TerrassenTalk Kasimir und Karoline

 

erstellt am
27. 07. 17
13:00 MEZ

Salzburg (sf) - Mit ihrem partizipativen Ansatz ans Theater hat das Ensemble 600 HIGHWAYMEN bereits Erfahrung auf der ganzen Welt gesammelt. Nun inszeniert das Regie-Duo Abigail Browde und Michael Silverstone zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen und zum ersten Mal ein Stück in deutscher Sprache. „Das war im ersten Moment eine große Herausforderung, weil wir ja selbst kein Deutsch sprechen“, sagt Michael Silverstone. Die Regisseure haben mit Hilfe eines Übersetzers eine eigene Textfassung erarbeitet. Im Laufe der Probenphase, die bereits vier Wochen andauert, wurde diese weiter adaptiert. „Wir haben Abschnitte herausgenommen und Figuren gestrichen, um die Handlung zu straffen“, sagt Abigail Browde, die Grundhandlung bleibe natürlich bestehen. „Wir haben uns intensiv mit der Frage auseinander gesetzt, warum wir diese Geschichte erzählen, was bedeutet das Stück für uns?“, sagt die Regisseurin, und ihre Neuinterpretation von Kasimir und Karoline darauf hin erarbeitet. Sie haben sich entschieden keine starre Rolleneinteilung zu nutzen: Die Protagonisten Kasimir und Karoline werden jeweils von bis zu 8 Darstellern gespielt. „Die Geschichte betrifft uns doch alle – Es ist interessant zu sehen, was passiert, wenn Kasimir zum Beispiel erst von einem 13-Jährigen und dann von einem 60-Jährigen dargestellt wird. – Wir wollen damit das Verständnis der Problematik steigern, da diese Schicksale uns alle angehen“, sagt Abigail Browde.

Bei den Castings wurden aus 350 Bewerbern 23 ausgesucht, die nun bei Kasimir und Karoline mitwirken. Nach welchen Kriterien sie ausgesucht haben, fragt die Moderatorin und Leiterin des Schauspiels Bettina Hering. „Das ist schwierig zu beantworten“, sagt Michael Silverstone. „Oft ist es ein intuitiver Prozess – wir haben nicht den besten Kasimir gesucht, das wäre uns zu langweilig. Oft ist es viel interessanter Menschen auszuwählen, die weniger Erfahrung mitbringen, dafür aber etwas Lebendiges in sich tragen, eine Präsenz“, sagt der Regisseur. „Ich finde eine gewisse Verletzbarkeit und Offenheit auf der Bühne, die die Laien oft mitbringen, ist etwas sehr Schönes. Der Schauspieler stellt sich eindeutiger der Realität und dem Bewusstsein, auf der Bühne gesehen zu werden.“ Routinierte Schauspieler würden manchmal diese Form der Ehrlichkeit auf der Bühne vermissen lassen.

Auf die Frage, wie sie mit dem Horváthschen Motto des Stückes „Und die Liebe höret nicht auf“ umgehen, müssen die beiden kurz nachdenken. „Es ist ein sehr komplexes Motto“, sagt schließlich Abigail Browde. Die Geschichte drehe sich um Hoffnung, aber eben um Hoffnung, die zerbricht und verschwindet. Es stelle sich die Frage, ob es weise sei, diese Hoffnung zu verspüren oder aber ein Ausdruck von Ignoranz. Im Grunde sei Kasimir und Karoline ja keine Liebesgeschichte, sondern eine Geschichte über den Mangel an Liebe, den privaten Zusammenbruch von Liebe, der öffentlich ausgetragen werde.

Am Anfang habe er sich schwer getan, sich als Amerikaner diesen alten österreichischen Stoff anzueignen. Aber er habe im Laufe der Zeit gemerkt, dass sich auch die österreichischen und deutschen Schauspieler oft mit der Originalsprache schwer tun würden, sagt Michael Silverstone. „Es ist vielleicht interessant, dass wir als Amerikaner eine Distanz zur Geschichte haben und sie aus einem neuen Blickwinkel anschauen können. Außerdem empfinde ich diese Geschichte auch als meine Geschichte, sind doch meine Vorfahren aus Österreich.“

Salzburger Festspiele/Anne Zeuner

Ödön von Horváth Kasimir und Karoline
Volksstück (1932)
In einer Textfassung von 600 HIGHWAYMEN in Zusammenarbeit mit Saša Celecki
Neuinszenierung
Mit freundlicher Unterstützung der Universität Mozarteum Salzburg und der Internationalen Sommerakademie Universität Mozarteum Salzburg

600 HIGHWAYMEN (Abigail Browde & Michael Silverstone), Regie
Anneliese Neudecker, Bühne, Kostüme
Brandon Wolcott, Musik
Stefanie Hackl, Dramaturgie
Christoph Buchegger, Regieassistenz

Ella Badura, Aldo Banovaz, Alaaeldin Dyab, Lili Epply, Helga Grissmann, Glen Hawkins, Ron Iyamu, Marie Jensen, Eva Christine Just, Gabriela Kaegi, Günter Krall, Ivy Lißack, Simon Nagl, Lukas Pöckl, Anna Posch, Maresi Riegner, Antonia Rucker, Bernhard Georg Rusch, Vincent Sauer, Sebastian Schneider, Valentina Schüler, Andreas Weiss, Genet Zegay

Premiere: 11. August, 20:00 Uhr
Weitere Termine: 13., 14., 15., 16., 18. August
Universität Mozarteum, Großes Studio


600 HIGHWAYMEN (Abigail Browde & Michael Silverstone)
600 HIGHWAYMEN lautet der Name der Theaterkünstler Abigail Browde und Michael Silverstone, die sich auf partizipative Theaterprojekte spezialisiert haben. Die unverkennbaren Arbeiten des New Yorker Duos wie This Time Tomorrow (2009/10), Empire City (2011),This Great Country (2012/13) und The Record (2013) wurden ab 2009 in internationalen Theatern und auf diversen Festivals gezeigt, darunter Under The Radar (The Public Theater, New York City), Crossing the Line (French Institute Alliance Française, NYC), River to River (Lower Manhattan Cultural Council, NYC), Wexner Center for the Arts (Columbus, Ohio), On The Boards (Seattle, Washington), Centre Pompidou und Parc de la Villette (Paris), Festival Theaterformen (Hannover), Noorderzon Festival (Groningen, Niederlande), Sibiu International Festival (Rumänien), Onassis Cultural Centre (Griechenland), In Between Time International Festival (England) und OzAsia Festival (Adelaide, Australien).

600 HIGHWAYMEN bekamen 2014 einen Obie Award und 2015 den ZKB Förderpreis der Zürcher Kantonalbank für ihre Inszenierung Employee of the Year verliehen. 2016 erhielten Abigail Browde und Michael Silverstone eine Artist Fellowship der New York Foundation for the Arts. Zu den aktuellen Projekten zählen Performances wie The Fever u.a. für das Noorderzon Festival, Zürcher Theater Spektakel, Museum of Contemporary Art (Chicago, Illinois), die New York University Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate), Stanford Live (Stanford, California), das Torn Space/Response Festival (Buffalo, New York) und das American Repertory Theater (Boston, Massachusetts).

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.salzburgerfestspiele.at/

 

 

 

 

 

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