Kinder mit Typ-1 Diabetes profitieren
 von Fortschritten der technischen Therapie

 

erstellt am
18. 10. 17
13:00 MEZ

Weltweit größter pädiatrischer Diabetes-Kongress in Innsbruck – Technische Fortschritte, Therapieziele und eLearning als neues Tool für ÄrztInnen und PatientInnen
Innsbruck (i-med) - Zu den Fortschritten der Diabetestherapie und über die Neuausrichtung von Therapiezielen tauschen sich im Rahmen des weltweit größten pädiatrischen Diabeteskongresses in Innsbruck Fachleute aus allen fünf Kontinenten aus. Im Fokus des 43. Jahrestreffens der Internationalen Gesellschaft für Diabetes im Kindes- und Jugendalter (International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes, ISPAD) von 18. bis 21. Oktober 2017 steht der Typ-1 Diabetes bei Kindern, der Betroffene, Angehörige und BetreuerInnen vor besondere Herausforderungen stellt. Nicht nur die Fachwelt, auch die Bevölkerung ist direkt in den Kongress eingebunden: Junge Tiroler DiabetikerInnen können an einem Sportprogramm mit dem Extrembergsteiger und Typ-1 Diabetiker Will Cross teilnehmen.

Immer mehr Kinder sind weltweit von Typ-1 Diabetes betroffen. Registrierte man Ende der 1990er Jahre in Österreich noch 200 bis 230 neu erkrankte Kinder und Jugendliche, sind es in den letzten Jahren bereits über 400. Allein an der von Kongresspräsidentin Sabine Hofer geführten Diabetesambulanz der Univ.-Klinik für Pädiatrie I in Innsbruck werden über 200 Kinder und Jugendliche mit Typ-1 Diabetes dauerhaft betreut.

Typ-1 Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, die dazu führt, dass die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse vom körpereigenen Immunsystem zerstört werden. Auch wenn die Stoffwechselerkrankung zwar nicht geheilt, aber gut therapiert werden kann, greift sie doch massiv in den Alltag der Betroffenen ein. Mehrmals tägliches Blutzucker-Messen und die subkutane Insulin-Gabe gehören neben dem Wissen um die Berechnung von Kohlehydraten zu den grundlegenden Maßnahmen für einen gut eingestellten Stoffwechsel. Weil diese Aufgaben vor allem von kleinen Kindern meist nicht selbst bewältigt werden und gefürchtete Unterzuckerungen oft nicht ausreichend wahrgenommen und mitgeteilt werden können, steht der Diabetes im Kindes- und Jugendalter bzw. bei jungen Erwachsenen bis 25 Jahre im Fokus der ISPAD.

Technische Innovationen auf dem Prüfstand
Eine besonders wichtige Rolle kommt den Fortschritten der technischen Diabetes-Therapie zu. Gemeint sind all jene Hilfsmittel, die eine Blutzucker-Kontrolle sowie den Insulin- und Kohlehydrat-Bedarf bzw. die Abgabe von Insulin berechnen und kontrollieren helfen. „Closed loop system“ nennt sich jener Ansatz, mit dem die Bewältigung des diabetischen Alltags durch die lückenlose Anpassung des Glukose- und Insulinbedarfs optimiert werden soll. „Dabei kommt ein kontinuierlich messender Glukosesensor zur Bestimmung des Blutzuckers, eine Pumpe zur gezielten Insulinabgabe sowie ein mobiles Gerät – ein Smartphone –, das die Messdaten des Sensors auswertet und den Glukose-Insulin-Regelkreis der Pumpe steuert, zum Einsatz“, erklärt Sabine Hofer die zukunftsweisende Behandlungsmethode. Die Leiterin der pädiatrischen Diabetesambulanz in Innsbruck untersucht derzeit im Rahmen des EU-Projekts KidsAP (The artificial pancreas in children aged 1 to 7 years with type 1 diabetes) die Alltagstauglichkeit dieser Methode, mit der die Zeit im Glukosezielbereich (80 – 150 mg/dl) optimiert und die, durch den kindlichen Hormonhaushalt bedingten, häufigen Unterzuckerungen vermieden werden sollen.

