Nationalrat gibt parlamentarischen Startschuss
 für CETA/TTIP-Volksbegehren

 

erstellt am
28. 04. 17
13:00 MEZ

Erste Lesung im Plenum zeigt kontroverse Standpunkte der Fraktionen auf
Wien (pk Mit einer Esten Lesung im Nationalrat erfolgte am 27.04. der Auftakt zu den parlamentarischen Verhandlungen über das gegen CETA und TTIP gerichtete Volksbegehren. Noch bevor die Initiative dem Verfassungsausschuss zur ausführlichen Beratung zugewiesen wurde, konnten sich die Abgeordneten mit den einzelnen Forderungen auseinandersetzen, wobei in der lebhaften Debatte die unterschiedlichen Standpunkte aufeinanderprallten. Für CETA - das Freihandelsabkommen mit Kanada - sprachen sich die ÖVP und die NEOS aus, während FPÖ, Grüne und Team Stronach einmal mehr ihre strikte Ablehnung untermauerten. Vorbehalte meldete auch die SPÖ an, die nun auf eine Behandlung der strittigen Fragen im Ausschuss setzt.

Mehr als eine halbe Million unterstützen das Volksbegehren
Mit 562.379 Unterschriften – knapp 9% der Stimmberechtigten - liegt die Initiative auf Rang 11 der bisher 39 Volksbegehren in der Zweiten Republik. Konkret pochen die UnterstützerInnen auf ein Bundesverfassungsgesetz, das es den österreichischen Organen untersagt, die Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) sowie das plurilaterale Dienstleistungsabkommen TISA zu unterzeichnen, zu genehmigen oder abzuschließen. In der Begründung wird vor allem angeführt, das Freihandelsabkommen TTIP umfasse nicht nur übliche Marktzugangsvorschriften, sondern auch die Bereiche Investitionsschutz, Dienstleistungen, öffentliche Auftragsvergaben, nichttarifäre Handelshemmnisse und handelsbezogene Regelungen.

Durch die vorgesehene Liberalisierung könnte die Macht internationaler Konzerne gegenüber der Politik zum Nachteil der BürgerInnen weiter gestärkt werden, lautet dabei einer der zentralen Vorbehalte. Als besonders problematisch wird dabei das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren eingestuft, das es ausländischen Investoren ermöglicht, Staaten bei internationalen Schiedsgerichten zu klagen. Damit würden die Möglichkeiten von Demokratien eingeschränkt, Arbeitnehmerrechte, Gesundheit, Umwelt oder Menschenrechte ausreichend zu schützen, geben die InitatorInnen des Volksbegehrens zu bedenken.

Wittmann: Verfassungsausschuss wird Volksbegehren mit der gebotenen Ernsthaftigkeit behandeln
Das Volksbegehren zeige die Sorgen der Bevölkerung im Zusammenhang mit CETA und TTIP auf, interpretierte Peter Wittmann (S) die große Resonanz der Initiative und versicherte, das Parlament werde sich dem Anliegen mit der gebotenen Ernsthaftigkeit widmen. Der Vorsitzende des Verfassungsausschusses kündigte eine ausführliche Behandlung im Verfassungsausschuss an, wo für die Erörterung der einzelnen Kapitel vier Sitzungstage vorgesehen sind. Im Oktober werde dann das Plenum des Nationalrats über das Volksbegehren entscheiden. Als besonders strittig sieht Wittmann vor allem den Investitionsschutz. Es gehe hier vor allem um die Frage, ob die vom Abkommen gewählte Variante der Schiedsgerichtsbarkeit nicht eine Abkehr vom Justizmonopol des Staates bedeute. Klar ist für Wittmann jedenfalls, dass jeder einzelne EU-Staat ein Veto gegen CETA einlegen kann.

Winzig: CETA ist hervorragendes Abkommen für Österreichs KMU
Angelika Winzig (V) sah noch großen Informationsbedarf in der Bevölkerung und meinte, die Gegner des Freihandelsabkommen würden oft mit Weltuntergangsfantasien operieren. Die Regelungshoheit der Nationalstaaten bleibe aufrecht, das Versorgungsprinzip werde nicht untergraben. CETA ändere auch nichts am Recht der einzelnen Staaten auf Erbringung von Dienstleistungen im Bereich Bildung, Gesundheit, Soziales und Daseinsvorsorge. Als Fortschritt und Novum wertet Winzig überdies die Einrichtung eines überparteilichen und unabhängigen ständigen Investitionsgerichtshofs. Positiv sei auch die im Abkommen festgeschriebene Verpflichtung zu hohen Standards bei Arbeitnehmerschutz und Umweltschutz. Außer Streit steht für die ÖVP-Mandatarin jedenfalls, dass CETA für Europa und Österreich – und hier insbesondere für die heimischen KMU – ein hervorragendes Abkommen ist.

