Untersuchungsausschüsse: Neue
 Verfahrensordnung hat sich bewährt

 

erstellt am
28. 03. 17
13:00 MEZ

Expertendiskussion im Parlament über Erfahrungen und Perspektiven
Wien (pk) - Die neue Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse hat sich grundsätzlich bewährt. So lässt sich die Podiumsdiskussion "Parlamentarische Untersuchungsausschüsse: Erfahrungen und Perspektiven", die gestern im Sitzungssaal des Nationalrats stattfand, zusammenfassen. Die ExpertInnen sehen darin ein gutes handhabbares Instrument, wenn es um das Spannungsfeld Persönlichkeitsrechte, Geheimnisschutz einerseits und Öffentlichkeit andererseits geht, auch wenn sie an der einen oder anderen Stelle noch Nachschärfungsbedarf orten.

Aktueller hätte der Termin nicht sein können, denn das ausreichend unterstützte Verlangen, einen Eurofighter-Untersuchungsausschuss einzusetzen, liegt seit Mitte März auf dem Tisch. Am 28.03. befasst sich der Geschäftsordnungsausschuss damit und – sollte dieser seine Beratungen positiv abschließen und dem Plenum des Nationalrats Bericht erstatten – kann die Nationalratspräsidentin in der morgigen Sitzung des Nationalrats den Ausschuss für eingesetzt erklären. Der Eurofighter-Untersuchungsausschuss ist somit der zweite Untersuchungsausschuss, der nach der neuen Verfahrensordnung abläuft, er kann auf den Erfahrungen des Hypo-Untersuchungsausschusses aufbauen.

Beide Ausschüsse wurden von einer parlamentarischen Minderheit initiiert, die Reform, die mit 1. Jänner 2015 in Kraft getreten ist, hat die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen von einem ausschließlichen Recht der Mehrheit auch zu einem Recht der Minderheit gemacht: Mindestens 46 Abgeordnete – ein Viertel der Mitglieder des Nationalrats - müssen ein solches Verlangen unterstützen. "Demokratiepolitisch ist das eine wichtige Neuerung. Das Kontrollrecht der Abgeordneten und der Parlamentarismus werden durch die Reform massiv gestärkt", betonte Nationalratspräsidentin Doris Bures in ihrer Begrüßung.

Sie hat gemeinsam mit dem Österreichischen Juristentag zur Diskussion eingeladen, dessen Präsident, Christoph Grabenwarter, leitete dann auch in das Thema ein. An der Diskussion nahmen der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck und Verfahrensrichter im Hypo-Untersuchungsausschuss, Walter Pilgermair, ferner Walter Berka (Universität Salzburg), Anna Gamper (Universität Innsbruck) und Renate Graber (Redakteurin der Tageszeitung "Der Standard") teil.

Für die Moderation zeichnete die Verfassungsrichterin Ingrid Siess-Scherz, verantwortlich. Siess-Scherz, ehemalige Leiterin des Rechts- und Legislativdienstes der Parlamentsdirektion, nannte Untersuchungsausschüsse als "eines der machtvollsten Instrumente des Parlaments", als "Spiegel der Stärke und Emanzipation gegenüber der Regierung". In der rechtsstaatlichen Demokratie werde die Kontrollfunktion des Parlaments immer wichtiger, betonte auch Christoph Grabenwarter in seinen einleitenden Worten.

Bures: Das österreichische Untersuchungsrecht ist ein gutes Werkzeug wie ein Schweizer Taschenmesser
Nationalratspräsidentin Doris Bures bemühte mehrere bildliche Vergleiche, um parlamentarische Untersuchungsausschüsse zu beschreiben und nahm dabei auf den deutschen Soziologen Max Weber Bezug, der ein bedeutender Vordenker des modernen Untersuchungsrechts war. Weber hatte gemeint, ein Parlament ohne entsprechende Untersuchungsrechte sei "verfassungsmäßig zur dilettantischen Dummheit" und "zur Unkenntnis" verurteilt, wie Bures zitierte. Er vertrat die Auffassung, dass es für eine wirksame Kontrolle "je nach den Umständen Akteneinsicht, Augenscheineinnahme und äußerstenfalls das eidliche Kreuzverhör der Beteiligten als Zeugen vor einer Parlamentskommission" braucht. Weber hat sich zudem dafür stark gemacht, dass das Untersuchungsrecht als Minoritätsrecht ausgestaltet ist. Wenn man bedenkt, dass diese Worte Webers aus dem Jahr 1918 stammen, also vor beinahe 100 Jahren ausgesprochen wurden, dann werde deutlich, dass Politik tatsächlich ein "starkes, langsames Bohren von harten Brettern" sei, so Bures, die damit an die von Weber vorgenommene Definition von Politik anknüpfte.

Für die Nationalratspräsidentin drängt sich im Zusammenhang mit dem österreichischen Untersuchungsrecht aber auch der Vergleich mit einem Schweizer Taschenmesser auf, denn es biete für viele Situationen das richtige Werkzeug: Etwa im Umgang mit geschwärzten Akten und sensiblen Informationen, ferner bei der Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, aber auch bei der Verweigerung von Aussagen oder dem Nicht-Erscheinen von Auskunftspersonen – und schließlich bei der Wahrung von Persönlichkeitsrechten. Ein gutes Werkzeug stelle aber noch kein gutes Ergebnis dar, gab Bures zu bedenken, man müsse das Werkzeug auch richtig einsetzen: Nämlich mit Verantwortungsbewusstsein, mit dem Wunsch nach gewissenhafter Untersuchung und dem Willen zum konstruktiven Zusammenwirken aller Kräfte im Parlament.

