TerrassenTalk Lady Macbeth von Mzensk

 

erstellt am
25. 07. 17
13:00 MEZ

Salzburg (sf) - Als er das Angebot bekommen hat, Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk zu dirigieren, hat Mariss Jansons sofort ja gesagt. – „Für mich ist es eines der wunderbarsten Werke überhaupt“, sagt der Dirigent beim TerrassenTalk in Salzburg. Es ist die erste Oper, die Maestro Jansons bei den Festspielen dirigiert, was, wie er berichtet, eher ein Zeitproblem war, da er meist Chefdirigent zweier Orchester gleichzeitig war. In diesem Festspielsommer aber habe er sich sehr viel Zeit genommen, denn Mariss Jansons ist einer, der von der ersten Probe an dabei ist und der, auch wenn er eine Oper schon einmal dirigiert hat, immer ganz von vorn mit dem Studium beginnt. Auch Regisseur Andreas Kriegenburg begrüßt die Zusammenarbeit mit dem Dirigenten, ja, er beschreibt sie sogar als „fantastisch“. „In dieser Oper wird sehr oft von den Sängern verlangt emotional blank zu ziehen“, sagt der Regisseur. „Ich bin dankbar jemanden wie Mariss Jansons an meiner Seite zu haben, der wie ein Fundament des ganzen Ensembles fungiert, der Stabilität bringt und atmosphärisch wichtig ist“, sagt Andreas Kriegenburg.

Vor einem Jahr hat sich das Team zum ersten Mal an einen Tisch gesetzt und schnell sei klar gewesen, dass man das Bühnenbild aus der Folklore herausnehmen wolle. „Wir wollten die Geschichte in ein städtisches Umfeld verlegen und sie aus einer heutigen Sicht erzählen“, sagt Andreas Kriegenburg. Es sei ein Ort, der sich im Verfall befindet, an dem man nicht genau wisse, ob es ein Erdbeben oder einen militärischen Eingriff gegeben habe. Die sozialen Strukturen zerfallen an diesem Ort und es kristallisieren sich langsam die Gewinner und die Verlierer dieser Situation heraus. „Boris etwa ist ein Gewinner, er übernimmt die Kontrolle über diesen Mikrokosmus und wirkt wie eine ständige Bedrohung“, sagt der Regisseur. „Aber“, so wirft der Dirigent ein, „Andreas Kriegenburg schafft es auch wunderbar die vielen komischen Momente in der Oper darzustellen.“ Das sei Schostakowitsch sehr wichtig gewesen, die Musik gebe so viel Komik und Groteskes preis – das Publikum könne lachen, trotz dieser grausamen Umgebung.

Welche Fassung er hier in Salzburg verwende, fragt Moderator Wolfgang Schaufler. Es sei eine sehr schwierige Entscheidung gewesen, die richtige Version zu finden, sagt Mariss Jansons. „Die erste Version, die Schostakowitsch geschrieben hat, existiert nicht mehr. Schostakowitsch hat viel an der Oper geändert, auch den Text und die Noten einfach überklebt“, sagt der Dirigent. Lady Macbeth von Mzensk war lange Zeit in der Sowjetunion verboten, in dieser Zeit sei viel verloren gegangen und es sei heute nicht mehr möglich, diese Erstfassung nachzuvollziehen. „Aber ich habe tüchtig studiert und Partituren und Klavierauszüge miteinander verglichen, wir haben viele Fehler korrigiert – ich glaube Text und Musik sind mittlerweile sehr nahe an der Originalfassung“, sagt Mariss Jansons. „Der Text ist kräftig, nicht schön und geht oft über die Grenzen hinaus.“

Die Oper erzähle keineswegs die Geschichte einer Frau, der langweilig ist, so wie es oft erzählt werde, sagt Andreas Kriegenburg. Ihm sei wichtig darzustellen, dass Katerina, die von Nina Stemme gesungen wird, eine Frau ist, deren Leib nach Leben schreit. Sie sei eine Frau, die heraus will aus dieser Welt mit Privilegien, aber nicht aus einer Langeweile heraus, sondern aus einer Lebensgier heraus. Lebensgier – sei das zentrale Wort in der Inszenierung. Katerinas Körper schreie förmlich nach Rebellion, daher sei auch an Schlaf nicht zu denken. Sie ersticke im eigenen Leben, sie empfinde zu wenig Raum für ihren eigenen Atem. „Dabei aber empfindet sie sich nie als Opfer, sie möchte Leben und Lust fühlen und nimmt sie sich einfach“, sagt der Regisseur. Auch in der Musik könne man Schostakowitschs Sympathie der Katerina gegenüber spüren, sagt Mariss Jansons. Katerina ist eine Mörderin, aber der Zuschauer empfinde dennoch ein Gefühl des Verständnisses, sagt Jansons. Nicht des Akzeptierens, aber ein Gefühl der Empathie.

