Das Erdmagnetfeld verdanken wir dem Nickel

 

erstellt am
12. 07. 17
13:00 MEZ

Berechnungen der TU Wien und der Uni Würzburg zeichnen ein neues Bild des Erdmagnetfelds: Mit Eisen alleine lässt sich der Geo-Dynamo nicht erklären. Eine entscheidende Rolle spielt Nickel.
Würzburg/Wien (tu) - Jeder von uns kann das Erdmagnetfeld ganz einfach mit einem Kompass nachweisen – doch wie es genau entsteht ist eine ausgesprochen komplizierte Frage. Eine wichtige Rolle spielt dabei jedenfalls der heiße Erdkern, der hauptsächlich aus Eisen besteht. In Kombination mit der Eigenrotation der Erde führt er zu einem gewaltigen „Dynamoeffekt“, der das Erdmagnetfeld erzeugt.

Doch mit Eisen alleine ist dieser Effekt nicht wirklich zu erklären: Materialwissenschaftliche Berechnungen, die ein Forschungsteam um Prof. Alessandro Toschi und Prof. Karsten Held (TU Wien) und Prof. Giorgio Sangiovanni (Universität Würzburg) nun in „Nature Communications“ veröffentlichten, zeigen, dass die Theorie des Geo-Dynamoeffekts modifiziert werden muss. Entscheidend ist nämlich, dass der Erdkern auch bis zu 20% aus Nickel besteht – ein Metall, das sich unter den extremen Bedingungen im Erdkern anders verhält als das Eisen.

Große Hitze, extremer Druck
Der Erdkern ist ähnlich groß wie der Mond und so heiß wie die Oberfläche der Sonne. Es herrscht ein Druck von mehreren hundert Gigapascal – das entspricht dem Druck, den man ausüben würde, wenn man mehrere Eisenbahnlokomotiven auf einem Quadratmillimeter balancieren könnte. „Unter diesen extremen Bedingungen verhalten sich manche Materialien ganz anders als wir es gewohnt sind“, sagt Karsten Held. „Die Bedingungen im Experiment nachzustellen ist kaum möglich, aber mit aufwändigen Computersimulationen können wir das Verhalten von Metallen im Erdkern quantenphysikalisch berechnen.“

Die Hitze des Erdkerns muss irgendwie entweichen. Heißes Material steigt in höhere Schichten auf, es entstehen Konvektionsströme. Gleichzeitig treten durch die Erdrotation starke Korioliskräfte auf, insgesamt entstehen so im Erdinneren komplizierte spiralförmige Strömungen. „Wenn in einem solchen Strömungs-System elektrischer Strom zu fließen beginnt, kann dieser ein magnetisches Feld erzeugen, das wiederum den Stromfluss verstärkt, und so weiter – bis ein kräftiges Magnetfeld entstanden ist, das wir an der Erdoberfläche messen können“, erklärt Alessandro Toschi.

Wärmeleitung unter Druck
Doch nach bisherigem Wissen war eigentlich nicht zu erklären, warum es überhaupt zu den Konvektionsströmen kommen sollte. Eisen ist nämlich ein ziemlich guter Wärmeleiter, und bei hohem Druck wird die Wärmeleitfähigkeit von Eisen sogar noch besser. „Würde das Erdinnere nur aus Eisen bestehen, so könnten die frei beweglichen Elektronen im Eisen ganz alleine für den nötigen Wärmetransport sorgen, ohne dass dabei Konvektionsströme entstehen müssten“, sagt Karsten Held. „Dann gäbe es allerdings auch kein Erdmagnetfeld.“

Allerdings enthält der Erdkern auch bis zu 20% Nickel. Bisher hielt man das nicht für bedeutend, doch wie nun gezeigt wurde, spielt der Nickel-Anteil eine ganz entscheidende Rolle. „Nickel verhält sich unter Druck anders als Eisen“, sagt Alessandro Toschi. „Bei hohem Druck streuen die Elektronen im Nickel deutlich häufiger als im Eisen, daher ist die Wärmeleitfähigkeit von Nickel, aber auch des Erdkerns insgesamt, deutlich niedriger als bei einem Kern aus reinem Eisen.“ Aufgrund des Nickel-Anteils kann die Temperatur im Erdkern nicht mehr bloß durch die Bewegung von Elektronen abtransportiert werden und daher ist das Entstehen von Konvektionsströmungen unvermeidlich, die dann letztlich für das Erdmagnetfeld verantwortlich sind.

Um zu diesen Erkenntnissen zu gelangen, war es nötig, unterschiedliche Metallstrukturen am Computer zu simulieren und das Verhalten ihrer Elektronen zu berechnen. Die Vielteilchen-Rechnungen wurden von Andreas Hausoel (Universität Würzburg) durchgeführt, unter anderem auch am Vienna Scientific Cluster (VSC). „Gemeinsam mit unseren Kollegen von der Universität Würzburg untersuchten wir nicht nur Eisen und Nickel sondern auch Legierungen aus diesen beiden Materialien. Auch Störungen und Unregelmäßigkeiten in den Materialien mussten wir speziell berücksichtigen, das macht die Computersimulationen noch aufwändiger“, erklärt Karsten Held.

Diese fortschrittlichen Rechenmethoden sind nicht nur wichtig, um das Erdmagnetfeld besser zu verstehen, sie bieten auch neue Einblicke in die Streuung der Elektronen. Alessadro Toschi ist überzeugt: „In naher Zukunft wird die stetige Verbesserung dieser Algorithmen auch zu spannenden Anwendungen in der Chemie und Biologie, in der Industrie und Technik führen.“

Dieses im Rahmen einer langfristigen Kooperation zwischen der TU Wien und der Uni Würzburg durchgeführte Projekt wurde vom österreichischen FWF und der deutschen DFG im Rahmen der Forschergruppe FOR 1346 „Dynamical Mean-Field Approach with Predictive Power for Strongly Correlated Materials“ unterstützt.

Originalpublikation: Sangiovanni et al., Local magnetic moments in iron and nickel at ambient and Earth's core conditions; Nature Communications, 2017. DOI: 10.1038/NCOMMS16062

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.tuwien.ac.at

 

 

 

 

 

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