Bures übergibt sanierten jüdischen Friedhof
 der Stadtgemeinde Stockerau zur Pflege

 

erstellt am
01. 09. 17
13:00 MEZ

Nationalratspräsidentin: Zunehmende Sanierung jüdischer Friedhöfe in Österreich ist ein wichtiges Zeichen und ein Grund zur Freude
Wien (pk) - "Wir gedenken der hier bestatteten Verstorben und setzen zugleich ein Zeichen für einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit unserer NS-Vergangenheit", sagte Nationalratspräsidentin Doris Bures am 1. September bei der Eröffnung des jüdischen Friedhofes in Stockerau. In ihrer Funktion als Vorsitzende des Kuratoriums des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich (Friedhofsfonds) konnte Bures den Friedhof offiziell der Stadtgemeinde zur Pflege übergeben. Der Friedhof war 1874 eingerichtet worden, 1938 haben ihn die Nationalsozialisten geschlossen. "Jüdischen Friedhöfen kommt in unserer Erinnerungskultur ein besonderer Stellenwert zu – sie dürfen niemals eingeebnet werden, sondern sollen für alle Zeiten Bestand haben", sagte die Nationalratspräsidentin.

Die Sanierung des Friedhofs wurde seit 2011 in drei Teilprojekten mit Mitteln des Fonds in der Höhe von rund 102.500 € sowie seitens des Landes Niederösterreich mit rund 39.500 € unterstützt. Noch im Dezember 2016 hat der Friedhofsfonds gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien die Instandsetzungsarbeiten sowohl in Stockerau als auch am jüdischen Friedhof in Deutschkreutz abgenommen, sodass die beiden Heimatgemeinden die Pflege nun für 20 Jahre übernehmen können. Die Projekte in Deutschkreutz wie auch in Stockerau wurden in enger Ansprache mit dem Bundesdenkmalamt durchgeführt.

Bures: Jüdische Friedhöfe sind Orte der Geschichte, die es zu retten gilt
"Friedhöfe sind Orte der Ewigkeit. Die Ruhe der Toten sollte unantastbar sein – und doch ist sie in den Jahren des Nationalsozialismus nicht nur gestört worden, sondern die letzten Bleiben der Verstorbenen wurden mit Füßen getreten. Zahllose Gräber wurden zerstört, die Namen der Toten ausgelöscht", sagte Nationalratspräsidentin Bures. Erst in den vergangenen Jahren seien die jüdischen Friedhöfe allmählich als Orte mit Geschichte begriffen worden, die es zu retten gelte, so Bures. Österreich habe begonnen, der Zerstörung und der Achtlosigkeit einen Schritt der Verantwortung und des Respekts entgegenzusetzen.

Der Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe ist beim Nationalrat angesiedelt und wurde 2010 eingerichtet, um die Friedhöfe und mit ihnen die Erinnerung an Jahrhunderte jüdischer Geschichte in Österreich zu bewahren. Der Fonds wird über einen Zeitraum von 20 Jahren insgesamt 20 Mio. € zur Verfügung stellen. Gemeinsam mit den Eigenleistungen der Friedhofseigentümer und weiteren Förderungen werden die wichtigen Sanierungen ermöglicht. Über die Arbeit des Fonds wird dem Nationalrat jährlich berichtet.

Vermehrt Sanierungsprojekte seit 2015
"Dass seit 2015, nach einer Überarbeitung der Förderrichtlinien, die mir als Vorsitzende des Fonds ein besonderes Anliegen war, vermehrt Sanierungsprojekte eingereicht wurden, freut mich besonders. Mittlerweile wurden fast 2,5 Mio. Euro an Fördermitteln beschlossen", sagte die Nationalratspräsidentin.

Bures dankte in Stockerau auch all jenen, die an dieser Sanierung mitgearbeitet haben, namentlich Architekt Wolfgang Brenner und seinen MitarbeiterInnen, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch, dem Land Niederösterreich sowie dem Team um die Generalsekretärin des Nationalfonds, Hannah Lessing. Und ein ganz besonderer Dank der Nationalratspräsidentin galt dem Bürgermeister der Stadt Stockerau, Helmut Laab, der sich frühzeitig bereit erklärt hatte, die Pflege des Friedhofs in seiner Gemeinde zu übernehmen. "Die Gemeinde leistet damit einen immens wichtigen Beitrag zur Übernahme der historischen Verantwortung Österreichs", so Bures.

Helmut Laab: Einstmals blühende jüdische Gemeinde nicht in Vergessenheit geraten lassen
Helmut Laab, Bürgermeister der Stadtgemeinde Stockerau, sagte zum neu eröffneten Friedhof: "Sowohl der Stadtgemeinde Stockerau als auch mir persönlich war es immer ein wichtiges Anliegen, den jüdischen Friedhof Stockerau in gutem Zustand zu erhalten und so auch die MitbürgerInnen der einstmals blühenden jüdischen Gemeinde nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Da war es nur logisch, dass Stockerau als erste Gemeinde außerhalb Wiens im Jahr 2004 dem Washingtoner Abkommen beigetreten ist und schließlich auch als erste Gemeinde Niederösterreichs die neue Pflegevereinbarung für den jüdischen Friedhof Stockerau unterschrieben hat. Besonders stolz bin ich darauf, dass alle Beschlüsse in diesem Zusammenhang mit überwältigender Mehrheit gefasst wurden. Das zeigt die breite Mehrheit und die Selbstverständlichkeit, mit der in Stockerau mit diesem Thema umgegangen wird."

Oskar Deutsch: Der Friedhofsfonds hilft, die Friedhöfe wieder in einen würdigen Zustand zu bringen
Die gesetzliche Basis für den Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich wurde im Dezember 2010 geschaffen, um die völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs zur Restaurierung und Erhaltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe in Österreich, die im "Washingtoner Abkommen" vereinbart worden war, umzusetzen.

Jüdische Friedhöfe sind nicht nur besondere Erinnerungsorte, viele von ihnen verfügen auch über einen bedeutenden kulturhistorischen Wert. Der jüdischen Tradition entsprechend sind Grabstätten bis an das Ende der Tage gedacht.

"Nach der Vertreibung oder der Ermordung der Mitglieder jüdischer Gemeinden in ganz Österreich waren die jüdischen Friedhöfe in Österreich dem Verfall preisgegeben", betonte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch. "Nur in Wien und den Landeshauptstädten entstanden vergleichsweise kleine neue Gemeinden. Nach vielen Jahren konnte die gesetzliche Grundlage und ein Modus gefunden werden, gemeinsam an die Arbeit zu gehen, um die Friedhöfe in einen würdigen Zustand zu bringen."

Im Auftrag der der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, die großteils Eigentümerin der jüdischen Friedhöfe ist, wurden diese systematisch erfasst. Das Bundesdenkmalamt überprüfte zudem die Friedhöfe auf ihre Denkmalwürdigkeit und nahm über 60 davon in die so genannte § 2a-Verordnung des Bundesdenkmalamtes auf, wodurch sie unter Schutz gestellt sind. Die Friedhöfe umfassen jeweils zwischen zehn und mehreren hundert Grabstellen, die Grabsteine datieren aus dem 15. bis ins 20. Jahrhundert. Mit Unterstützung des Fonds können diese Friedhöfe vor dem Verfall bewahrt werden.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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