Spannungsfeld Geheimnisschutz und Öffentlichkeit
Wie Walter Berka von der Universität Salzburg in der Diskussion festhielt, stellt der Untersuchungsausschuss eine Gratwanderung dar. Man könne einen solchen nicht mit Maßstäben eines Gerichtsverfahrens messen, da hier

ein politischer Auftrag im Vordergrund stehe, dessen Abarbeitung aber verrechtlicht sei. Das neue Verfahrensrecht habe dem Ausschuss im Hinblick auf den Umgang mit Amtsgeheimnissen und mit Auskunftspersonen Grenzen gesetzt, sagte er, die Situation für Auskunftspersonen habe sich gebessert.

Das heikle Thema "Geheimnisschutz" habe man mit dem Informationsordnungsgesetz detailverliebt geregelt, wobei Berka von einem durchdachten System sprach. Er unterstützte auch mit Nachdruck das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, wonach Ministerien keine geschwärzten Akten überliefern dürfen. Damit hätten die VerfassungsrichterInnen eine Schmälerung des parlamentarischen Kontrollrechts verhindert und gleichzeitig die Verantwortung des Ausschusses unterstrichen, betonte Berka.

Berka, der das Spannungsfeld zur Öffentlichkeit näher beleuchtete, ortet im neuen Verfahrensrecht noch Mankos und gab zu bedenken, dass die Klassifizierung der Dokumente in Geheimhaltungsstufen die Tendenz in sich trägt, die Dokumente höher einzustufen, was zu Lasten der Transparenz gehe. Als einen "Pferdefuß" bezeichnete er die Tatsache, dass sich ein Abgeordneter, der Geheimnisse an Medien weitergibt, zwar strafbar macht, die Medien aber geheim zu haltende Unterlagen dem gegenüber straffrei publizieren dürfen. Dadurch Geschädigte – Berka nannte etwa Fälle von Geschäftsgeheimnissen - hätten jedoch nicht die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche einzuklagen, und das sei ein Privileg der Medien.

Herausforderung: Wahrung der Persönlichkeitsrechte von Auskunftspersonen
Was den Rechtsschutz von Auskunftspersonen betrifft, so bedauerte es der Jurist, dass diese im Falle einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof von diesem nur mit der Feststellung "abgespeist" werden können, dass hier eine Rechtswidrigkeit vorliegt. Für Berka ist auch nicht klar geregelt, was unter Persönlichkeitsrechten zu verstehen ist.

Als Berichterstatterin über den Hypo-Untersuchungsausschuss für die Tageszeitung "Der Standard" ging auch Renate Graber auf das Spannungsfeld Persönlichkeitsschutz und Recht der Öffentlichkeit auf Information ein und übte in diesem Zusammenhang Kritik an so manchen Abgeordneten. Ihr Blatt nenne zum Beispiel keine Namen von Auskunftspersonen, es sei denn, diese sind von besonderem öffentlichen Interesse. Abgeordnete gingen aber zum Teil nicht so höflich mit Auskunftspersonen um, so Graber.

Einen Interessenskonflikt der Fraktionen sieht auch Walter Pilgermair, der den Hypo-Untersuchungsausschuss als Verfahrensrichter begleitet hat. Untersuchungsausschüsse seien ein politisches Kampfinstrument, wobei es nicht immer um die Darstellung von Sachverhalten gehe, sondern oft um die Positionierung und mediale Darstellung eigener Interessen. Das stelle eine große Herausforderung dar, der Schutz von Auskunftspersonen gestalte sich damit nicht immer leicht. Die Rechtsschutzeinrichtung der neuen Verfahrensordnung hält er für sinnvoll, er zog insgesamt ein positives Resümee.

Für Pilgermair war auch die Medienöffentlichkeit im Hypo-Untersuchungsausschuss gut hergestellt. Für kommende Ausschüsse riet er zu einer strukturierteren Befragung, vor allem bei der Erstbefragung, und traf sich dabei mit Renate Graber, die insbesondere die Frist von drei Minuten für Fragestellungen kritisierte. Oft werde es spannend, dann sei aber die Zeit aus und der bzw. die nächste Fragende reiße den Spannungsfaden wieder ab, sagte Graber. Grundsätzlich wünscht sie sich eine Straffung in manchen Bereichen.

Verfassungsgerichtshof sollte auch für Untersuchungsausschüsse der Länder zuständig sein
Einen Blick in die Bundesländer machte Anna Gamper von der Universität Innsbruck. Dort seien die Untersuchungsausschüsse sehr unterschiedlich geregelt. Eine einheitliche verfassungsrechtliche Vorgabe hält sie nicht für geboten, zumal sich die Bundesländer da und dort als Pioniere erwiesen hätten, etwa was das Minderheitsrecht für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen betrifft. Sie bedauerte jedoch, dass in Niederösterreich und in Oberösterreich das Minderheitsrecht noch nicht verankert ist.

Da aber in allen Untersuchungsausschüssen, ob in Bund oder Ländern, oft die gleichen Probleme und Meinungsverschiedenheiten auftreten, sprach sie sich für eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs auch für von Landtagen eingesetzte Untersuchungsausschüsse aus.

Aufschluss über rechtliche und praktische Fragen zum Ablauf von Untersuchungsausschüssen bietet das "Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat", das die Parlamentsdirektion herausgegeben hat. Es ist als eine Orientierung und als "Work in Progress" zu verstehen. Das Handbuch steht hier > zum Downloaden zur Verfügung steht.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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