Frexit: Gefahr für österreichische Wirtschaft?

 

erstellt am
20. 04. 17
13:00 MEZ

Die Wahl in Frankreich, dem fünftgrößten Exportpartner Österreichs, hat bedeutenden Einfluss auf die heimische Wirtschaft.
Paris/Wien (coface) - Die Experten von Coface, einem der führenden internationalen Kreditversicherer, sehen bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich zwar einen Sieg von Emmanuel Macron, er erreicht jedoch keine Mehrheit im Bundesrat und keine Koalition. Das laut Coface Ökonomen weniger wahrscheinliche, aber dennoch mögliche Szenario, ist der Wahlsieg von Rechtspopulistin Marine Le Pen. Dieser Ausgang und die damit verbundenen politischen und rechtlichen Einschränkungen aufgrund des Frexit hätten eine stärkere Auswirkung auf die Wirtschaftstätigkeit des Landes.

Coface hat zwei Szenarien als Folge auf den Sieg von Marine Le Pen bewertet. Schafft es die Partei Front National keine Mehrheit und keine Koalition zu bilden, ist Marine Le Pen auf sozioökonomischer Ebene handlungsunfähig und kann somit auch nicht die Verfassung ändern. Diese politische Krise könnte allerdings die Unsicherheit im Land erhöhen und Neuwahlen auslösen. Im Falle, dass die Rechtspopulistin die Mehrheit erhält oder die Front National es in eine Koalition schafft, würde die gewählte Präsidentin immer noch vor rechtlichen Hürden bei der Umsetzung eines Referendums über die EU-Mitgliedschaft stehen. Denn laut französischer Verfassung ist das Unterlaufen eines internationalen Vertrags nicht zulässig.

Der Ausstieg aus der EU würde in erster Linie eine Änderung der französischen Verfassung mit sich bringen. Dieser Schritt würde, ähnlich dem Prozess in Großbritannien nach dem Referendum, einen politischen Unsicherheitsschock auslösen und das französische BIP-Wachstum im Jahr 2017 auf 0,6% senken, sowie die Insolvenzen der Unternehmen von -1,0% auf 1,1% erhöhen (dies entspricht einer Differenz der Passiva von rund EUR 75 Mio.). Die langfristigen Konsequenzen (drei bis fünf Jahre) eines Frexit hätten einen noch größeren Einfluss auf das Wirtschaftswachstum mit einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 25% bis 30%. Dies wäre auf eine niedrigere nationale Währung, einer höheren Inflation, strengeren Kreditbedingungen und einem zunehmenden Protektionismus zurückzuführen. Im schlimmsten Fall würde dieser Prozess viel schneller als erwartet eintreten. Wenn Marine Le Pen die Wahl gewinnt, ist ein Anstieg der Staatsanleihen im zweiten Halbjahr 2017 in Zusammenhang mit massiven Abhebungen von Bankeinlagen möglich.

Der Bankensektor würde unter höheren Staatsanleihen und niedrigeren Einlagen leiden. Prozyklische Sektoren (Gebrauchsgüter) und von Bankfinanzierungen abhängige Sektoren, wie Bau und Automobil, sind stärker betroffen als andere. In weiterer Folge würden bei einem Frexit Branchen, die Produkte importieren (wie zum Beispiel die Bauindustrie) unter der niedrigeren Währung und konsumnahe Branchen unter der steigenden Inflation leiden. Exporte, die durch die schwächere Währung Antrieb erhalten würden, werden wiederum durch höhere Zolltarife und andere Handelsbarrieren gedämpft.

Frankreich ist mit einem Volumen von rund EUR 5,8 Mrd. (2015) der fünftgrößte Exportpartner Österreichs, daher hätte das Eintreten eines Frexit bedeutende Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft. Allen voran würde der Gebrauchsgüterbereich samt Automobilbranche darunter leiden. Die Ausfuhr von Fahrzeugen beträgt derzeit 8,8% (rund EUR 506 Mio.) der österreichischen Gesamtexporte nach Frankreich, 15% (ca. EUR 863 Mio.) der Ausfuhren sind Maschinen. Zudem nimmt der Export von Rohstoffen, die in der Endproduktion (beispielsweise in der Baubranche) eingesetzt werden, einen beträchtlichen Anteil ein. Weitere Exporte sind organische Chemikalien (18%), Kunststoff (6,6%), Eisen, Stahl und ähnliche Produkte (6%), Holz (2,7%) und Aluminium (1,9%).

„Allein die steigende Inflation und das geringere Haushalts- und Geschäftssentiment würden die Gesamtausfuhren nach Frankreich negativ beeinflussen. Dies hätte eine Auswirkung auf eine Reihe von österreichischen Unternehmen und Branchen, ganz zu schweigen von der theoretischen Konsequenz einer schwächeren neuen französischen Währung“, so Michael Tawrowsky, Country Manager Coface Austria. „Auf lange Sicht gesehen müssen wir mit Konsequenzen sowohl im Makroökonomischen als auch im Geschäftsumfeld in Frankreich rechnen, was auch die Handelsbeziehungen zwischen Österreich und Frankreich beeinflusst.“

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.coface.at

 

 

 

 

 

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