Erste Testfahrten mit einem selbstfahrenden
 Fahrzeug auf öffentlichen Straßen in Österreich

 

erstellt am
24. 04. 17
13:00 MEZ

Salzburg (salzburg research) - Nach einem ersten Gastauftritt (mit Sondergenehmigung) im Herbst 2016 ist Österreichs erster selbstfahrender Minibus nun ein echter Salzburger. Die erste Station für den Minibus ist die Gemeinde Koppl im Salzburger Flachgau. Dort finden ab Mai Testfahrten auf öffentlichen Straßen statt. Salzburg Research ist damit die erste Organisation in Österreich, die eine Testbescheinigung des BMVIT bekommen hat, um Testfahrten mit einem autonomen Fahrzeug auf öffentlichen Straßen auf Basis der AutomatFahrV durchzuführen.

Unter der Leitung von Salzburg Research werden mit dem Minibus wichtige Fragen rund um automatisierte Mobilität für die „letzte Meile“ erforscht. Die letzte Meile – der Weg von der Haltestelle zum Wohn- oder Zielort – ist ein kritischer Aspekt für die Kundenakzeptanz von bestehenden öffentlichen Verkehrsmitteln. Automatisierte Fahrzeuge könnten in Zukunft diese Lücke schließen.

„Automatisierte Personenmobilität kann für den öffentlichen Verkehr in ländlichen Regionen Salzburgs zukünftig von großer Bedeutung werden. Mit dem Digibus können sowohl Betreiber wie auch Fahrgäste die neue Technologie hautnah kennenlernen und intensiv testen. Mit dem Know-how von Salzburg Research haben wir die Gestaltung der zukünftigen Mobilität im Bundesland Salzburg selbst in der Hand und werden nicht von Interessen Dritter überholt“, sagt Salzburgs Verkehrslandesrat Hans Mayr.

„Bis automatisierte Minibusse völlig fahrerlos 24 Stunden und 7 Tage pro Woche im Regelbetrieb fahren können, sind noch viele Fragen zu beantworten“, sagt Karl Rehrl, Forschungsleiter für intelligente Mobilität bei Salzburg Research. „Mittelfristig steht der Digibus vor allem der angewandten Forschung zu Verfügung. In einem ersten Schritt wollen wir die Technologie im Rahmen von Testfahrten evaluieren, um sie systematisch mit Partnern weiterzuentwickeln. Wir werden aber auch immer wieder Testfahrten für interessierte Fahrgäste anbieten, um Akzeptanz und persönliche Erfahrungen zu erforschen.“

Erste Station: Koppl – die letzte Meile
Die erste Station des selbstfahrenden Minibusses ist Koppl, eine Gemeinde im Salzburger Flachgau. Der Ort ist ein typisches Beispiel für die sogenannte letzte Meile: Das Ortszentrum ist ca. 1,4 km von der B 158 und damit von der Linie 150 (Salzburg – Bad Ischl) des Salzburger Verkehrsverbundes entfernt.

„Aus der Forschung wissen wir, dass diese Entfernung – die so genannte „letzte Meile“ – oft eine große Hürde ist, das vorhandene öffentliche Verkehrsmittel tatsächlich zu nutzen. Mit automatisierten Fahrzeugen als Zubringer könnte diese Lücke effektiv geschlossen und damit der öffentliche Verkehr attraktiver werden“, sagt Karl Rehrl.

„Wir freuen uns, dass Koppl zur ersten Station des selbstfahrenden Minibusses erkoren wurde. Zwischen Bundesstraße und Zentrum fährt zwar der Zubringerbus der Linie 152 – aus wirtschaftlichen Gründen aber nur sehr selten. Ein selbstfahrendes Fahrzeug könnte die Lücke für die weniger rentable Zeit schließen“, sagt Bürgermeister Rupert Reischl. In einem gemeinsamen Workshop wurde bereits mit der Koppler Bevölkerung gearbeitet, Meinungen und Befürchtungen eingeholt sowie zahlreiche weitere Szenarien erarbeitet, für die ein selbstfahrender Minibus eine Lösung darstellen könnte.
Den selbstfahrenden Minibus ausprobieren

Gemäß Automatisiertes Fahren Verordnung des BMVIT dürfen mit dem selbstfahrenden Minibus vorerst nur Testfahrten durchgeführt werden. Interessierte können den Minibus in Koppl jedoch an öffentlichen Testtagen kostenlos ausprobieren.