Benefit für junge Tiroler DiabetikerInnen
Dass man als Typ-1 DiabetikerIn auch Höchstleistungen erbringen kann, beweist der US-Amerikaner Will Cross. Der Extremsportler ist seit mehreren Jahrzehnten Typ-1 Diabetiker und hat neben der Begehung des Nord- und des Südpols die höchsten Gipfel auf allen Kontinenten bestiegen. Dem Kongressmotto „Reaching for the summit“ entsprechend hat die ISPAD den weitgereisten Sportler zum Kongress nach Innsbruck eingeladen, wo er von seinem Umgang mit der Erkrankung unter extremen Bedingungen wie Kälte, Höhe und körperlichen Strapazen berichten wird. Tiroler Kinder mit Diabetes konnten sich zudem für ein Sportprogramm am Samstag, den 21.10., anmelden, um mit Will Cross bei einer Fahrt auf die Seegrube Erfahrungen auszutauschen.

Leitlinien und Therapieziele im Umbruch
In der Auseinandersetzung um angestrebte Zielsetzungen in der Typ-1 Diabetes-Therapie steht der HbA1c (Hämoglobin A1c)-Wert im Mittelpunkt. Der Laborwert spiegelt den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der vorangegangenen acht bis zwölf Wochen wider und gibt damit Auskunft über die Einstellung des Stoffwechsels. Die Amerikanische Diabetesgesellschaft (ADA) propagierte bislang einen höheren HbA1c – je nach Altersgruppe zwischen 7,5 und 8% -, um Unterzuckerungen, die zu Bewusstlosigkeit und Krampfanfällen führen können, weitgehend zu vermeiden. „Im Gegensatz dazu vertritt die Internationale Diabetesgesellschaft ISPAD eine strengere Blutzuckereinstellung mit HbA1c-Werten unter 7,5%. Der Trend geht in Richtung 6,5%“, weiß Joseph Wolfsdorf, Pädiater und Endokrinologe am Boston Children´s Hospital und an der Universität Harvard sowie derzeitiger Präsident der ISPAD. Zu diesem Thema wird im Rahmen der Tagung eine hitzige Debatte zwischen einer Expertin aus Boston und einem australischen Diabetologen erwartet, der im Sinne einer Reduktion von Spätfolgen die Grenzwerte weiter, also bis unter 7 bzw. 6,5%, senken will. Kongresspräsidentin Sabine Hofer plädiert für möglichst niedrige HbA1c-Werte, „weil das mit den technischen Neuerungen möglich und vertretbar ist“. Tirol präsentiert sich nicht nur bei der Diabetes-Versorgung als Vorzeigeland, sondern liegt gemeinsam mit Deutschland auch bei der Einhaltung von Therapiezielen im vorderen Feld der europäischen Länder.

Elektronische und Soziale Medien als sinnvolle Unterstützung
Neben technischen Neuerungen in der Diabetes-Therapie gewinnen moderne Kommunikationsplattformen und multimediale Tools für die Schulung von DiabetikerInnen und die Wissensvermittlung für ÄrztInnen und Betreuungspersonal immer größere Relevanz.

„Auch wenn persönliche Schulung und Beratung nicht ersetzt werden können, leisten eLearning-Tools bei Patienten und Fachleuten zunehmend wichtige Unterstützung. Der Laptop, das Smartphone und das Internet sind die Informationsquellen, die von jungen Leuten genutzt werden. Auch der Informations- und Erfahrungsaustausch über soziale Medien, seien es Facebook, Twitter oder Blogs, kann für Patienten, vor allem für junge Zielgruppen sehr bereichernd sein“, betont Sabine Hofer. YouTuber und Blogger als neue Peer Groups werden im Rahmen des Kongresses ihre Aktivitäten im Netz vorstellen und diskutieren.

Bergisel-Schanze erstrahlt in Blau
Sogar die Bergisel-Sprungschanze in Innsbruck wird ganz im Zeichen von Diabetes stehen. „Während des Kongresses von 18. bis 21. Oktober wird die Schanze blau leuchten und damit den blauen Ring der Kampagne Unite for Diabetes symbolisieren“, freut sich Kongresspräsidentin Sabine Hofer über die sinnbildliche Unterstützung der ISPAD-Konferenz.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
//https://www.i-med.ac.at/

 

 

 

 

 

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