Abschluss-Bericht der Salzburger Festspiele 2017

 

erstellt am
28. 08. 17
13:00 MEZ

Salzburg (sf) - Mit der Neuinszenierung des Jedermann begann dieser Festspielsommer vor 39 Tagen. 195 Aufführungen an 15 Spielstätten umfasste das Programm 2017 insgesamt. Nun ist es an der Zeit, ein Resümee über den Festspielsommer zu ziehen, dem ersten des in dieser Saison wieder aus drei Mitgliedern bestehenden Direktoriums: Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, Intendant Markus Hinterhäuser, Lukas Crepaz als Kaufmännischer Direktor sowie Bettina Hering, Leitung Schauspiel und Florian Wiegand, Leitung Konzert, standen Rede und Antwort.

Die Facetten der Macht spiegelten sich im Programm der Salzburger Festspiele 2017 wieder. Die Macht der Vergebung oder die Ohnmacht des Verzeihens in der Eröffnungsoper von Wolfgang A. Mozart La clemenza di Tito. Die politische Macht und die Ohnmacht der Besiegten in Verdis Aida. Das blutige Aufbegehren einer starken Frau gegen die Unterdrückung des Systems in Lady Macbeth von Mzensk von Dmitri Schostakowitsch. Der Aufschrei der unterdrückten Kreatur gegen den Machtmissbrauch der Obrigkeit in Alban Bergs Wozzeck. Und das Fazit von Gewalt und Verblendung durch die Macht in Aribert Reimanns Lear.

Neben Künstlern, die bereits auf eine große Geschichte bei den Salzburger Festspielen zurückblicken können, wie Riccardo Muti, Anna Netrebko oder Daniel Barenboim, gab es in diesem Sommer einige hocherfolgreiche Debüts zu feiern. Teodor Currentzis begeisterte in der Oper wie im Konzert mit seinem Orchester musicAeterna und seinem musicAeterna Choir of Perm Opera. In La clemenza di Tito war es Marianne Crebassa, die augenblicklich zum Publikumsliebling avancierte. Asmik Grigorian als Marie im Wozzeck sowie Evgenia Muraveva in Lady Macbeth von Mzensk zählten ebenso zu den Sensationen dieses Sommers wie auch die Festspieldebüts der Pianisten Daniil Trifonov und Igor Levit, die beide denkwürdige Auftritte absolviert haben. Auch unter den Regisseuren gab es einige Salzburg- Debüts zu erleben: William Kentridge, Simon Stone, Shirin Neshat, Karin Henkel, 600 HIGHWAYMEN und Athina Rachel Tsangari inszenierten zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen. Mariss Jansons und Andreas Kriegenburg feierten beide ihr Operndebüt; Michael Sturminger sein Schauspieldebüt bei den Salzburger Festspielen, währenddessen Andrea Breth, Peter Sellars und Christof Loy zu den bereits bekannten Größen der Salzburger Festspiele gehören.

Insgesamt gab es 40 Opern-Vorstellungen zu erleben: Fünf Neuinszenierungen, drei halbszenische Aufführungen, zwei konzertante Aufführungen und die Wiederaufnahme der Oper der Salzburger Festspiele Pfingsten Ariodante standen auf dem Spielplan.

"Ich empfinde es als großes Glück, wenn Produktionen entstehen und nicht einfach hergestellt werden. Dass es gelingt, einen Pakt mit dem Publikum einzugehen, wenn man ihm den Respekt entgegenbringt, den es verdient, wenn man es intellektuell und im Herzen in aufrichtiger Weise fordert. Dass auch die Werke des 20. Jahrhunderts vom Publikum mit so viel Empathie getragen worden sind, freut mich besonders", sagt Intendant Markus Hinterhäuser.

"'Risiko ist die Bugwelle des Erfolgs' - dieses, eines meiner Lieblingszitate von Jean Améry, hat sich in diesem Sommer wieder einmal bewahrheitet. Das künstlerische Risiko, das Markus Hinterhäuser mit seiner Programmierung eingegangen ist, hat den Festspielen künstlerisch und ökonomisch reiche Ernte gebracht. Und zusätzlich freut es mich, die Erfolge unserer Jugendarbeit zu sehen. Das Young Singers Project und der Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award beweisen sich einmal mehr als Startrampen für eine internationale Karriere unserer jungen Talente. Und dass wir die Anzahl der Jugendabos verdoppeln konnten, wurde vom jungen Publikum enthusiastisch aufgenommen", sagt Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler.