Kassegger: CETA hat mit Freihandel nichts zu tun
Bei CETA und TTIP stehe zwar Freihandel drauf, viele der enthaltenen Punkte hätten aber mit Freihandel nichts zu tun, wandte FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger ein und sprach von einem Etikettenschwindel. Schwere Bedenken erhob er gegen die Schiedsgerichtsbarkeit in Investitionsstreitigkeiten, die seiner Meinung nach eindeutig die Großkonzerne bevorzuge. Die Rechtssetzung wiederum gehe vom amerikanischen Verständnis aus, wonach Gesetzesvorhaben vorab Lobbyisten zur Prüfung vorzulegen seien. Die Freihandelsabkommen würden zudem nur den groben Rahmen vorgeben, der dann von der Rechtsprechung abseits jeglicher parlamentarischer Kontrolle näher definiert werde. Sollten diese problematischen Punkte nicht ausgeräumt werden, sei jedenfalls mit einer Zustimmung der FPÖ nicht zu rechnen, kündigte Kassegger an. Scharf ging er auch mit dem Bundeskanzler ins Gericht. Kern kritisiere CETA zwar in Österreich, auf EU-Ebene habe er dem Abkommen aber bereits zugestimmt.

Glawischnig befürchtet Rückschritte bei Umwelt- und Sozialstandards
Eva Glawischnig-Piesczek (G) erwartet sich nun eine demokratische Behandlung des Volksbegehrens und warnte davor, die Bedenken der Bevölkerung als Weltuntergangsfantasien abzutun. Klar ist für die Klubchefin der Grünen, dass CETA im Bereich der Dienstleistungen sowie bei den Umwelt- und Sozialstandards einen Rückschritt bedeute. Massive Vorbehalte meldete sie auch gegen die Schiedsgerichte an. Von einer großen Gefahr sprach Glawischnig überdies im Zusammenhang mit dem Dienstleistungsabkommen TISA, eröffne dieses doch die Möglichkeit zu digitalem Handel mit personenbezogenen Daten. Hier verlangt sie volle Transparenz und den Zugang zu sämtlichen Verhandlungsdokumenten. Bei TTIP wiederum pochte sie auf ein neues Verhandlungsmandat der EU.

Gamon: CETA-Gegner verbreiten Unwahrheiten
Claudia Gamon (N) bekannte sich mit Nachdruck zu den beiden Freihandelsabkommen und warf den Gegnern vor, mit falschen Behauptungen zu operieren. CETA und TTIP enthalten weder das Chlorhuhn noch die Gentechnik, hier gelten nach wie vor die Regeln der EU, betonte sie. Darüber hinaus sehe das Abkommen mit Kanada die Einrichtung eines unabhängigen Schiedsgerichtshofes vor. Wer hier noch von Schiedsgerichten spricht, verbreite Fake News. Wenn wir wollen, dass Europa weiterhin die Regeln des globalen Handels mitgestaltet und nicht fremdbestimmt wird, dann müssen wir diese Freihandelsabkommen unterstützen, steht für Gamon fest.

Weigerstorfer: CETA und TTIP sind Konzernschutzabkommen
CETA und TTIP seien Konzernschutzabkommen, die unsere hart erkämpften europäischen Standards ausheben, erwiderte hingegen Ulrike Weigerstorfer (T). Als warnendes Beispiel nannte sie dabei das amerikanische Freihandelsabkommen NAFTA, bei dem die versprochenen Vorteile nur zum Teil, die Befürchtungen aber voll eingetreten seien. Weigerstorfer mahnte deshalb zur Vorsicht und appellierte an die Regierung, als Vertreter des Volkes und nicht als Verteidiger von Konzerninteressen zu agieren.

SPÖ federführend beim Volksbegehren
Die SPÖ war nicht nur beim Volksbegehren aktiv tätig, auch die Kritik unter den SPÖ-Abgeordneten lässt nicht nach. Es handle sich dabei um das erfolgreichste Volksbegehren seit 2004, unterstrich Katharina Kucharowits (S). Bei den Vertragsverhandlungen für CETA und TTIP habe die demokratische Beteiligung gefehlt. Vielmehr wäre hinter verschlossenen Türen verhandelt worden. Kucharowits machte sich für die Idee der zivilisierten Märkte stark, bei der eine Agentur auf EU-Ebene die Standards überwache. Fraktionskollegin Cornelia Ecker will sich für hohe ökologische und soziale Standards einsetzen, denn jene, die in den USA vorherrschen, reichen ihrer Meinung nach nicht aus. Laut Ecker würden diesen Abkommen weitere folgen, deshalb sprach sie sich für präzise Verhandlungsmandate aus.