  • Wo: Der Digibus fährt als Zubringer zwischen Koppl Sperrweg (Bundesstraße 158, nähe Haltestelle Koppl-Sperrbrücke) und dem Gemeindezentrum von Koppl.
  • Wann: Wann genau der Bus fahren wird, hängt vom Testverlauf ab und wird rechtzeitig auf http://www.digibus.at bzw. via Twitter/Facebook kommuniziert.


Auflagen des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie: Der Bus fährt vollständig autonom mit einer maximalen Geschwindigkeit von 20 km/h auf öffentlichen Straßen. Eine geschulte Lenkerin bzw. ein geschulter Lenker sind bei allen Testfahrten ständig an Bord und können bei Gefahrensituationen jederzeit eingreifen. Während des Testzeitraumes dürfen Personen ausschließlich auf den vorgesehenen Sitzplätzen und nicht gewerblich befördert werden.

Die nächsten Stationen des selbstfahrenden Minibusses
Der Digibus bleibt bis auf weiteres im Bundesland Salzburg und wird in den kommenden Monaten in verschiedenen Einsatzorten auf Herz und Nieren getestet. Die weiteren Stationen werden sowohl öffentliche wie auch abgesperrte Strecken umfassen. In einer Kooperation mit dem ÖAMTC sollen beispielsweise spezifische Testszenarien in den ÖAMTC-Fahrtechnikzentren erprobt werden. Auch der Salzburg Ring soll als abgesperrte Teststrecke für die Erprobung von Testszenarien genutzt werden. Weitere öffentliche Teststrecken sind in Planung.

„Derzeit ist es für uns wichtig, dass wir unterschiedliche Teststrecken zur Verfügung haben, um gezielt spezifische Fahrsituationen zu testen, aber auch um praktische Erfahrungen mit der Technologie im realen Einsatz zu sammeln. Eine Mischung aus abgesperrten und öffentlichen Teststrecken ist daher notwendig“, sagt Karl Rehrl.
Salzburger Testumgebung für automatisierte Mobilität

Die Testfahrten mit einem selbstfahrenden Minibus sind ein erster Baustein einer geplanten Salzburger Testumgebung für automatisierte, lokale Mobilität. Die Testumgebung soll digitale und physische Testinfrastrukturen bereitstellen, um selbstfahrende Fahrzeuge für den öffentlichen Personennahverkehr im Test- und Realbetrieb auf Herz und Nieren zu prüfen bzw. systematisch weiterzuentwickeln.

„Die Frage ist nicht mehr, ob die automatisierte Mobilität kommt, sondern wie wir automatisierte Mobilität zukünftig gestalten, um ein effizientes, umweltverträgliches und leistbares Mobilitätssystem zur Verfügung zu stellen. Eine offene Testumgebung ermöglicht ein gemeinsames Lernen für alle Beteiligten, um offene Fragen rund um automatisierte Mobilität in den kommenden Jahren zu beantworten und damit eine gezielte Entwicklung zu ermöglichen bzw. Entscheidungsgrundlagen zu schaffen“, sagt Karl Rehrl.

Offene Forschungsfragen sind z.B.:

  • Gestaltung des Mobilitätssystems: Wie können sich automatisierte Fahrzeuge sinnvoll in bestehende (öffentliche) Verkehrssysteme einfügen? Wie sollen/müssen diese Systeme zukünftig gestaltet werden?
  • Mensch-zu-Maschine-Kommunikation: Im täglichen Verkehrsgeschehen passiert viel Kommunikation von Mensch zu Mensch. Das betrifft z.B. die Fahrgastkommunikation: Wie interagiert der Bus mit seinen Fahrgästen, wenn kein Fahrer im Wagen ist (und in Zukunft keine Begleitperson mehr mitfährt)? Wie funktioniert die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern? Wie erkennt z.B. der Bus, dass ein anderer Autofahrer dem Bus Vorfahrt gewährt?
  • Maschine-zu-Maschine-Kommunikation: Wie kommuniziert der Bus mit anderen Fahrzeugen? Wie mit der Infrastruktur wie beispielsweise Ampeln?
  • Besondere Verkehrssituationen: Wie kommt der Bus mit großen Steigungen und bei wechselnden Untergrundsituationen (Nässe, Schnee, Eis etc.) zurecht? Was passiert, wenn sich Gegenstände auf der Fahrbahn befinden?
  • Soziale Faktoren: Wie sicher fühlen sich die Fahrgäste? Usw.


Für den Vollausbau der Testumgebung ist geplant, auch andere Minibusse von anderen Herstellern nach Salzburg zu holen. Interessierte Unternehmen, Forschungseinrichtungen, öffentliche Organisationen sind eingeladen, die Testumgebung für eigene Testversuche oder Forschungsfragen zu nutzen.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at