Die Männer im Stück seien roh, gewalttätig, egoistisch, frauenfeindlich, sagt der Moderator. – „Es gibt in der ganzen Oper nur eine einzige Szene, in der Katerina nicht auf der Bühne ist“, sagt Andreas Kriegenburg. „Man sieht die Männer aus ihrer Perspektive, durch ihren Blick verzerrt. Und sie nimmt die Männer eben genau so wahr, wie die Welt für sie ist: ungerecht.“ So seien die Männer entweder als Schwächlinge oder eben dämonisiert dargestellt.

Mariss Jansons hat selbst noch Schostakowitsch kennengelernt. „Ich würde sagen er war keine glückliche Person. Er war ein Genie! Davon bin ich überzeugt. Aber er war auch immer nervös und ängstlich und er sprach oft so schnell, dass man kein Wort verstehen konnte“, sagt Mariss Jansons. Er habe es in der Sowjetunion nie leicht gehabt. „Zum Glück war er Komponist und nicht Schriftsteller oder Regisseur, denn die Musik ist so eine abstrakte Kunst, dass man ihm schwer Antisowjetisches nachweisen konnte“, sagt der Dirigent. Er sei nicht immer gerade durchs Leben gegangen und habe oft auch Werke so schreiben müssen, dass sie politisch akzeptiert wurden.

Die Lady Macbeth von Mzensk sei eine fantastische Oper mit genialer Musik, sagt Mariss Jansons. „Sie ist so stark, dass sie keinen im Publikum gleichgültig bleiben lässt! Es ist ein grausames Stück, eine grausame Musik, aber sie enthält gleichzeitig so viele sehr berührende Momente.“

Salzburger Festspiele/Anne Zeuner


Dmitri Schostakowitsch Lady Macbeth von Mzensk
Oper in vier Akten (Urfassung 1930-1932)
Libretto von Alexander Preis und Dmitri Schostakowitsch nach der gleichnamigen Novelle (1865) von Nikolai Leskow

Neuinszenierung
In russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Mariss Jansons, Musikalische Leitung
Andreas Kriegenburg, Regie
Harald B. Thor, Bühne
Tanja Hofmann, Kostüme
Stefan Bolliger, Licht
Christian Arseni, Dramaturgie

Nina Stemme, Katerina Lwowna Ismailowa
Dmitry Ulyanov, Boris Timofejewitsch Ismailow
Maxim Paster, Sinowi Borissowitsch Ismailow
Brandon Jovanovich, Sergej
Evgenia Muraveva, Aksinja / Zwangsarbeiterin
Andrei Popov, Der Schäbige
Oleg Budaratsky, Hausknecht / Wächter
Igor Onishchenko, Mühlenarbeiter
Vasily Efimov, Kutscher / Lehrer
Stanislav Trofimov, Pope
Alexey Shishlyaev, Polizeichef
Valentin Anikin, Polizist / Sergeant
Ksenia Dudnikova, Sonjetka
Andrii Goniukov, Alter Zwangsarbeiter
Gleb Peryazev*, Verwalter
Martin Müller, 1. Vorarbeiter
Oleg Zalytskiy, 2. Vorarbeiter / Betrunkener Gast
Ilya Kutyukin*, 3. Vorarbeiter

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Ernst Raffelsberger, Choreinstudierung
Wiener Philharmoniker

* Teilnehmer des Young Singers Project – unterstützt von der KÜHNE-STIFTUNG

Premiere: 2. August, 18 Uhr
Weitere Vorstellungen: 5., 10., 15., 21. August
Großes Festspielhaus

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.salzburgerfestspiele.at/

 

 

 

 

 

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