Was glückt gemeinsam?

 

erstellt am
23. 06. 17
13:00 MEZ

Zwei Ausstellungen zeigen neue Perspektiven auf das Kunsthaus Graz
Graz (museum joanneum) - Am Abend des 22. Juni feierten die ersten beiden von Barbara Steiner kuratierten Ausstellungen im Kunsthaus Graz Eröffnung. Mit Haegue Yang. VIP’s Union und Koki Tanaka. Provisorische Studien (Arbeitstitel) präsentiert das Kunsthaus zwei Positionen, die an die noch bis 20. August 2017 laufende Schau von Erwin Wurm anknüpfen. „Es ist ein prozesshafter Werkbegriff sowie das Interesse an Alltäglichkeit, die diese drei Positionen verbinden. Wie auch Wurm bieten diese zwei Ausstellungen – die Arbeiten präsentieren, die extra für das Kunsthaus konzipiert wurden – wiederum eine gänzlich neue Perspektive auf unser Haus“, betont Kuratorin und Kunsthaus-Leiterin Barbara Steiner am Abend der Eröffnung, die in Anwesenheit der Künstlerin Haegue Yang und des Künstlers Koki Tanaka stattfand.

Für die Realisierung von VIP’s Union im Kunsthaus Graz bat die koreanische Künstlerin Haegue Yang „very important persons“ aus Graz und der Steiermark, einen Stuhl oder Tisch ihrer Wahl als Leihgabe zur Verfügung zu stellen. Dabei handelt es sich um Personen, die mit der Institution auf sehr unterschiedliche Weise in enger Beziehung stehen oder stehen werden – darunter etwa politische Personen wie Bürgermeister Siegfried Nagl, Altbürgermeister Alfred Stingl oder die ehemalige Stadträtin Lisa Rücker sowie zahlreiche weitere Leihgeber/innen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Bildung, Medien oder Kultur. Mit der Schau VIP’s Union, die sich in Phase I bis zum 28. Jänner 2018 über das ganze Kunsthaus erstreckt und ab Februar 2018 als Phase II im Space02 des Kunsthauses zu sehen sein wird, geht die Künstlerin der Frage nach, wodurch sich die gesellschaftliche Bedeutung von VIPs definiert und wie eine Kunstinstitution dazu steht. Haegue Yang hat VIP’s Union bereits im Jahr 2001 konzipiert und die Serie seither in Berlin, Bristol, Antwerpen, Bonn und Seoul realisiert. „Die Besonderheit meiner Auseinandersetzung im Kunsthaus Graz ist, dass hier ganz bewusst öffentliche Räumlichkeiten bespielt werden. Durch die fast anarchistische Zusammenstellung der Möbel wird die Öffentlichkeit innerhalb des Hauses neu definiert“, so Haegue Yang, deren Werke bei bedeutenden Ausstellungen wie der dOCUMENTA (13) in Kassel (2012), der 8. Gwangju Biennale in Südkorea (2010) sowie der 53. Biennale in Venedig (2009) gezeigt wurden.

Indem ein Großteil der Leihgaben im Rahmen von VIP’s Union den Besucherinnen und Besuchern zur Benützung freistehen, soll damit nicht nur die ästhetische, sondern auch die soziale Komponente angeregt werden. Darüber hinaus baut sich auf diese Weise eine Art kollektives Porträt des Kunsthauses auf, das sich aus vielen einzelnen Elementen speist. Gemeinsam wird ein gleichsam abstraktes, aber auch sehr konkretes Bild der Kulturlandschaft von Graz und der Steiermark geschaffen.

Der japanische Künstler Koki Tanaka wurde durch Installationen und Aktionen bekannt, bei denen er Alltagsgegenstände und vor Ort gefundenes Material verwendete. In Tanakas erster Einzelausstellung in Österreich zeigt das Kunsthaus Graz Projekte, die um Kollektivität und die Möglichkeiten eines gemeinsamen Handelns kreisen. Seine neueste filmische Arbeit wurde extra für bzw. in enger Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus entwickelt. Ausgangspunkt von Provisional Studies: Rewriting a Song for Zwentendorf ist der gemeinsame Protest von Menschen gegen die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf in den späten 1970er-Jahren. Protagonistinnen und Protagonisten aus der damaligen Anti-Atomkraft-Bewegung, deren Kinder sowie Jugendliche übersetzten zunächst den Text des Protestsongs Der Atomstrom (Agit-Prop-Gruppe Graz) ins Heute und aktualisierten damit seine Botschaft. Danach fuhren sie und weitere Personen in das nie in Betrieb genommene Kernkraftwerk Zwentendorf. Vor Ort wurde der neue Song gespielt und gesungen, während Tanaka und sein japanisch-österreichisches Filmteam diesen Prozess filmten.

Mit seinen Arbeiten stellt Koki Tanaka stets Fragen an die Gemeinschaft und an das kollektiv Machbare: Was können wir auf welche Weise gemeinsam erreichen? Kann man zu siebt einen Protestsong schreiben? Kann man gemeinsam einen Soundtrack komponieren und diesen zu fünft auf einem Piano spielen? Neben dem Interesse an kollektiven Formen des Protests interessiert den Künstler auch das Erinnern, die identitätsstiftende Funktion von im Gedächtnis eingebrannten, gemeinsam erlebten Ereignissen und ihre Aktualisierung für die Gegenwart.

Koki Tanaka bespielte 2013 den japanischen Pavillon auf der 55. Biennale in Venedig; 2015 war er „Künstler des Jahres“ der Deutschen Bank. 2017 stellt Tanaka im Kunsthaus Zürich und auf der Biennale in Venedig aus; im Sommer nimmt er an den Skulptur Projekten Münster teil. Mit seinen Arbeiten, die nun bis zum 27. August 2017 im Kunsthaus Graz gezeigt werden, strebt Tanaka ganz bewusst auch eine Situation der Überforderung als Teil der Rezeption an. Gleichzeitig spielt das Aufeinander-Zugehen eine zentrale Rolle – direkt erfahrbar in einer seiner „Tagesaufgaben“ in der Ausstellung: „Schließen Sie sich dem Gespräch an, das unmittelbar neben Ihnen stattfindet.“

Haegue Yang. VIP’s Union
Eine Ausstellung in zwei Teilen
VIP’s Union – Phase I (im gesamten Kunsthaus)
23.06.2017–28.01.2018
VIP’s Union – Phase II (Space02)
16.02.–02.04.2018
Kuratiert von Barbara Steiner, Co-Kuratorin: Katrin Bucher Trantow

Koki Tanaka. Provisorische Studien (Arbeitstitel)
23.06.–27.08.2017
Kuratiert von Barbara Steiner
Mit freundlicher Unterstützung der evn AG und evn collection

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.kunsthausgraz.at

 

 

 

 

 

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