"Wir freuen uns über die große Resonanz unserer Festspielsaison 2017, die mit einer Auslastung von 97% und 261.500 ausgegebenen Tickets unsere Erwartungen weit übertroffen hat. Mit diesem Erfolg im Rücken können wir nun die dringendsten Investitionen - insbesondere bei der Sanierung des 57 Jahre alten Großen Festspielhauses - weiter vorantreiben", sagt Lukas Crepaz, Kaufmännischer Direktor der Salzburger Festspiele.

   

Vielbeachtet war das Schauspiel-Programm, das zum ersten Mal von Bettina Hering verantwortet wurde: Fünf Neuinszenierungen, vier Schauspiel-Recherchen, drei Lesungen und eine Konzertperformance setzten neue Impulse. 14 Mal stand der Jedermann auf dem Programm: Bis heute, 28. August, konnte er 10 Mal auf dem Domplatz gespielt werden, 3 Mal wurde er aufgrund der Wetterlage im Großen Festspielhaus gezeigt. Harold Pinters Die Geburtstagsfeier führte parabelhaft vor, wie es einer Gesellschaft ergeht, die die Strategien der Macht nicht mehr dekodieren kann. Mit der großartigen Lina Beckmann als Rose Bernd wurde eine Brücke zum Wozzeck in der Oper geschlagen, Lulu von Frank Wedekind zeigte Parallelen zur Lady Macbeth von Mzensk auf. Ödön von Horváths Kasimir und Karoline thematisierte den Auf- und Abstiegskampf vor allem der jungen Generation. Viele außergewöhnliche Schauspielerinnen und Schauspieler waren in den Schauspielproduktionen bei den Salzburger Festspielen in diesem Jahr quer durch die Generationen zu sehen, mit etlichen Debüts wie demjenigen von Stefanie Reinsperger, Anna Drexler, Christian Friedel, Hanno Koffler und vielen anderen. "Die unterschiedlichen Handschriften unserer Künstler haben einen inhaltlich spannenden Diskurs angeregt, der sowohl vom Publikum als auch von den Medien interessiert fortgesetzt wurde. Dies führte zu einem höchst vitalen Sommer im Schauspiel. Die Neuinszenierung des Jedermann mit dem fabelhaften Tobias Moretti in der Titelrolle und Stefanie Reinsperger als Buhlschaft, ist in seiner Neupositionierung auf dem Domplatz sehr gut aufgenommen worden und verbindet für mich Tradition mit der Moderne", sagt Bettina Hering.

Mit Lux aeterna von Györgi Ligeti und La Transfiguration de Notre Seigneur Jésus-Christ von Olivier Messiaen wurde die "Ouverture spirituelle" und damit das Konzertprogramm der Festspiele am 22. Juli eröffnet; mit drei Werken von Witold Lutoslawski sowie Tschaikowskis Pathétique wird es am 29. August beendet. Beide Konzerte stehen damit sinnbildlich für die Konzertdramaturgie des diesjährigen Festspielsommers: "Wir haben versucht, die Musik des20. und 21. Jahrhunderts wie selbstverständlich in die Konzertprogramme zu integrieren und nicht nur in eigenständigen Reihen zu programmieren. Über 90 Werke aus den beiden Jahrhunderten, 46 davon entstanden nach 1950, sind dabei zur Aufführung gekommen. Auch unsere Idee, alte Werke aus der Renaissance- und Barockzeit mit der Moderne zu verbinden, hat beglückende Publikumsreaktionen hervorgerufen", sagt Konzertleiter Florian Wiegand. Die Kollegienkirche war dabei einmal mehr der Ort für die Neue Musik: 82% der Werke, die diesen Sommer in der Kirche erklangen, sind nach 1950 entstanden. Viele dieser Werke stammten aus der Feder des französischen Spektralisten Gérard Grisey. Ihm sowie Dmitri Schostakowitsch haben die Festspiele zwei Reihen gewidmet unter dem Titel "Zeit mit…". Florian Wiegand: "Ich freue mich, dass so viele Festspielbesucher unserer ‚Einladung' gefolgt sind, sich intensiv auf Werke von zwei bedeutenden Komponisten des 20. Jahrhunderts und deren so unterschiedliche klangliche Welt einzulassen. Dies ermutigt uns, ‚Zeit mit…' in den folgenden Jahren fortzusetzen."

