das Projekt wurde in der Planungsphase mehrmals erweitert, seit 2011 sind diese nicht weiter angestiegen. Wie dem Bericht des Rechnungshofs zu entnehmen sei, wurden im Zuge der Gebarensüberprüfung verschiedene Verbesserungen in der Projektplanung und Maßnahmen zur Optimierung der Finanzierung gesetzt. So ermöglichte die Italienische Republik einen direkten Mittelfluss von der Europäischen Kommission an die BBT SE. Die EU-Mittel kommen somit in Zukunft unmittelbar dem Bahnprojekt Brenner Basistunnel zu. Die Vertreter der Projektgesellschaft dankten dem Rechnungshof ausdrücklich für seinen Beitrag zur Optimierung des Projekts.

SPÖ-Mandatar Elmar Mayr (S) betonte aufgrund der Ausführungen der Experten, es sei wichtig, Missverständnisse über die Aussagen des Rechnungshofberichts auszuräumen. Von einer plötzlichen Kostenexplosion des Projekts könne keine Rede sein, vielmehr habe der Rechnungshof verschiedene, nicht direkt miteinander vergleichbare Projektphasen und Berechnungsmodelle aufgelistet.

Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene: Unsicherheitsfaktor Ausbau der Zulaufstrecken
Im Mittelpunkt einer weiteren Fragerunde des Ausschusses stand vor allem die vom Rechnungshof vorgenommene Bewertung des Projekts als Teil einer EU-Gesamtstrategie zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene und unter welchen Voraussetzungen sich das Projekt betriebs- und volkswirtschaftlich überhaupt rechnen kann. Der Brenner-Korridor ist Teil der Strecke Berlin-Palermo im Kernnetz der TEN, das im Weißbuch Verkehr der EU festgelegt ist. Der Brenner-Korridor spielt dabei eine zentrale Rolle.

Der Rechnungshof betrachtete im Zuge seiner Prüfung auch den Stand des Ausbau der Zulaufstrecken zum Brenner-Basistunnel in Österreich, Deutschland und Italien. Da hier voraussichtlich nicht alle Abschnitte gleichzeitig mit dem Brenner Basistunnel in Betrieb genommen werden können, sieht er die Gefahr langfristiger Kapazitätsengpässe auf dem gesamten Korridor. Neben der Schaffung der entsprechenden technischen Voraussetzungen für das Funktionieren des Korridors misst der Rechnungshof auch der allgemeinen Verkehrspolitik eine wichtige Rolle bei. Erreiche man auf längere Zeit keine entsprechende Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, würde sich das negativ auf die Kosten-Nutzen-Rechnung der Milliardeninvestitionen der Republik auswirken, warnt der Rechnungshof.

An diese Überlegungen des Rechnungshofes knüpften neben Ausschussvorsitzender Gabriela Moser (G) auch ihr Fraktionskollege Georg Willi kritische Anmerkungen. Sie sahen Mängel der Verkehrspolitik vor allem im Mautbereich. Bedenken, ob verkehrspolitisch die richtigen Schlüsse für den Erfolg des Projekts gezogen werden, meldete auch NEOS-Abgeordneter Michael Bernhard an. Eine aus seiner Sicht mutlose EU-Verkehrspolitik prangerte der Abgeordnete der Grünen Werner Kogler an. Er hält es für notwendig, dass die EU-Verkehrspolitik sich vom Druck der Lobbyisten befreit und konkrete Maßnahmen für die Kostenwahrheit auf der Straße setzt. Er sieht hier das Mautsystem als Ansatzpunkt.

Leichtfried sieht Brenner Basistunnel als Teil der Lösung der Transitfrage
Verkehrsminister Jörg Leichtfried sagte, die Frage, ob die Republik die Kosten der Finanzierung für das Projekt übernehme, sei eine politische Grundsatzfrage. Er beantworte sie im Sinne der Verkehrspolitik positiv. Eine Frage, die der Rechnungshof nicht in seine verkehrspolitischen Überlegungen einbezogen habe, seien die geographischen Gegebenheiten, merkte der Verkehrsminister an. Die Transitstrecke durch Tirol sei zu kurz, um über die Maut entsprechende Lenkungseffekte für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene erzielen zu können, wie Kogler sie fordere. Letztlich müsse man also neben Lenkungsmaßnahmen auch auf ein attraktiveres Angebot der Schiene setze, genau hier setze der Brenner Basistunnel an.

Zur Mautfrage merkte Leichtfried grundsätzlich an, es gebe leider sehr verschiedene Transitinteressen der unmittelbaren Nachbarn Deutschland und Italien. Das erkläre, warum die Möglichkeiten der Wegekostenrichtlinie, die er grundsätzlich für den richtigen Ansatz halte, nicht voll ausgeschöpft werden. Für die weitere Entwicklung der Wegekostenrichtlinie und der Maut sehe er zwei Hauptpunkte. Erstens müsse der CO2-Ausstoß in die Berechnung der externen Kosten einbezogen werden. Zweitens gehe es darum, die Gigaliner an den österreichischen Grenzen aufzuhalten, sagte Leichtfried.

 

 

 

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