Christoph Matznetter (S) verteidigte gegenüber der Kritik aus anderen Parteien die Position von Bundeskanzler Christian Kern. Dieser habe eine rechtsverbindliche Erklärung ausverhandelt, wonach Voraussetzungen geschaffen wurden, um spätere Interpretationsstreitigkeiten beim Abkommen mit Kanada auszuräumen. In CETA sei keine Schiedsgerichtsbarkeit enthalten, stellte Matznetter fest.

ÖVP für CETA
Das Misstrauen der Bevölkerung sei verständlich, sagte Kathrin Nachbaur (V), denn bei Vertragsverhandlungen müssten beide Seiten Eingeständnisse machen, um zu einem Ergebnis zu kommen. Dennoch sei zwischen TTIP und CETA zu differenzieren. Im Gegensatz zu TTIP wurde bei CETA nicht im Geheimen verhandelt, unterstrich sie und sprach sich explizit für das Abkommen mit Kanada aus.

FPÖ: Selbstentmachtung durch Schiedsgerichte
Totaler Freihandel würde den Untergang der österreichischen Landwirtschaft bedeuten, betonte Johannes Hübner (F). In diesem Bereich könne Österreich nicht mit den USA konkurrieren, warnte er vor der Wiederaufnahme der TTIP-Verhandlungen. Durch die Regelung der Schiedsgerichte würden wir uns selbst demokratisch entmachten. Das Streitbeilegungsverfahren sei kritisch zu hinterfragen, sagte auch Rupert Doppler (o.F.), der dadurch ebenfalls die Demokratie massiv beschnitten sah.

Grüne für freien Handel – gegen Schiedsgerichtsbarkeit
Internationalen Handel gebe es auch ohne diese Abkommen, argumentierte Werner Kogler (G). Deshalb müsse nun über die Ausgestaltung des Handels diskutiert werden. Problematisch sah er das System der Schiedsgerichtsbarkeit. Es sei jedoch nicht möglich, einzelne Vertragsbestandteile abzulehnen, daher müsse gegen das gesamte Abkommen gestimmt werden.

Auch Wolfgang Pirklhuber (G) trat für faire Bedingungen im Handel ein. Daher wolle er das Volksbegehren umsetzen und soziale Standards verteidigen. Politische Interessen seien nachrangig, vielmehr müsse vorbildlich gearbeitet werden, um Abwanderung entgegenzuwirken.

Um dem Thema die gebührende Aufmerksamkeit zu geben, brachte Kogler einen Antrag auf Einsetzung eines eigenen Ausschusses ein. Nikolaus Scherak (N) unterstützte diesen seitens seiner Fraktion, nicht so hingegen die Regierungsparteien.

NEOS sehen Chance für österreichische Wirtschaft
Die NEOS sind für das gemeinsame Abkommen. Für Gerald Loacker würde ohne Vertragsunterzeichnung eine Chance für den österreichischen Mittelstand und die österreichischen Unternehmen verpasst. In diesem Sinn ist für ihn die Verhinderungspolitik der anderen Parteien bedenklich.

Team Stronach befürchtet Gesundheitsgefährdung
Grundsätzlich positiv sieht Robert Lugar vom Team Stronach den Freihandel. Problematisch sei jedoch die Gesundheitsgefährdung für die österreichische Bevölkerung, die durch die Öffnung der Märkte entstehe. Daher will Lugar die BürgerInnen stärker in den Vordergrund stellen und finanzielle Aspekte hintan halten. Laut Leopold Steinbichler (T) findet der Handel auch ohne CETA und TTIP statt. Diese Abkommen würden darauf abzielen, Spekulationen zu ermöglichen, sie würde zu Lasten der Gesundheit der österreichischen Bevölkerung gehen, ist er überzeugt.

Der Freihandel sei ein Grundpfeiler jeder Demokratie, betonte Marcus Franz (o.F.). Die Konsequenzen dieser neuen Abkommen seien aber unklar. Franz befürchtete die Öffnung von Hintertüren für gesundheitsschädliche Produkte, insbesondere warnte er vor gentechnisch veränderten Lebensmitteln, deren Auswirkungen auf den menschlichen Magen nicht ausreichend erforscht seien. Negative Effekte auf die nächsten Generationen befürchtet auch Susanne Winter (o.F.). Gerhard Schmid (o.F.) warnte vor hohen Qualitätseinbußen und sprach sich gegen die Abkommen aus, um Schäden für KonsumentInnen zu verhindern.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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