Neben den großen Maestri unserer Zeit wie Daniel Barenboim, Herbert Blomstedt, Bernard Haitink, Riccardo Muti, Kent Nagano oder Simon Rattle hat die jüngere und junge Generation der Dirigenten diesen Sommer auf sich aufmerksam gemacht. Andris Nelsons hat zum ersten Mal die Wiener Philharmoniker bei den Festspielen dirigiert, unter anderem mit einem Werk, das die Philharmoniker seit 1945 nicht mehr gespielt haben: der 7. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch. Die beiden Griechen Teodor Currentzis und Constantinos Carydis haben gezeigt, wie viel Aufregendes und Neues bei Mozart zu entdecken ist. Besonders im Mittelpunkt stand in diesem Sommer der "Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award". Mit Mirga Gražinyte-Tyla (2012), Maxime Pascal (2014) und Lorenzo Viotti (2015) sind gleich drei ehemalige Preisträger zu den Festspielen zurückgekehrt. Der Preisträger von 2016, der junge Usbeke Aziz Shokhakimov hat das Festspielpublikum mit Prokofjews fünfter Symphonie überzeugt. Unter den drei Finalisten 2017 hat die Jury den jungen Briten, Kerem Hasan, als Preisträger gekürt. Ihn wird das Publikum nächstes Jahr mit seinem Preisträgerkonzert erneut erleben.

Die Festspiele 2017 waren auch ein Treffen der großen Pianisten unserer Zeit: Pierre- Laurent Aimard, Martha Argerich, Daniel Barenboim, Yefim Bronfman, Evgeny Kissin, Maurizio Pollini, András Schiff, Grigory Sokolov und Mitsuko Uchida. Dazu gesellten sich zwei vielbeachtete Salzburg-Debütanten: Igor Levit hat in drei Konzerten mit sehr außergewöhnlichen Programmen das Publikum überzeugt. In besonderer Erinnerung wird dabei sicher die Aufführung der 24 Präludien und Fugen op. 87 von Dmitri Schostakowitsch bleiben, ein wichtiger Beitrag für die Reihe "Zeit mit Schostakowitsch". Daniil Trifonov hat in den Konzerten mit Prokofjews zweitem Klavierkonzert mit den Wiener Philharmonikern sowie dem Liederabend mit Matthias Goerne zwei sehr unterschiedliche Facetten seines unglaublichen Könnens gezeigt.

Es gab auch zwei Liederabenddebüts: hier war es zum einen Marianne Crebassa, die neben ihrem Sesto in La clemenza di Tito auch als Liedsängerin (mit Fazil Say am Klavier) begeisterte sowie Sonya Yoncheva, die ein umjubeltes Festspieldebut feierte.
Anne-Sophie Mutter, die zu Pfingsten 2017 in Salzburg ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert hat, wird mit der Partita für Violine und Orchester sowie Chain 2 (Anne-Sophie Mutter gewidmet) von Witold Lutoslawski mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck das Konzertprogramm der Festspiele beenden, das insgesamt 79 Konzerte umfasst hatte.

19 Aufführungen standen für Kinder und Jugendliche auf dem Programm der Salzburger Festspiele 2017. Darunter acht Vorstellungen der Kinderoper Der Schauspieldirektor, acht Einführungsworkshops Spiel und Spaß mit Mozart. Außerdem wurden vier Operncamps veranstaltet: ein Jedermann-Camp (mit zwei Abschlussaufführungen), zwei Aida-Camps und ein Wozzeck-Camp.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.salzburgerfestspiele.at

 

 

 

 

 

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